Schutz vor Überflutung Forscher entwerfen gigantischen Damm für die Nordsee

Sturmflutsperrwerk in den Niederlanden: Vorbild für den Megadamm?
Foto: Getty ImagesEs ist ein furchteinflößendes Szenario: Gelingt es nicht, dem Ausstoß von Treibhausgasen und der dadurch verursachten Klimaerwärmung etwas entgegenzusetzen, droht ein deutlicher Anstieg des Meeresspiegels. Für tiefer gelegene Regionen der Nordsee-Anrainerstaaten mit etwa 25 Millionen Einwohnern wäre das dramatisch. Große Teile der Niederlande und Norddeutschlands könnten unbewohnbar werden.
Zwei Wissenschaftler vom Königlichen Niederländischen Institut für Meeresforschung und vom Geomar-Institut in Kiel haben sich mit genau diesem Szenario befasst. Ihre Forschungsfrage war, ob und wie bei anhaltender Erderwärmung überhaupt noch für den Schutz großer Teile Mittel- und Nordeuropas gesorgt werden könnte.
In ihrer neuen Studie , die im Bulletin of the American Meteorological Society (BAMS) veröffentlicht wurde, prüfen die Forscher einen geradezu unglaublichen Vorschlag: Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es eine effektivere Option darstellen könnte, die Nordsee mit gigantischen Wällen einzudämmen, als eine viel längere Küstenlinie mit vielen Einzelprojekten weiter zu verteidigen.

Karte der Nordseee mit möglichen Dämmen: "Nach unseren bisherigen Maßstäben völlig unvorstellbar"
Foto:Nach Groeskamp / Kjellsson, 2020
Konkret geht es in dem Entwurf um einen 161 Kilometer langen Damm, der den Ärmelkanal zwischen Bretagne und Cornwall schließt, und um eine zweite, fast 500 Kilometer lange Barriere in der nördlichen Nordsee zwischen Schottland und Norwegen. Die mittlere Wassertiefe würde im Bereich des Damms im Ärmelkanal 85 Meter betragen, in der nördlichen Nordsee wären es 127 Meter mit einem Maximum von mehr als 320 Metern.
Kosten: 250 bis 500 Milliarden Euro
Neben den gigantischen Materialmengen, die für die Aufschüttung solcher Dämme notwendig wären, würden Pumpwerke benötigt, die das aus den Flüssen kommende Wasser in den Atlantik befördern. Die Autoren der Studie rechnen hierbei mit einem zu pumpenden Volumen von etwa 40.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Die bisher leistungsfähigsten Pumpwerke im US-amerikanischen New Orleans und am Abschlussdamm des Ijsselmeeres in den Niederlanden liegen bei etwa 500 Kubikmetern pro Sekunde. Für den Bau rechnen die Forscher nach heutigen Preisen mit Kosten in Höhe von 250 bis 500 Milliarden Euro.
"Nach unseren bisherigen Maßstäben klingt die Dimension eines solchen Projekts völlig unvorstellbar", sagt Co-Autor Joakim Kjellsson vom Geomar-Institut. Neben den technischen Herausforderungen habe ein solches Projekt auch Folgen für das marine Ökosystem der Nordsee sowie für die Fischerei- und Schifffahrtsindustrie. Trotzdem könne es am Ende wirtschaftlicher sein als individuelle Küstenschutzmaßnahmen in den insgesamt 15 Anrainerstaaten von Nordsee und Ostsee.
"Wir sind nicht wirklich der Meinung, dass ein solches Projekt realisiert werden sollte", so Kjellsson. "Wir möchten betonen, dass die beste Option nach wie vor darin besteht, gegen den Klimawandel vorzugehen und zu verhindern, dass eine solche Lösung überhaupt notwendig wird." Es gehe vielmehr darum darzustellen, vor welchen immensen Herausforderungen die Menschheit stehe, wenn sie die Klimaerwärmung in den kommenden Jahrzehnten nicht in den Griff bekomme.