Interessenskonflikte bei EU-Behörde Efsa-Wissenschaftler spülen Bisphenol A weich

Parma: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat ihren Sitz in Italien
Foto: epa ansa Giorgio Benvenuti/ picture-alliance/ dpa/dpawebBisphenol A ist eine Art Allzweckwaffe der . Sie ist eine Ausgangssubstanz für viele Kunststoffe, macht Babyflaschen hart und lichtdurchlässig und wird zur Beschichtung von Dosen und Kassenzetteln eingesetzt, die durch Millionen Hände gleiten. Für die Industrie ist dieser Breitbandstoff inzwischen unentbehrlich, allein in der EU werden über eine Millionen Tonnen im Jahr produziert.
Nur: So ungefährlich wie die Hersteller es gern hätten, ist die Substanz nicht. Schon in winzigen Mengen hat sie enorme Wirkung, wie Umweltverbände seit Jahren monieren. Bisphenol A (BPA), das sich inzwischen im Körper quasi jedes Menschen befindet, kann ähnlich wirken wie das weibliche Sexualhormon Östrogen. Es hat negative Auswirkungen auf das Hormonsystem und wird für die zunehmende Unfruchtbarkeit von Männern verantwortlich gemacht. Als besonders gefährdet gelten Ungeborene und Kleinkinder.
Das Umweltbundesamt rät daher, BPA-Produkte zu meiden und forderte die Industrie auf, alternative Stoffe einzusetzen. In Frankreich, Dänemark und Kanada ist Bisphenol A in vielen Produkten bereits verboten. Etwas entspannter sieht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) die Situation. Die Efsa prüft auch die Gefahr von Chemikalien - Bisphenol A fanden die Wissenschaftler aber relativ harmlos. 2006 setzten sie den Grenzwert sogar hinauf.
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Schon damals kamen Zweifel an der Unabhängigkeit der Wissenschaftler auf: Die Vorsitzende des zuständigen Efsa-Gremiums war zu der Zeit die britische Toxikologin Susan Barlow. Sie war parallel für den europäischen Chemieverband Cefic und das International Life Science Institue (ILSI) tätig. Das Institut gibt sich zwar allgemeinnützig, doch unterhalten wird es vor allem von der Industrie: Neben Coca-Cola, Nestlé, Monsanto und Syngenta investieren hier auch BPA-Produzenten wie Bayer und Dow Chemical ihre PR-Gelder. Von der wird das Institut auf einer schwarzen Liste als Lobbyist geführt.
In diesem Frühjahr wurde bekannt, dass auch Diána Bánáti enge Verbindungen zum ILSI hat. Die Ungarin ist Präsidentin des Efsa-Verwaltungsrats und damit mit zuständig für die Besetzung der wissenschaftlichen Gremien. In ihren Angaben zu möglichen Interessenkonflikten hatte sie allerdings nur angezeigt, das ILSI zu beraten. Dass sie im Aufsichtsrat der Organisation war, verschwieg sie. Erst vor einigen Wochen besserte die Efsa die Liste der Interessenkonflikte aus. Im Oktober kam Bánáti dann Rücktrittsforderungen nach, allerdings in ihrem ganz eigenen Sinn: Nicht aus der Efsa zog sie sich zurück, sondern nur aus dem ILSI.
Nun fand der MDR heraus, dass Bánáti kein Einzelfall war. Auch ihr Efsa-Vorstandskollge Milan Kovac sitzt noch immer im europäischen ILSI-Aufsichtsrat. Weitere Wissenschafter, die die Efsa zu BPA beraten, haben Engagements bei der Industrie oder bekamen (wie im Fall des Briten David Bell) etwa Zuwendungen vom BPA-Produzent Dow Chemical. Bell wechselte vor einigen Monaten zur Europäischen Chemikalienagentur, die in der EU gefährliche Chemische Stoffe bewertet.
Die Efsa sieht unterdessen keinen Anlaß, ihre Richtlinien zu ändern. Man verfüge über "eine der strengsten" Regeln bei Interessenkonflikten, so eine Sprecherin - und die Wissenschaftler würden sich daran halten. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, hält das für stark übertrieben. Die ganze Unabhängigkeit der Behörde sei "fraglich", so Weiger. Bei zahlreichen Mitgliedern lägen Interessenkonflikte vor. Zudem habe sich die Efsa bei der Risikobewertung von Bisphenol A "nur auf wenige industriefinanzierte Studien gestützt".