Horoskop-Sprache analysiert Astro-Opium fürs Volk

Sie sind schwammig, ungenau und selten überprüfbar: Dennoch haben Horoskope ein treues Publikum. Jetzt hat eine Sprachforscherin analysiert, mit welchen Tricks Sterndeuter Allgemeines speziell klingen lassen - und welche Unterschiede in Horoskopen für Arme und Reiche stecken.

Greifswald - Von Horoskopen hat Katja Furthmann noch immer nicht genug, obwohl sich die 27-Jährige Sprachwissenschaftlerin intensiv mit Sterndeutungen beschäftigt hat - nicht etwa mit deren zweifelhafter Zuverlässigkeit oder Trefferquote, sondern mit deren Sprache.

Die gebürtige Rüganerin untersuchte zwei Jahre lang knapp 3000 Horoskope aus Zeitungen und Zeitschriften und hat darüber an der Universität Greifswald promoviert. Ihre fast 550 Seiten umfassende Doktorarbeit "Die Sterne lügen nicht. Eine linguistische Analyse der Textsorte Pressehoroskop" wurde mit dem Promotionspreis der Commerzbank-Stiftung an der Universität Greifswald ausgezeichnet.

"Ich lese Horoskope noch immer gern", sagt Furthmann. Sie waren bereits Thema ihrer Magisterarbeit, daraus entstand der Gedanke für die Promotion. "Ich glaube nicht an Horoskope, bin aber immer wieder fasziniert davon, wie in diesen Texten der Spagat zwischen Allgemeinheit und Spezifik bewerkstelligt wird", sagt die Expertin, die Germanistik, Kommunikationswissenschaften und Anglistik studiert hat.

Ungenaue, schwammige, nicht überprüfbare Aussagen

In ihrer Doktorarbeit legt sie unter anderem dar, warum sich viele Menschen von Horoskopen angesprochen fühlen und warum diese immer irgendwie zu stimmen scheinen. "Die Texte sind so konstruiert, dass sie sowohl für die breite Masse als auch für jeden Einzelnen gelten", umreißt Furthmann das zugrunde liegende Erfolgsmuster.

So werde unter anderem das "Prinzip der erschöpfenden Themenpräsentation" angewendet. Dazu zählten ungenaue Formulierungen, in denen sich die Leser ohne Schwierigkeiten wiederfinden könnten, wie etwa: "Was immer Sie angehen wollen, ob Beruf, Liebe oder Hobbys - die Sterne stehen auf Ihrer Seite".

Zu den sprachlichen Charakteristika, die Horoskope massentauglich machen und ihnen zugleich einen individuellen Anstrich verleihen, gehörten auch das "Einweben" von schwammigen Oberbegriffen wie "Nehmen Sie die Sache in die Hand" oder aber einer allgemeinen und zeitlosen Wahrheit, die nicht in Frage gestellt wird: "Wer wagt, der gewinnt". Zum beliebten Instrumentarium gehörten auch Aussagen, die nicht überprüft werden können: "Sie haben einen heimlichen Verehrer." Metaphern erweckten zudem den Eindruck der Konkretisierung: "Alle Karriereampeln stehen auf Grün. Sie müssen nur noch Gas geben."

Horoskope als astrologisches Opium für sozial Schwache

Laut Furthmann, die Horoskope unter anderem in Zeitschriften wie "Brigitte", "Popcorn" oder "Tina" ausgewertet hat, variieren die Aussagen jedoch auch abhängig von dem durch Medienanalysen festgestellten Zielpublikum: "Das Horoskop in einer Zeitschrift, die hauptsächlich von sozial Schwächeren gelesen wird, ruft eher zur Kompromissbereitschaft gegenüber dem Chef auf als das Horoskop in einem Magazin für Gutsituierte. Letzteres rät zum Beispiel dazu, das eigene Licht nicht unter den Scheffel zu stellen." Ein finanzkräftigeres Klientel werde zudem häufiger dazu animiert, sich etwas zu gönnen, etwa in Form eines Wellness-Wochenendes. Für die finanzschwächere Leserschaft wiederum gelte: "Verschieben Sie größere Anschaffungen auf später."

Aber auch Denkmuster und die jeweilige Lebenssituation eines jeden Einzelnen spielten eine wichtige Rolle in der Interpretation der schwammigen Sterndeutungen. "Bin ich Horoskopen gegenüber positiv eingestellt, erkenne ich mich in ihnen leichter wieder", sagt die Forscherin, die mittlerweile bei einem Wissenschaftsverlag in Berlin arbeitet.

In einer Umfrage unter Lesern stellte sie fest, dass sie sich an die Horoskope gewöhnt haben und diese gerne lesen, ohne sie jedoch allzu ernst zu nehmen. Ihr gehe es ähnlich, sagt Furthmann. Außerdem wisse sie, dass nur einige Pressehoroskope von Astrologen verfasst, andere wiederum durch Medienagenturen oder aber sogar durch "Sekretärinnen nach Dienstschluss" verfasst würden.

Kerstin Hebeler, ddp

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