Flutkatastrophe von 2021 Wie Städte Regen und Stürme verstärkten

Überflutungen in Schuld im Landkreis Ahrweiler (Juli 2021)
Foto: SASCHA STEINBACH / EPADie Flut in Deutschland im vergangenen Sommer gilt als die heftigste Naturkatastrophe in Deutschland seit der Sturmflut von 1962. Mitte Juni erreichte Extremwetter überwiegend ländliche Gebiete – die meisten lagen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Allein in Deutschland starben mehr als 180 Menschen, aber auch in Belgien kamen Menschen um. Dazu waren von den Überflutungen auch die Niederlande, Österreich und die Schweiz betroffen.
Der Auslöser für die Katastrophe war Tief »Bernd«, das ab Mitte Juli schwere Niederschläge über mehreren Regionen Deutschlands hereinbrechen ließ. In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz fielen durchschnittlich 93 Liter Regen pro Quadratmeter und Tag, in einigen Teilen Belgiens sogar 106 Liter. Von Starkregen sprechen Experten bereits ab 30 Litern.
Dass der Klimawandel solche Katastrophen wie im vergangenen Sommer begünstigt und verstärken kann, nehmen Klimaforscherinnen und -forscher schon länger an. Es ist für sie aber schwierig, die Erderwärmung als konkreten Auslöser für einzelne Ereignisse nachzuweisen. Das konnte auch im vergangenen Jahr eine Schnellstudie kurz nach der Katastrophe nur bedingt leisten.
Nun haben sich Forscher um Long Yang von der Nanjing University in China die Daten zu der Flutkatastrophe von 2021 erneut vorgenommen. Dabei haben sie sich angeschaut, welchen Einfluss Städte und urbane Regionen auf die Stürme und heftigen Regenfälle haben. Und welche Rolle der Klimawandel dabei spielt.
Der Hintergrund: Schon länger ist bekannt, dass Städte einen Einfluss auf lokale Wetterereignisse haben können. Die Gebäude in urbanen Räumen sind höher und sie stehen dichter beieinander als in ländlichen Regionen. Das kann Wetterfronten blockieren und sie vom Stadtzentrum wegleiten. Gleichzeitig können die höheren Temperaturen in großen Städten und auch die höhere Schadstoffbelastung den Feuchtigkeitsgrad in den Wolken erhöhen. Grundsätzlich kann warme Luft mehr Wasser aufnehmen als kalte.
In der Arbeit, die nun im Fachmagazin »Geophysical Research Letters« erschienen ist, simulierten die Wissenschaftler das Zusammenspiel zwischen einem wärmeren Klima und städtischen Umgebungen in einem Computermodell. Konkret geht es um den Zeitraum vom 13. bis zum 17. Juli 2021 – den Zeitpunkt, als Tief Bernd am heftigsten wütete. Der meiste Regen fiel am 14. Juli, damals wurde mancherorts mehr als 150 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen.
In der Studie zeigte sich, dass sich Regen und Sturm durch den Effekt eher auf vorstädtische Gebiete konzentrieren würden. Zudem war die Niederschlagsmenge durch die Wechselwirkungen mit urbanen Regionen um 50 Prozent erhöht. Übertragen auf den Niederschlag, der am 14. Juli in den betroffenen Katastrophengebieten in Mitteleuropa fiel, bedeutet das: Von den rund 15 Zentimetern Niederschlag geht die Hälfte auf den Effekt der Urbanisation zurück.
Einfluss von Städten auf Extremwetter erstaunlich groß
Tatsächlich ergab das Computermodell des Unwetters, das die Wissenschaftler erstellt hatten, recht genau die Menge an Regen, die tatsächlich in Regionen in Ostbelgien und Westdeutschland gemessen wurde. Sie lag nur ein wenig über den realen Werten.
Um ihr Modell zu prüfen, haben die Forscher zudem auch eine Simulation erstellt, in denen Städte durch unbebautes Land ersetzt und die Temperaturen auf das vorindustrielle Niveau gesenkt waren. Dadurch konnten sie die Faktoren Klimawandel und Verstädterung jeweils einzeln betrachten. Hier zeigte sich, dass der Einfluss von Städten auf solches Extremwetter zumindest gleich groß wie der des Klimawandels war.
Die Studie zeige, wie wichtig es sei, den Einfluss der Urbanisierung und der Landschaft allgemein in Klimamodelle mit einzubeziehen, schreiben die Forscher. Die Rolle der Städte sei bei der Analyse der Ursachen von Wetterextremen bisher nicht angemessen berücksichtigt worden, heißt es. »Wir sind die erste Forschergruppe, die nachweisen konnte, dass die Folgen von Land-Atmosphäre-Wechselwirkungen auf extreme Regenfälle vergleichbar oder sogar kritischer sind als die Auswirkungen von klimatischen Prozessen«, so Yang.
Die Forscher betonen zudem die Notwendigkeit, in Zukunft schon bei der Planung durch entsprechende Konzepte widerstandsfähigere Städte zu bauen. »Auf lokaler Ebene gibt es unmittelbare Möglichkeiten, eine höhere Klimaresilienz zu entwickeln, ohne darauf warten zu müssen, dass mehr als 100 Nationen Erklärungen unterzeichnen«, sagte Co-Autor Dev Niyogi von der University of Texas in Austin mit Blick auf den Pariser Klimavertrag. »Wir müssen nicht nur die Emissionen senken, sondern auch erkennen, dass das Verständnis der Auswirkungen der Urbanisierung Teil der Lösung ist«, so der Geoforscher.
Die Studie berücksichtigte aber nur atmosphärische Faktoren. Bei der Entstehung von Sturzfluten infolge von Starkregen spielen aber noch viele andere Punkte eine Rolle, etwa der Zustand des Bodens. Er kann nach trockenen Phasen weniger Wasser aufnehmen, bei hoher Fließgeschwindigkeit rauscht das Wasser einfach darüber hinweg. Zu Überschwemmungen tragen zudem auch versiegelte Flächen durch starke Bebauung bei. Und natürlich spielt auch die Topografie der Landschaft eine wichtige Rolle.