Klima- und Umweltbilanz der Viehzucht Forscher plädieren für Fleischsteuer

Fleisch ist zu billig, sagen Experten in einer Studie. Sie haben berechnet, wie viel teurer Rind, Lamm oder Schwein sein müsste – und wie das dazu führen könnte, dass Arme am Ende sogar mehr Geld haben als vorher.
Rinderhälften in einem Schlachthaus

Rinderhälften in einem Schlachthaus

Foto: Mehmet Cetin / iStockphoto / Getty Images

Billigfleisch hat seinen Preis. Gemeint ist nicht der Preis, den die Verbraucher im Supermarkt an der Kasse bezahlen. Sondern der, der zulasten der Tiere geht. Die Haltungsbedingungen in der Massentierhaltung, die sehr günstige Fleischpreise ermöglichen, sorgen leider auch dafür, dass es Kühen, Hühnern und Schweinen nicht gut geht. Dazu kommt, dass die Tierzucht auch für Umwelt und Klima negative Folgen aufweist: Die Viehzucht ist für 13 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, da Rinder bei der Verdauung das klimaschädliche Gas Methan (CH4) freisetzen. Zudem sorgen große Weideflächen für nachlassende Artenvielfalt, Gülle aus der Tierhaltung gilt als Hauptursache für hohe Nitratwerte im Grundwasser.

Rechnet man all diese Faktoren zusammen, ist Fleisch zu billig – ein Kilogramm Rind, Schwein, Lamm oder Geflügel müsste eigentlich ein Vielfaches mehr kosten als gegenwärtig. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Franziska Funke von der TU Berlin und Linus Mattauch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sowie Kollegen der Uni Oxford haben nun in einer Modellrechnung ermittelt, wie teuer Fleisch sein müsste, damit es eine ausgeglichene Klima- und Umweltbilanz aufweist. Gleichzeitig plädieren sie in ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift »Review of Environmental Economics and Policy«  erscheinen wird, für eine Fleischsteuer.

Bei unterschiedlichen Produktionsketten ergibt sich für Rindfleisch in Ländern mit hohem Einkommen eine
Preissteigerung im Einzelhandel von 35 bis 56 Prozent. Lamm- und Schweinefleisch wäre um 19 Prozent teurer und Geflügel um 25 Prozent. Allerdings sind in diesen Preisen nicht einmal die Schäden durch den Verlust der biologischen Vielfalt oder die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums auf die Gesundheit der Menschen enthalten.

»Die Viehwirtschaft trägt in hohem Maße zu Treibhausgasemissionen sowie zur Boden- und Wasserverschmutzung bei. Zudem werden wertvolle Wälder für Weiden und Nahrungsmittelanbau gerodet«, wird Mattauch in einer Mitteilung zitiert. Es gebe Hinweise, dass die Umweltauswirkungen so groß seien, dass die Welt die Klimaziele nicht erreichen und lebenswichtige Ökosysteme nicht erhalten könne, ohne den Fleischkonsum zu reduzieren – zumindest in den westlichen Ländern mit hohem Einkommen.

Fleischsteuer soll Landwirte unterstützen

Laut den Forschenden habe eine Fleischsteuer den Vorteil, dass auf diese Weise Einnahmen generiert werden, die zweckbezogen ausgegeben werden könnten. So biete es sich an, Landwirte zu unterstützen. Das würde Viehzüchtern helfen, weniger auf die Fleischproduktion und mehr auf alternative Einkommensquellen zu setzen. Zudem könnten höhere Tierschutzstandards umgesetzt werden, denn auch dafür müssen allein in Deutschland Milliarden investiert werden.

Auch ärmere Familien könnten bei der Nahrungsmittelbeschaffung von einer solchen Steuer profitieren: »Wir schlagen vor, die Einnahmen aus der Fleischsteuer zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte umzuverteilen oder Obst und Gemüse zu subventionieren«, so Franziska Funke.

Haushalte mit hohem Einkommen würden bereits mehr und teureres Fleisch kaufen, sodass sie von vornherein mehr zu den Steuereinnahmen beitragen würden. »Unsere Daten zeigen, dass mit einer einfachen Maßnahme, wie einer gleichmäßigen Umverteilung der Einnahmen aus der Fleischsteuer über die Bevölkerung, die meisten Menschen mit niedrigem Einkommen mehr Geld hätten als vor der Steuerreform.«

Die Arbeit betont außerdem eine größere Chancengleichheit in der Viehzucht. Ein häufig geäußerter Vorbehalt gegen eine Fleischsteuer sei, dass sie Landwirte in den Ruin treiben könnte. Stattdessen seien sowohl importiertes Fleisch als auch heimische Produkte gleichermaßen von so einer Gebühr betroffen. Das verhindere, dass heimische Erzeuger von Produkten aus Ländern mit geringeren Umweltauflagen unterboten werden und schütze die heimischen Landwirte vor Wettbewerbsnachteilen.

joe
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