Illegale Rodung im Amazonas Was unsere Bratwurst mit dem Regenwald zu tun hat

Für die Massentierhaltung in Europa importiert die EU Soja aus Brasilien. Wissenschaftler weisen nun erstmals nach, dass ein Teil davon aus Gebieten illegaler Waldrodung stammt. Europäische Unternehmen drohen nun mit Boykott.
Rind vor brennendem Regenwald: Durch illegale Brandrodung schaffen die Grundbesitzer Platz für die Tierhaltung und den Sojaanbau.

Rind vor brennendem Regenwald: Durch illegale Brandrodung schaffen die Grundbesitzer Platz für die Tierhaltung und den Sojaanbau.

Foto: Bruno Kelly/ REUTERS

Fleischesser haben es derzeit nicht leicht. Fast täglich gibt es neue Argumente, warum die Lust am Schnitzel, Mettbrötchen oder dem Kotelett schädlich für die eigene Gesundheit und den Planeten ist.

Eine am Donnerstag in der US-Fachzeitschrift "Science" erschienene Studie  beziffert nun erstmals die Mitschuld des europäischen Konsumenten an der Abholzung des Regenwalds in Brasilien: Etwa ein Fünftel der jährlichen Exporte von Soja und Rindfleisch aus Brasilien in die Europäische Union stehen demnach in Zusammenhang mit illegaler Abholzung im Amazonasgebiet und in der Cerrado-Savanne.

Dafür untersuchen die Wissenschaftler zwischen 2009 und 2017 mehr als 800.000 Flächen, wo illegale Abholzung in Verbindung mit Soja-Anbau und Viehzucht steht und wie viel davon unter den Produkten in die EU gelangt.

Kaum ökologische Landwirtschaft

Bei Rindfleischexporten stammen rund 17 Prozent von ehemaligen Regenwald- und Savannenflächen, die illegal entwaldet wurden. Bei Soja, das in Europa für Tierfutter verwendet wird, sind es rund 20 Prozent. Ein Viertel davon kommt direkt aus dem brasilianischen Amazonasgebiet, heißt es in der Studie, die in Zusammenarbeit von Forschern aus Brasilien, den USA und Deutschland entstand. Rund 41 Prozent des importierten Sojas in die EU-Märkte kommen demnach jährlich aus Brasilien.

Der Großteil des Soja-Anbaus und der Rindfleischhaltung aus den illegal entwaldeten Gebieten kommt aus der Cerrado-Savanne, einer Region im Südosten Brasiliens, an den Grenzen zu Paraguay und Bolivien. Das Gebiet beherbergt viele Tier- und Pflanzenarten, wird aber bereits seit Jahrzehnten intensiv bewirtschaftet, unter anderem für den Soja- und Zuckerrohranbau. Nur rund ein Prozent der zwei Millionen Quadratkilometer großen Savanne steht unter Naturschutz . Damit ist Cerrado so groß wie ganz Mexiko.

Waldrodung ist allerdings nicht das einzige Problem, mit dem landwirtschaftliche Produkte aus Brasilien latent behaftet sind. Hemmungsloser Pestizid- und Herbizideinsatz sowie Monokulturen laugen dort die Böden aus und killen die Biodiversität des naturreichen Landes. Ökologische Landwirtschaft oder natürliche Fruchtwechsel gibt es kaum.

Ausländische Investoren fordern Stopp der illegalen Rodung - mit Erfolg

Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und die illegale Brandrodung haben unter dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro stark zugenommen. Im brasilianischen Amazonasgebiet gab es im Juni die schlimmsten Brände für diesen Monat seit 13 Jahren. Erst im Frühjahr hatte Bolsonaro ein Gesetzesvorhaben unterstützt, das die illegale Abholzung und unrechtmäßige Besetzung von öffentlichem Land vor 2018 - insgesamt 570.000 Quadratkilometer, mehr als die Fläche Spaniens - nachträglich legalisieren würde. Das Vorhaben wurde als Ermutigung an Großgrundbesitzer gewertet, weitere Flächen illegal niederzubrennen.

Daraufhin drohten führende britische Supermarktketten mit einer Auslistung von Produkten aus dem südamerikanischen Land. Auch weitere 38 brasilianische und ausländische Firmen forderten die Regierung in der vergangenen Woche zu konkreten Schritten gegen die Abholzung auf. Die Unternehmen sorgen sich offenkundig um das Image der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas. Wegen der Zerstörung des Regenwalds bremsen bereits EU-Länder bei der Umsetzung des Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur.

In einer Videokonferenz mit europäischen Investoren erklärte der Vizepräsident Hamilton Mourao vor einer Woche, seine Regierung wolle die Abholzung des Amazonas auf "ein akzeptables Maß" senken. Kurz danach verabschiedete die brasilianische Regierung ein Dekret, das das Abbrennen von Flächen im Amazonasgebiet und im Pantanal für 120 Tage verbietet. Die Cerrado-Savanne ist allerdings nicht darunter.

Das von Umweltminister Ricardo Salles und Präsident Jair Bolsonaro unterschriebene Dekret trat gestern in Kraft. Beobachter deuten den Schritt als weiteren Versuch der Regierung, das Image Brasiliens im Ausland zu verbessern.

Gegen die illegale Abholzung will Bolsonaro angeblich Polizei und Militär einsetzen - diese könnten bis 2022 in Amazonien bleiben, um Abholzung und Brände zu bekämpfen. Ausnahmen macht das Dekret allerdings für kontrollierte Brände zu landwirtschaftlichen Zwecken außerhalb des Amazonasgebiets und des Pantanals. Farmer nutzen das Feuer, um den Boden günstig zu säubern und bereits abgeholzte Flächen für Landwirtschaft und Viehzucht zu gewinnen.

Ob Brasilien nun tatsächlich seine Bemühungen gegen die Abholzung erhöht, ist fraglich. Umweltschützern zufolge funktioniert ein Verbot von Bränden allein nicht. Daniela Montalto von Greenpeace Brasil sagte mit Blick auf das 120-Tage-Dekret: "Die Umwelt zu überwachen, die Zerstörung zu stoppen und das Gesetz durchzusetzen - das Bolsonaro weiterhin systematisch demontiert -, ist wesentlich."

sug/dpa-AFX
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