Humorstudie Psychologen berechnen Witzigkeit von Gagawörtern

Holleri du dödel di? Oder einfach nur Hurz? Ein paar unsinnige Wörter reichen, um uns grinsen zu lassen. Psychologen haben nun den Humorfaktor erfundener Begriffe kalkuliert. Die Methode könnte für Unternehmen nützlich sein.
Komödiant Loriot: Erfinder absurder Wortspiele

Komödiant Loriot: Erfinder absurder Wortspiele

Foto: Stephanie Pilick/ picture-alliance/ dpa

Hinter dem Gefühl, dass etwas komisch klingt, steckt mehr als nur Sinn für Humor: komplexe Mathematik. Das glauben jedenfalls Psychologen. Was den Witz absurder Wörter ausmacht, haben sie nun für eine im "Journal of Memory and Language"  erschienene Studie vermessen.

Das Team um Chris Westbury von der University of Alberta hat dabei mit statistischen Methoden Buchstabenkombinationen in englischen Wörtern analysiert. Sie nutzten dabei ein Maß, das anzeigt, wie weit ein Wort vom gebräuchlichen Wortschatz abweicht - und zeigten, dass dieses Maß seine Witzigkeit beschreibt.

Anlass für ihren genauen Blick auf Gagawörter war ein Effekt, den die Forscher bei einer vorangehenden Studie zu Sprachstörungen (Aphasien) beobachteten und "Snunkoople-Effekt" tauften. Probanden mussten ihnen vorgesetzte Wörter einordnen. Als sie jedoch erdachte Schnipsel wie "snunkoople" lasen, begannen sie sich zu amüsieren.

Unwahrscheinlich = witzig

Die Forscher interessierte, ob dieses Verhalten messbar oder vorhersagbar sei. Westbury und seine Kollegen hatten die Entropie als mathematisch bestimmbares Maß in Verdacht, ein aus der Physik übernommener Begriff. Entropie beschreibt, wie geordnet, vorhersehbar ein Wort ist. Je ungewöhnlicher die Kombination von Buchstaben, wie beispielsweise beim Wort "finglam", desto geringer seine Entropie im Vergleich zu einem Wort wie "clester". Dessen Buchstabenkombinationen sind wahrscheinlicher für ein Wort der englischen Sprache.

Bei den Tests verglichen die Probanden zwei ausgedachte Wörter und entschieden, welches ihnen lustiger erschien. Für weitere Wörter mussten sie auf einer Skala bestimmen, wie lustig sie sie fanden. Und tatsächlich: Es gab ein direktes, lineares Verhältnis von Witzigkeit und Entropie.

Quingel? Haha!

"Festzustellen, dass sonderbare Wörter lustig sind, ist nicht überraschend", erklärt Westbury im Video . "Aber zu entdecken, dass es einen beständigen und messbaren Zusammenhang zwischen ihrer Absonderlichkeit und ihrer Lustigkeit gibt, ist ein interessanter Fund." Zu den als besonders lustig empfundenen Wörtern zählten dabei die Aussrücke "subvick", "howaymb", "finglam", "himumma" und "quingel".

Eine Verletzung der Klangerwartung könnte dafür verantwortlich sein, vermutet der Psychologe Westbuy. Er verweist damit auf den Philosophen Arthur Schopenhauer, der bereits im 19. Jahrhundert Humor als eine Art Verletzung der Erwartungen charakterisierte.

"Je größer der Unterschied der Entropie zweier Wörter war, umso wahrscheinlicher, dass die Testpersonen entschieden, wie wir es von ihnen erwarteten", erklärt der Erstautor der Studie. Die treffsicherste Testperson habe in 92 Prozent der Fälle nach der Entropie entschieden. Für ein psychologisches Experiment sei dies eine ungewöhnlich hohe Genauigkeit.

Humor selbst könnte damit ein Sinn sein, um Sprachdistanz zu vermessen, spekulieren die Forscher. "Wir zeigen, dass das Gefühl, ein Wort klinge komisch, in Wahrheit eine Wahrscheinlichkeitsrechnung ist."

Peinliche Wortschöpfungen vermeiden

Die Arbeit könnte aber nicht nur als Instrument für Sprachtherapien helfen. Sie könnte der Industrie weltweit große Geldsummen einsparen. Zu erfahren, was uns fremd erscheint und wie Wörter auf uns wirken ist Firmen bereits lange viel wert. Weltweit fließen Millionen an Agenturen und "Naming Companies" für die Namensentwicklung. Sie finden den optimal klingenden Begriff, der dem Verbraucher den richtigen Eindruck vermittelt. Der neue Name Evonik für den deutschen Kohlekonzern Ruhrkohle AG beispielsweise brachte vor einigen Jahren dem Namensfinder Manfred Gotta über 100.000 Euro.

An diesem Prozess hängt nicht nur die Arbeit von Kreativen. Marktforschung und Umfragen, Psychologen und Linguisten tragen dazu bei. Denen könnten die Vermessung von Wörtern und ein Algorithmus zur humoristischen Bewertung von Namen helfen. Besonders witzige Namen ließen sich schnell und günstiger herausfiltern - mit entsprechenden Datenbanken in mehreren Sprachen und damit Märkten. Ob der Name für eine Zahnpasta oder ein Auto die Menschen ungewollt zum Lachen bringt, könnten die Namenserfinder vorab schnell klären.

Gerade die Autoindustrie hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie eine solche Technik durchaus gebrauchen könnte. Verbrauchern blieben vielleicht zukünftig Wortschöpfungen wie der "Peugeot Bipper" oder der "Citroën Berlingo Mullewapp" erspart - und der Industrie damit viel Spott. Sogar die Pharmabranche und Patienten könnten davon profitieren.

"Es wäre interessant, sich einmal das Verhältnis zwischen Produktnamen und der Ernsthaftigkeit der Produkte anzuschauen", so Westbury. "Menschen könnten beispielsweise weniger geneigt sein, ein lustig klingendes Medikament bei einer Erkrankung zu nehmen - oder vielleicht ist es genau anders herum."

Mehr lesen über

Verwandte Artikel

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren