Klimagipfel in Durban Entwicklungsländer setzen Industrienationen unter Druck

Beim Klimagipfel in Durban zeichnet sich ein heftiger Konflikt ab: Die Entwicklungsländer wollen durchsetzen, dass für Industriestaaten weiterhin feste Klimaschutzziele gelten. Um dies zu erreichen, sind sie offenbar sogar bereit, einen Hilfsfonds zu riskieren, der ihnen Milliarden in die Kassen spülen würde.
Fabriken in China: CO2-Ausstoß pro Kopf ist seit Jahren deutlich gestiegen

Fabriken in China: CO2-Ausstoß pro Kopf ist seit Jahren deutlich gestiegen

Foto: STR/ AFP

Den großen Durchbruch wird es beim Klimagipfel in Durban nicht geben. Deshalb, so der Plan, sollte wenigstens der Grüne Klimafonds beschlossen werden - so könnte die Konferenz in Südafrika doch noch mit einem Erfolg enden. Doch der scheint gefährdet zu sein. Wie SPIEGEL ONLINE aus Delegationskreisen erfuhr, dringen zahlreiche Entwicklungsländer offenbar auf eine zwingende Fortsetzung des Kyoto-Protokolls.

Für den Fall, dass das Klimaschutzabkommen nur pro forma weiterbesteht, drohen sie mit massivem Widerstand. Da eine Abschlusserklärung auf der Konferenz nur einstimmig zustande kommen kann, wäre damit ein Fehlschlag programmiert. Jan Burck von der Umweltvereinigung Germanwatch bestätigt das: "Es droht ein Eklat."

Hintergrund des Streits ist die Ausstattung des Grünen Klimafonds mit Finanzmitteln. Auf dem Klimagipfel von Kopenhagen Ende 2009 wurde beschlossen, dass die Industriestaaten den Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen, um weniger CO2 auszustoßen und sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Woher genau das Geld kommen soll, ist aber bis heute offen.

Streit um die Position Chinas und Indiens

Einige Entwicklungsländer drohen nun offenbar damit, eine Einigung auf dem Gipfel platzen zu lassen - und damit auch den Grünen Klimafonds. Die erste Phase des Vertrags endet 2012. Dass er direkt fortgeschrieben wird, gilt inzwischen als ausgeschlossen. Für die Entwicklungsländer ist das ungünstig: Unter dem Kyoto-Protokoll sind die Industriestaaten - mit Ausnahme der USA, die es nicht ratifiziert haben - dazu verpflichtet, ihren Treibhausgas-Ausstoß zu senken. Für Entwicklungsländer gibt es eine solche Verbindlichkeit nicht: Sie sollen zunächst ihre Wirtschaft ankurbeln dürfen und sollen sich nur freiwillig am Klimaschutz beteiligen.

Das aber wollen Industriestaaten wie die USA aber auch Russland und Kanada nicht mehr länger hinnehmen. Ihr Argument: Inzwischen stoßen auch große Schwellenländer wie China und Indien so gewaltige Mengen an Kohlendioxid aus, dass ein Klimaschutzabkommen ohne ihre Beteiligung sinnlos wäre.

In Durban prallen beide Standpunkte frontal aufeinander. Am Montag gab es zunächst Hoffnung auf Besserung: Pekings Verhandlungsführer Xie Zhenhua hatte überraschend angekündigt, sein Land könne sich vorstellen, rechtlich bindende Verpflichtungen zum Klimaschutz einzugehen. Doch sein Angebot knüpfte Xie an gleich fünf Bedingungen:

  • Das Kyoto-Protokoll müsse unbedingt in eine zweite Phase gehen - das sei das wichtigste Thema der Konferenz in Durban. Das Abkommen solle auf diese Weise bis 2020 fortgeschrieben werden.
  • Anschließend solle wissenschaftliche überprüft werden, wie wirkungsvoll die Kyoto-Maßnahmen waren.
  • Der Grüne Klimafonds müsse wie geplant in Kraft treten.
  • Die Industriestaaten sollen die Entwicklungsländer mit Technologietransfers unterstützen.
  • Die Ziele zur Senkung des CO2-Ausstoßes müssten differenziert ausfallen - je stärker ein Land wirtschaftlich ist, umso mehr Verantwortung müsse es für den bisherigen Klimawandel übernehmen.

Im Grunde bleibt Peking damit bei seiner bisherigen Position. Denn unter diesen Umständen werde das Kyoto-Protokoll bestenfalls formell weitergeführt - "etwas anderes anzunehmen wäre unrealistisch", sagte ein Delegierter.

Neu wäre an Pekings Haltung lediglich, dass man ab 2020 bereit wäre, beim internationalen Klimaschutz mitzumachen. Das wird in Durban allerdings lediglich als Zugeständnis an die politische und wirtschaftliche Realität gewertet. Der weltgrößte Treibhausgas-Emittent ist das Land schon seit Jahren, und inzwischen ist auch sein Pro-Kopf-Ausstoß nicht mehr weit von dem der Industriestaaten entfernt. Der Wert, der gern als Gradmesser des individuellen Wohlstands herangezogen wird, liegt in China mittlerweile bei rund sechs Tonnen pro Jahr. Das ist zwar noch weit entfernt von den 19 Tonnen der USA, liegt aber bereits auf dem Niveau Frankreichs - und weit über den zwei Tonnen Indiens. In anderen Ländern wie Deutschland und Großbritannien liegt der Pro-Kopf-Ausstoß um die neun Tonnen, Tendenz sinkend.

Schon in einigen Jahren dürfte China gleichgezogen haben. Damit wird es zunehmend schwierig, sich in Klimaverhandlungen als Entwicklungsland darzustellen und zugleich in der internationalen Politik die kommende Großmacht zu geben, ausgestattet mit Flugzeugträgern und Stealth-Kampfjets.

US-Unterhändler hat es nicht eilig

Bis 2020 aber will China noch seinen Entwicklungsland-Bonus genießen - und macht es den USA leicht, sich ebenfalls zu verweigern. Denn Washington würde einem schnellen internationalen Abkommen nur beitreten, wenn auch China mitmacht. Die simple Zweiteilung der Welt in arme und reiche Länder stamme von 1992, sagte Washingtons Unterhändler Todd Stern am Montag. "Und seitdem hat sich die Welt radikal verändert." Es ergebe keinen Sinn, auf dieser Grundlage noch Abkommen zu schließen.

Besonders unangenehm dürfte der US-Delegation die Haltung Chinas freilich nicht sein. Erst vor wenigen Tagen erklärte Chefunterhändler Jonathan Pershing, dass es gar nicht notwendig sei, vor 2020 mehr für den Klimaschutz zu tun - was Wissenschaftler und Umweltschützer ungläubig staunen ließ.

Die Entwicklungsländer bringt das offenbar in die Stimmung für eine Revolte - so sehr, dass sie nun auch bereit scheinen, den Grünen Klimafonds aufs Spiel zu setzen. Manche Beobachter zeigten sich überrascht, denn damit würden sich viele ärmere Staaten um massive Geldmittel bringen.

Und wo stehen die Deutschen? Darüber rätselt in Durban mancher. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einer Videobotschaft am Wochenende dem Klimagipfel kaum Erfolgschancen eingeräumt. Ganz anders klang am Montag der deutsche Delegationsleiter Karsten Sach. Es sei unlogisch und kaum zu vermitteln, erst 2015 mit den Verhandlungen eines Abkommens zu beginnen, das erst 2020 in Kraft trete. Denn die Treibhausgas-Emissionen müssten schon vorher ihren Scheitelpunkt erreichen. "Wir wollen", sagte Sach, "ein umweltintegres Kyoto II in einem Gesamtpaket."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren