Klimabericht des IPCC »Der Planet schwebt in Lebensgefahr und mit ihm seine Bewohner«

Dürre macht auch dem deutschen Wald zu schaffen. Hier wandert ein Mann durch vertrocknete Fichten im niedersächsischen Clausthal-Zellerfeld
Foto:jens schlueter / Getty Images
Die Klimakrise schreitet voran. Die Erde heizt sich auf, die Luft, die Meere. Und das noch schneller, als viele vermutet – und befürchtet – haben. Der Intergovernmental Panel on Climate Change, der IPCC, hat an diesem Montag einen neuen Bericht veröffentlicht.
Darin heißt es: Wenn es nicht gelingt, die Emissionen von Treibhausgasen stark und schnell zu verringern, werde die weltweite Mitteltemperatur schon in den kommenden 20 Jahren einen Wert von mindestens 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Wert erreichen. Ohne wesentliche Einschnitte beim Ausstoß von Treibhausgasen müsse sich die Menschheit auf mehr Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen einstellen. Noch, heißt es in dem Bericht auch, hätten es die Menschen in der Hand, die schlimmsten Folgen zu verhindern.
Für den Bericht hatten Forscherinnen und Wissenschaftler mehr als 14.000 Studien ausgewertet.
Was sagen diejenigen dazu, die die Klimapolitik gestalten?
Viele Politikerinnen und Politiker äußerten sich zur Veröffentlichung des neuen IPCC-Berichts.
UN-Generalsekretär António Guterres sagte: »Die Alarmglocken sind ohrenbetäubend, und die Beweise sind unwiderlegbar.« Die Treibhausgase erstickten den Planeten und brächten Milliarden Menschen in Gefahr. Der Temperaturanstieg lasse sich nur auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, wenn Führungskräfte in Politik, Unternehmen und der Zivilgesellschaft geeint hinter politischen Vorgaben, Maßnahmen und Investitionen stünden. »Die Lebensfähigkeit unserer Gesellschaft hängt davon ab«, sagte der UN-Generalsekretär. Die Lösungen seien offensichtlich: »Der Bericht muss die Totenglocke für Kohle und andere fossile Brennstoffe sein, bevor sie unseren Planeten zerstören.«
António Guterres, UN-Generalsekretär
Es gebe keinen Raum mehr für Verzögerungen oder Ausreden. Bei der Weltklimakonferenz im November in Glasgow müssten Antworten geliefert werden. »Wenn wir unsere Kräfte jetzt bündeln, können wir die Katastrophe abwenden«, sagte Guterres.
Frans Timmermans, der stellvertretende Präsident der EU-Kommission, schrieb auf Twitter: Der Bericht zeige »die extreme Dringlichkeit, jetzt zu handeln, um die Klimakrise zu bewältigen«. Es sei »nicht zu spät«, einen unkontrollierbaren Klimawandel zu verhindern, »aber nur, wenn wir jetzt entschlossen und alle zusammen handeln«.
The #IPCC #ClimateReport shows the immense urgency of acting now to tackle the climate crisis. It’s not too late to stem the tide and prevent runaway climate change, but only if we act decisively now and all act together.
— Frans Timmermans (@TimmermansEU) August 9, 2021
Auch verschiedene Ministerinnen und Minister aus dem Bundeskabinett bezogen Stellung.
So sagte etwa die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD): »Der Planet schwebt in Lebensgefahr und mit ihm seine Bewohner.« Es sei nun wichtig, sich bestmöglich auf die Gefahren der Klimakrise vorzubereiten, zum Beispiel auf Überschwemmungen nach Starkregen oder auf anhaltende Dürren.
Svenja Schulze, Bundesumweltministerin (SPD)
Auch die Hitzewellen mit Waldbränden in Nordamerika, Sibirien sowie in Griechenland und der Türkei zeigten: »Der Klimawandel ist kein Zukunftsszenario, er ist Realität«, sagte Schulze. Die Bundesumweltministerin forderte zudem eine rasche Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas, und einen Ausbau der Sonnen- und Windkraft. »Es gab schon genug Weckrufe und Appelle«, sagte die SPD-Politikerin in Berlin. »Der heute vorgestellte IPCC-Bericht führt uns erneut vor Augen, dass die Zeit für die Rettung des Planeten, wie wir ihn kennen, abläuft.«

»Klimabericht« ist der SPIEGEL-Podcast zur Lage des Planeten. Wir fragen, ob die ökologische Wende gelingt. Welche politischen Ideen und wirtschaftlichen Innovationen überzeugen. Jede Woche zeigen wir, welchen Einfluss die Klimakrise auf unseren Planeten hat und warum wir im spannendsten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts leben.
Schulze bezog sich auch auf die Uno-Klimakonferenz, die im Herbst in Glasgow stattfinden soll. Dazu sagte sie: »Wir brauchen von möglichst vielen weiteren Staaten ambitionierte Klimaziele und bei den offenen Verhandlungspunkten absoluten Einigungswillen.« Deutschland habe mit seinem Klimaschutzgesetz und der Anpassungsstrategie »einen wichtigen Beitrag beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel« geleistet.
Ein »Warnsignal«, das nicht mehr überhört werden könne
Die Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) bezeichnete den IPCC-Bericht als erneutes »nicht mehr zu überhörendes« Warnsignal. Und kündigte an: »Wir werden nochmals spürbarer in Wissenschaft und Forschung investieren, um dem Klimawandel mit aller Kraft entgegenzutreten.«
Deutschland solle ein »Zentrum für die Entwicklung von klimafreundlichen Technologien« werden, sagte die Ministerin weiter. Dazu zählten neben dem sogenannten grünen Wasserstoff für eine klimaneutrale Industrie auch Methoden zur CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre.
»Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren«
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, äußerte sich auf Twitter zur neuesten Veröffentlichung des Weltklimarates und mahnte an, dass nur noch wenig Zeit bleibe, um wirksame Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.
Der #IPCC Bericht zeigt: Die Klimaerhitzung führt jetzt schon zu einem Temperaturanstieg von mehr als 1 Grad und das Klima ändert sich immer schneller - von der Ozeanerwärmung bis zu Wetterextremen in allen Regionen der Welt. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. 1/3
— Annalena Baerbock (Archiv) (@ABaerbockArchiv) August 9, 2021
Die Vorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, forderte ebenfalls rasche Konsequenzen. »Nur wenn wir jetzt handeln, bleibt das Ausmaß des Klimawandels mit seinen Folgen realistischerweise beherrschbar«, sagte sie der »Welt«. Mit diesem Ziel vor Augen gelte auch: »Nur radikale Klimapolitik ist realistische Klimapolitik.«
Weiter sagte Hennig-Wellsow, angesichts der neuen Daten und Informationen müsse »auch der letzte Konservative« verstehen: »Wir können nicht länger auf den Markt warten. Wir müssen jetzt die Klimawende schaffen.« Unter anderem müssten die öffentlichen Verkehrsmittel massiv ausgebaut werden und die Kohleverstromung in Deutschland sollte bereits 2030 enden und nicht, wie bisher geplant, erst im Jahr 2038.
Boris Johnson, britischer Premierminister
Der britische Premierminister Boris Johnson sagte, er hoffe, dass »der heutige IPCC-Bericht ein Weckruf für die Welt sein wird, jetzt zu handeln, bevor wir uns im November in Glasgow zum entscheidenden COP26-Gipfel treffen«. Die nächste Dekade werde entscheidend für die Sicherung der Zukunft des Planeten werden. Die Tatsache, dass sich die Erde bei der derzeitigen Entwicklung bereits gegen 2030 um 1,5 Grad erwärmt haben werde, bezeichnete Johnson als »harte Warnung von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, dass das menschliche Handeln den Planeten in einer alarmierenden Geschwindigkeit beschädigt«.
Ein Notfall für die Welt
Auch Vertreterinnen und Vertreter aus der Gesellschaft kommentierten den Bericht. Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer schrieb auf Twitter: »Wer jetzt nicht umlenkt, hat nicht zugehört. Wir müssen mutig sein, die Welt steht auf der Kippe.«

Einige Regionen der Welt sind besonders stark von der Klimakrise betroffen. Auf diesem Bild ist ein Fluss in Bangladesch zu sehen. Ein Sturm hat das Ufer zerstört.
Foto: Kazi Salahuddin Razu / NurPhoto / Getty ImagesDie schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg sagte, sie sei von Erkenntnissen aus dem neuen Bericht nicht überrascht. »Er bestätigt, was wir schon aus Tausenden vorherigen Studien und Berichten wissen – dass wir uns in einem Notfall befinden«, schrieb Thunberg auf Twitter und Instagram.
The new IPCC report contains no real surprises. It confirms what we already know from thousands previous studies and reports - that we are in an emergency. It’s a solid (but cautious) summary of the current best available science. 1/2
— Greta Thunberg (@GretaThunberg) August 9, 2021
Es handele sich um eine solide, aber vorsichtige Zusammenfassung des derzeitigen Wissensstands. Noch könnten die schlimmsten Folgen des Klimawandels vermieden werden, ergänzte die 18-Jährige. »Aber nicht, wenn wir weitermachen wie heute, und nicht, ohne die Krise wie eine Krise zu behandeln.«