Kriegsfolgen Ein Drittel der GIs leidet unter psychischen Problemen
Auch wenn die US-Armeeführung alles unternimmt, um die Verbreitung von Fotos getöteter Amerikaner zu verhindern - in den Köpfen der Soldaten haben sich die Bilder dauerhaft eingebrannt. Die Folge: Viele Armeeangehörige leiden unter Depressionen, Angstzuständen und dem so genannten Posttraumatischen Stress-Syndrom (PTSD). Dies berichtet ein Wissenschaftlerteam in der Zeitschrift "New England Journal of Medicine" (Direktlink zur Studie ).
Die Psychologen hatten im vergangenen Jahr insgesamt 6201 Soldaten aus vier unterschiedlichen Einheiten vor ihrer Entsendung beziehungsweise einige Monate nach ihrer Rückkehr aus dem Irak und aus Afghanistan befragt. Auffällig ist dabei der Unterschied zwischen den Soldaten aus dem Irak und denen, die in Afghanistan im Einsatz waren: In der ersten Gruppe litten 13 Prozent an PTSD, in der zweiten nur sechs Prozent.
Zu den Symptomen zählen wiederholte, unausweichliche Erinnerungen oder wiederholte Inszenierungen der traumatischen Ereignisse in Gedächtnis oder Träumen. Mitunter kommt es dabei auch zu akuten Ausbrüchen von Angst, Panik oder Aggression bis hin zu körperlicher Gewalt gegen Angehörige.
Fasst man die Definition für PTSD weiter, dann dürften sogar fast 20 Prozent von der Krankheit betroffen sein. Insgesamt schätzen die Forscher, dass jeder dritte Rückkehrer unter Depressionen, Angstzuständen oder PTSD leidet. Zu den Auslösern zählen beispielsweise Beinahe-Treffer. Jeder zehnte der Irak-Kämpfer erlebte einen Kugeleinschlag an seiner Schussweste oder direkt neben sich.
Matthew Friedman, Direktor am National Center for PTSD , sprach von einem "ernsthaften Problem". Die Tatsache, dass nur knapp 40 Prozent der Betroffenen an professioneller Hilfe interessiert seien, sei darauf zurückzuführen, dass sie sich um ihrer Karriere sorgen, schrieb Friedman in einem Leitartikel. Die Soldaten zweifelten an der Vertraulichkeit einer solchen Beratung.
Die anonyme Befragung der Soldaten offenbarte die Brutalität des Kriegsalltags: So erklärte mehr als die Hälfte der Irak-Kämpfer, selbst einen Gegner getötet zu haben oder für den Tod eines Gegners verantworlich zu sein. Über 90 Prozent gerieten ein oder mehrmals unter Beschuss. 86 Prozent der Befragten kannten mindestens einen im Irak getöteten oder schwer verletzten Amerikaner persönlich.
Praktisch jeder an Euphrat und Tigris Dienst Schiebende (95 Prozent) sah während seines Einsatzes Leichen, jeder Zweite musste diese auch selbst wegräumen. Mit der Zahl der persönlich erlebten Schießereien steigen auch die PTSD-Fälle, fanden die Forscher heraus.
Nach bisherigen Erkenntnissen litten und leiden 15 Prozent der Vietnam-Veteranen an PTSD, bei den Veteranen des Golfkriegs Anfang der neunziger sind es zwischen zwei und zehn Prozent. Diese Zahlen sind jedoch nur unter großen Vorbehalten mit den Werten von aktuellen Irak-Heimkehrern vergleichbar, da sie bei Befragungen entstanden, die in ganz unterschiedlichen Abständen zu dem traumatischen Erlebnis lagen.
Bei der Gesamtbevölkerung der USA liegt die PTSD-Quote bei drei bis vier Prozent, unter Armeemitgliedern bei fünf Prozent.
Bei der Verarbeitung ihrer psychischen Probleme setzen die US-Soldaten häufig auf Alkohol. Zwischen 24 und 35 Prozent der Befragten gaben an, mehr getrunken zu haben als beabsichtigt. 20 bis 30 Prozent erklärten, dass sie ihren Alkoholkonsum nach eigener Einschätzung verringern müssten.
Holger Dambeck