Reinhard Böhm Österreichs Vater der Klimaforschung ist tot

Schwerer Schlag für die Geowissenschaften: Der bedeutende Wiener Klimatologe Reinhard Böhm ist überraschend gestorben. Seine kritische Haltung prägte eine ganze Forschergeneration.
Klimaforscher Reinhard Böhm (1948 - 2012)

Klimaforscher Reinhard Böhm (1948 - 2012)

Foto: ZAMG

Wien/Hamburg - Reinhard Böhm, einer der bedeutendsten Klimaforscher der Welt, ist tot. Das teilt sein Forschungsinstitut, die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien (ZAMG) , mit. Der angesehene Wissenschaftler sei an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben, den er am Sonnblickgletscher erlitten hätte. Böhm wurde 64 Jahre alt. "Der menschliche und fachliche Verlust lässt sich kaum in Worte fassen", sagt Michael Staudinger, Direktor der ZAMG.

Reinhard Böhm war einer der besten Kenner der Klimaforschung, er arbeitete seit 1973 an der ZAMG und veröffentlichte mehr als 150 Studien, die meisten über Klima- und Gletscherforschung im Alpenraum. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er bekannt durch Bücher, Vorträge und Aufsätze. Seine unaufdringliche Art der Wissensvermittlung wurde bewundert.

Böhm galt als wahrer Naturforscher, der die Umwelt am liebsten direkt in Augenschein nahm. In der modernen Kultur adretter Wissenschaftler, die die Welt vorzugsweise an Computern analysieren, wirkte er mitunter etwas fremd. "Experten sind in der Regel nicht klüger als andere", sagte er, "sie haben lediglich das Privileg, sich gegen Bezahlung mit dem zu beschäftigen, was sie interessiert."

Böhm fremdelte mit der Politisierung der Klimaforschung. "Oberflächliche, belehrende Gesamtschauen, die die Welt ganz nebenbei erklären, gibt es gerade zum Modethema Klimawandel in großer Zahl", seufzte er. Er wollte sich nicht an den politischen Debatten beteiligen: "Von der Rettung der Welt verstehe ich nichts, ich bin dafür kein Experte", sagte Böhm.

"Glauben Sie mir nicht"

Statt großer Reden widmete er sich dem Detail: "Das ganz natürliche Motiv der Neugier auf das Verstehen der Natur ist hochlegitim", begründete Böhm seine Haltung. "Lassen Sie sich nicht einreden, wir wüssten genug", erklärte er gegenüber Laien. "Trachten Sie stets, die Wissenschaft kritisch zu hinterfragen, seien Sie skeptisch, kontrollieren Sie auch das, was ich so alles behaupte", sagte Böhm.

Seine kritische Haltung widersprach oftmals der gerade modernen Meinung zu Umweltthemen. Dennoch ließ sich der renommierte Fachmann nicht verunsichern, er sprach jeder Art ideologischer, voreingenommener Wissenschaft sein Misstrauen aus. "Diskussionen mit ihm waren aber immer herzlich, offen und von der Lust am wissenschaftlichen Diskurs geprägt", sagt ZAMG-Direktor Staudinger.

Böhm prägte mit seiner Haltung unzählige Nachwuchsforscher, besonders in seiner Heimat Österreich: "Eine ganze Generation von Forscherinnen und Forschern hat durch ihn gelernt, die richtigen Fragen zu stellen und Positionen mit Argumenten zu untermauern", sagt Staudinger. Diese neue Forschergeneration wird das Andenken von Reinhard Böhm bewahren.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten