Madagaskar Riesige Selbstmord-Palme entdeckt
Sie ist so groß, dass man sie mit Google Earth sehen könnte, aber aufgefallen ist sie erst, als die Palme nach hundert Jahren das erste Mal aufblühte. Sie wird bis zu zwanzig Meter groß und fünf Meter lange Blätter hängen an ihr herunter.
Die gigantische Palme gehört zu einer bisher unbekannten Art einer unbekannten Gattung und besitzt einen selbstzerstörerischen Lebenszyklus. Ein langer Trieb wächst aus dem Stamm nach oben, um dann zu allen Seiten auszuwachsen. Die Verästelungen des Triebes werden bald darauf von tausenden Blüten bedeckt, die sich nach der Bestäubung zu Früchten entwickeln. Für die Palme das Ende - es raubt ihr alle Kraft. Nach kurzer Zeit besitzt sie keine Nährstoffe mehr und kollabiert.
Entdeckt wurde sie per Zufall. Xavier Metz besitzt eine Cashew-Plantage ganz in der Nähe des Fundorts. Als er mit seiner Familie im August 2005 in einem abseits gelegenen Gebiet im Nordwesten Madagaskars spazieren ging, standen sie plötzlich vor einem riesigen, von tausenden Blüten bedeckten Baum. Da sie noch nie zuvor etwas Vergleichbares gesehen hatten, machte die Familie Fotos, die bald darauf die Forscher erreichten.
"Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich die Bilder das erste Mal gesehen habe", sagt John Dransfield, Autor des Buches "Trees of Madagascar". "Es war sofort klar, dass es sich hier um eine aufregende Entdeckung handelte." DNA-Analysen, durchgeführt am Royal Botanic Gardens, bestätigten Dransfields Vermutungen. Es handelte sich tatsächlich um eine noch nie beschriebene Spezies und Gattung. Die Wissenschaftler tauften sie auf den Namen Tahina spectabilis und veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachblatt "Botanical Journal of the Linnean Society". Der Name ist Malagasy und bedeutet: gesegnet. Gleichzeitig ist es einer der Namen von Anne Tahina Metz, der Tochter des Entdeckers.
Innerhalb ihres Stammes gibt es nur drei weitere Gattungen, verteilt in Arabien, Thailand und China. Wie die Palmen nach Madagaskar gekommen sind, bleibt den Wissenschaftlern ein Rätsel. Es ist jedoch möglich, dass die Palmen seit achtzig Millionen Jahren in Madagaskar unbemerkt lebten. Zu dieser Zeit hat sich die Insel vom Indischen Festland getrennt.
Thomas Stützel, Direktor bes Botanischen Gartens der Ruhr-Universität Bochum, weiß, dass es auch andere Palmen gibt, die nach der Blüte absterben. Und auch andere Pflanzen, wie der Bambus, brauchen lange Zeit, bis sie blühen. Es kommt aber in der Tat nur noch sehr selten vor, dass man komplett neue Gattungen von findet. "Aufgrund massiver Abholzungen und anderer Bedrohungen für die Umwelt sterben viele Arten aus, bevor wir sie das erste Mal gesehen haben", so Stützel im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Madagaskar beherbergt 10.000 Pflanzenspezies und 90 Prozent von ihnen lassen sich nirgendwo sonst auf der Welt finden. Nur noch 18 Prozent der Natur auf Madagaskar gelten als intakt und ein Drittel der Vegetation ist seit 1970 zerstört worden.
Die Forscher schätzen, dass nur circa hundert dieser Palmen auf Madagaskar existieren. "Das Überleben der Palme zu sichern, wird eine große Aufgabe für Naturschützer", so Dransfield. Zurzeit arbeitet er an einer Möglichkeit, die Samen zu verkaufen, um damit das Auskommen der Dorfbewohner aufzubessern und den Samen möglichst weit zu verstreuen. "Für mich ist das die aufregendste Entdeckung, die wir hier je gemacht haben."