Hühner Übergewicht ist ansteckend
Wenn sich Farmer wundern, warum ihre Hühner plötzlich kollektiv Speck ansetzen, könnte ein Erreger schuld sein. Ein menschliches Virus, das aus mageren Hähnchen fette Gockel macht, ist zwischen den Tieren leicht übertragbar, berichtet ein Forscherteam um Nikhil Dhurandhar von der Wayne State University in Detroit.
Dhurandhar und seine Kollegen hatten bereits im vergangenen Jahr gezeigt, dass Hühner Fett ansetzen, wenn man ihnen das Adenovirus Ad-36 injiziert. Wie ihre neue Studie im "International Journal of Obesity" zeigt, ist die künstlich herbeigeführte Fettsucht ansteckend: Spritzt man gesunden Vögeln das Blut infizierter Artgenossen, legen sie ebenfalls mächtig zu.
"Sie werden nicht sichtbar dick", sagte Dhurandhar zur Online-Ausgabe von "Nature". Allerdings nehmen die Fettvorräte im Körper deutlich zu: Obwohl die infizierten Hühner genauso viel Futter bekamen wie die gesunden, lagerten sie innerhalb von fünf Wochen mindestens 35 Prozent Fett zusätzlich ab.
Selbst ohne Spritze können sich Tiere anstecken: Bei Hühnern, die ihren Stall mit infizierten Artgenossen teilen mussten, konnten Dhurandhur und seine Kollegen das Adenovirus nach zwölf Stunden im Blut nachweisen. Offenbar ist der Erreger - ähnlich wie Schnupfen - durch Mund- und Nasensekrete übertragbar.
Die Arbeit der Wissenschaftler stützt die umstrittene Theorie, nach der Übergewicht auch beim Menschen ansteckend ist. Bei Tieren wurden Viren zwar schon häufiger mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht, erklärt der Ernährungsforscher David Allison von der University of Alabama in Birmingham. "Aber niemand dachte, dass sie auch zur menschlichen Fettsucht beitragen könnten." Immerhin: Vorläufige Studien ergaben erhöhte Werte für Ad-36-Antikörper bei übergewichtigen Patienten, was auf eine Infektion hindeuten könnte.
Seltsamerweise wiesen die fettsüchtigen Hühner im Blut eine geringere Konzentration von Triglyzeriden auf - in dieser Form werden Fette im Körper transportiert und eingelagert. Vermutlich beeinflusst das Adenovirus die Art, wie Energie in den Fettzellen gespeichert wird, meint Allison. Der Blutpegel könnte deshalb so niedrig sein, weil die Zahl der Fettzellen und die Menge der in ihnen gespeicherten Triglyzeride erhöht ist.
Bei vielen Krankheiten - darunter Herzleiden und Diabetes - wird derzeit diskutiert, ob sie auf einen Erreger zurückgeführt werden können. Auf die Vorstellung, eine Vireninfektion könne zum Teil für menschliche Fettleibigkeit verantwortlich sein, würden jedoch viele Forscher "skeptisch und vorsichtig" reagieren, erklärte der Mediziner Arthur Frank von der University of Washington.
Trotz aller Bedenken beschäftigt jedoch auch ihn die Frage, ob veränderte Lebensgewohnheiten allein die rapide ansteigende Zahl der Übergewichtigen erklären können. "Es wäre durchaus denkbar, dass einige Fälle auf eine Infektion zurückgehen", räumte der Mediziner ein.