
Brasilianischer Indio-Stamm: Leben abseits der Zivilisation
Isolierter Indianerstamm Bilder aus einer anderen Welt
Mit Bögen, Speeren und Macheten bewaffnet, die Haut rot und schwarz bemalt, blicken sie aufmerksam Richtung Himmel: Es zieht etwas Seltsames über ihre Hütten. Offenkundig sind die Indianer verunsichert. Aus der Luft hat die brasilianische Regierungsorganisation zum Schutz der indigenen Bevölkerung (Funai) eine Siedlung mitten im Regenwald fotografiert. Wo genau diese liegt, verrät sie nicht. Denn die Männer, Frauen und Kinder auf den Fotos sind Angehörige eines der letzten bislang unberührten Indianerstämme - und das soll auch so bleiben.
Bereits im Mai 2008 gingen einige der Bilder um die Welt. Nun zeigt die Menschenrechtsorganisation Survival International das Leben der Indianer in noch größerem Detailreichtum - so sind auf einem Bild Körbe mit frisch gepflückten Papayas und geschältem Maniok zu sehen. Neben der Machete, die ein Kind hält, zeugt auch eine Metalltasse davon, dass die Zivilisation über den Handel mit anderen Stämmen selbst hier ihre Spuren hinterlassen hat. Die medienwirksame Veröffentlichung hat einen ernsten Hintergrund: Nach Angaben der Organisation ist der Stamm, der im brasilianischen Regenwald nahe der peruanischen Grenze lebt, akut bedroht.
Fotos sollen auf das Schicksal des Stammes aufmerksam machen
Besonders auf peruanischer Seite schreitet die illegale Abholzung des Regenwaldes voran. Die Fotos sollen auf das Schicksal der Ureinwohner aufmerksam machen - und ihnen dadurch helfen. "Diese Bilder sind der Beweis, dass es noch immer unberührte Stämme gibt", sagt Stephen Corry, Direktor von Survival International. "Die Welt muss aufwachen und mehr gegen den illegalen Holzschlag zu unternehmen." Er forderte auch die Regierung Perus auf, sich des Problems stärker anzunehmen.
Luftaufnahmen der Organisation Upper Amazon Conservancy aus dem Sommer 2010 zeigten allerdings, dass auf der peruanischen Seite Holzfäller in der Nähe der Schutzgebiete arbeiten, die für die isolierten Stämme eingerichtet wurden. Wird ein Stamm aus seiner Heimat vertrieben, kann das in Gebieten, in denen verschiedene Gruppen ansässig sind, zu Kämpfen führen.
Rund 60 Stämme, die keinen Kontakt zur Zivilisation haben, leben Schätzungen zufolge im Regenwald Brasiliens, weltweit sind es wahrscheinlich rund 100. Viele haben sich freiwillig dafür entschieden, die Zivilisation zu meiden. Organisationen wie Survival International setzen sich dafür ein, dass dieses Recht gewahrt wird.
Denn ein Kontakt - ob freiwillig oder unfreiwillig - stellt für die Stämme ein tödliches Risiko dar, wie frühere Begegnungen zeigen. Eingeschleppte Krankheitserreger wie etwa Masernviren, gegen die die isoliert lebenden Indianer keinerlei Abwehr entwickelt haben, rafften oft viele Stammesmitglieder dahin. Von den Yanomami, die im Grenzgebiet zwischen Venezuela und Brasilien leben und Mitte des vergangenen Jahrhunderts erstmals Kontakt mit Weißen hatten, ist bekannt, dass innerhalb von sieben Jahren nach diesem Ereignis jeder fünfte Stammesangehörige gestorben war. Den Menschen, die an der Grenze zu Peru leben, soll dieses Schicksal erspart bleiben.
Allerdings hatten bereits die ersten Luftbilder der Indianer für Streit gesorgt. Eine britische Zeitung hatte Berichtet, dass die Existenz des Stammes schon seit 1910 bekannt gewesen sei- und kritisierte die gezielte Foto-Aktion von 2008 als potentiell folgenreich, da sie bereits eine Form der Kontaktaufnahme darstelle - und den Indianer genau jene Aufmerksamkeit beschere, die sie womöglich nicht wollten.