Langschläfer Frühes Aufstehen führt zu Dauer-Jetlag

Jeder zweite Deutsche lebt in einer Art Dauer-Jetlag, glaubt ein Münchner Schlafforscher. Langschläfer leiden wegen des frühen Schul- und Arbeitsbeginns unter einem permanenten Schlafdefizit und greifen häufiger zu Alkohol und Zigaretten.

Schlafforscher Till Roenneberg teilt die Menschheit grob in zwei Gruppen ein: Lerchen und Eulen. Die Lerchen sind Frühaufsteher, die Eulen Langschläfer. Mit dem Leben kommen Lerchen in der Regel besser klar, während Eulen jeden Wochentag aufs Neue viel zu früh aufstehen müssen. Ihre innere Uhr tickt der tatsächlichen hinterher.

Nach Roennebergs Angaben lebt mehr als die Hälfte der Deutschen deshalb permanent in einer Art Jetlag. Ausgesprochen viele Betroffene greifen zur Zigarette. Diese These stellte der Schlafforscher nach der Auswertung einer Studie mit 500 Freiwilligen auf, die ausführliche Fragebögen zu ihrem Schlafverhalten sowie Nikotin- und Alkoholkonsum ausfüllen mussten.

"Wenn die von der Gesellschaft auferlegten Zeitpläne den individuellen Schlafpräferenzen nicht entsprechen, führen die Unterschiede zwischen dem erwarteten Schlafverhalten an Arbeitstagen und dem, was die innere Uhr diktiert, zu einem 'social jetlag'", erklärt Roenneberg. Der soziale Jetlag könne weitreichende Folgen für die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen haben. "Er ist dem Jetlag vergleichbar, den wir nach Flügen über Zeitzonen erfahren, nur begleitet er die Betroffenen meist ein Leben lang."

Der Projektleiter forscht am Zentrum für Chronobiologie der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Im Forschungsfeld Chronobiologie erforschen Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen wie Medizin und Psychologie die innere Uhr des Körpers. Die Ergebnisse ihrer Studie präsentieren die Münchner Forscher im Fachjournal "Chronobiology International".

Schlafmangel über die Woche angesammelt

Die meisten Langschläfer sammeln im Verlauf der Woche ein Schlafdefizit. "Je stärker der soziale Jetlag, desto mehr greifen Individuen nach Stimulanzien", berichtet Roenneberg. Dies gelte vor allem für Nikotin. "Nikotin-, aber auch Alkoholgenuss deuten oft auf Schwierigkeiten hin, mit sozialen Anforderungen fertig zu werden", meint Roenneberg.

Während von den Probanden, die höchstens eine Stunde von ihrem persönlichen Biorhythmus abwichen, nur 10 Prozent zum Glimmstängel griffen, waren es bei denen, die mehr als sieben Stunden "Bio-Jetlag" verzeichneten, rund 70 Prozent.

Dies habe zu der Hypothese geführt, dass Schlafprobleme und Nikotinkonsum vor allem dann auftreten, wenn der innere Schlaf-Wach-Rhythmus nicht mit den gesellschaftlichen Zeitplänen übereinstimmt.

Die starke Korrelation zwischen sozialem Jetlag und Nikotin sei deshalb von besonderem Interesse, weil Raucherkarrieren oft in der Jugend beginnen, erklärt der Forscher. Jugendliche mit einem Schlaffenster zwischen zwei und zehn seien Schichtarbeiter, wenn sie um sechs Uhr morgens - was bei ihnen gefühlter Mitternacht entspricht - aufstehen müssten, sagt Roenneberg.

Dies könne Auswirkungen auf das gesamte Leben der Betroffenen haben. Eulen würden in der Schule oft weniger gut abschneiden, was mit ihrem chronischen Schlafdefizit und der mangelnden Schlafqualität zu tun haben könnte. "Wir schließen daraus, dass Heranwachsende und junge Erwachsene außerordentlich profitieren würden, wenn ihre innere Uhr stärker berücksichtigt würde", meint Roenneberg. Dazu gehöre die Anpassung der Schulzeiten - vor allem bei Jugendlichen zwischen 15 und 25. "Aber auch flexible Arbeitszeiten für Erwachsene wären nötig, damit diese eher ihrer inneren Uhr folgen können."

hda/dpa

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