Geschlechterklischee Auch Männer können Multitasking

Mehrere Dinge gleichzeitig bewältigen? Das können nur Frauen, wird oft gesagt, doch eine schwedische Studie zertrümmert nun dieses Geschlechterklischee. Unter bestimmten Bedingungen sind Männer Frauen beim Multitasking sogar überlegen.
Der Mann als Multitasking-Held: Hauptsache, der Kaffee landet nicht auf dem Notebook!

Der Mann als Multitasking-Held: Hauptsache, der Kaffee landet nicht auf dem Notebook!

Foto: Corbis

Es gibt eine ganze Reihe von Geschlechterklischees, denen schwer beizukommen ist. Einige wirken verheerend - etwa wenn Mädchen selbst glauben, sie seien von Natur aus schlecht in Mathematik und Naturwissenschaften, und diesen Stoff in der Schule schon entmutigt angehen. Erst kürzlich zeigte eine Untersuchung , dass Verantwortliche an Universitäten - Frauen ebenso wie Männer - Bewerberinnen für weniger kompetent halten als Bewerber. Forscher hatten denselben Lebenslauf an naturwissenschaftliche Abteilungen verschickt, mal mit Männer-, mal mit Frauennamen als einzigen Unterschied. Stand ein Frauenname auf dem Papier, wurde die Bewerbung als schlechter eingestuft - und weniger Geld angeboten.

Andere Geschlechterklischees haben wohl weniger dramatische Auswirkungen. Doch es lohnt sich, auch diese genauer anzusehen, wie die Arbeit von Timo Mäntylä zeigt, der an der Universität von Stockholm forscht. Er hat sich der Aussage angenommen, dass Frauen angeblich besser im Multitasking sind als Männer. Das passende Bild zum Klischee ist die junge Mutter, die ihr Kind im Blick hat, Essen kocht, telefoniert und am besten gleichzeitig noch ihre Arbeitstermine für den kommenden Tag managt. Obwohl Medienberichte und populärwissenschaftliche Bücher diese Aussage von den überlegenen Multitasking-Fähigkeiten der Frauen verbreiten, gebe es überhaupt keine wissenschaftlichen Daten, die das belegen, schreibt der schwedische Forscher in einem Artikel, der demnächst im Fachmagazin "Psychological Science" erscheinen wird (online noch nicht verfügbar).

Mäntylä, der Frauen und Männer in Multitasking-Experimenten auf die Probe gestellt hat, kommt zum Ergebnis, dass die Männer zumindest bei seiner Art von Versuchsaufbau besser abschneiden. Dies führt er - was vielleicht nicht sofort eingängig ist, aber später erklärt wird - auf ihr ebenfalls besser ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen zurück.

Bei Frauen änderte sich die Multitasking-Fähigkeit im Laufe des hormonellen Zyklus, berichtet der Psychologe. Das beruhe auf dem ebenfalls mit dem Zyklus variierenden räumlichen Vorstellungsvermögen. Mäntylä testete dies in einer seiner Experimentrunden.

Für die Aufgaben, die die Probanden bewältigen sollten - beim ersten Versuch waren es 72 Teilnehmer, beim zweiten 86 -, brauchte es wirklich ein gutes Maß an Multitasking.

Auf Ziffern reagieren und Namen wiedererkennen

Als erstes galt es, drei Zähler zu beachten, die unterschiedlich schnell liefen. Hier sollten die Teilnehmer auf bestimmte Endziffern mit einem Tastendruck reagieren - beim ersten Zähler auf 11, 22, 33 etc., beim zweiten auf 20, 40, 60, 80 und so weiter, beim dritten auf 25, 50, 75. Zusätzlich wurden auf dem Monitor schwedische Vornamen eingeblendet. Tauchte derselbe Vorname auf wie beim vorvorvorletzten Mal, sollten die Teilnehmer reagieren.

Zusätzlich ermittelte der Forscher mit einem Standardtest , wie gut das räumliche Vorstellungsvermögen der Teilnehmer war; dabei wird untersucht, wie gut jemand in der Lage ist, in Gedanken dreidimensionale Objekte zu drehen. Es folgte ein Test, der das Arbeitsgedächtnis auf die Probe stellt.

In der zweiten Versuchsgruppe gaben die Frauen zudem an, ob sie sich in der Zyklusphase kurz vor, im oder nach dem Eisprung befanden - oder in der Phase um die Menstruation. Acht Frauen, die dies nicht angeben konnten, wurden aus der Analyse gestrichen.

Das Ergebnis des ersten Experiments: Männer und Frauen achteten ähnlich gut auf die Zähler. Die Männer waren jedoch akkurater - sie drückten zu 85 Prozent zum richtigen Zeitpunkt die Taste, die Frauen dagegen nur zu 74 Prozent. Bei der Namensaufgabe zeigte sich kein Geschlechterunterschied.

Im zweiten Durchlauf zeigte sich dann eben: Rund um den Eisprung schnitten Frauen klar schlechter ab als Männer. In der Phase um die Menstruation war zwar noch ein kleiner Unterschied vorhanden. Der war aber, wissenschaftlich ausgedrückt, statistisch nicht signifikant - also nicht von Bedeutung. Gekoppelt war das variable Abschneiden der Frauen an klare Schwankungen beim Test zum räumlichen Vorstellungsvermögen.

Aufgaben in Raum und Zeit

Was hat der Raum überhaupt mit Multitasking zu tun? Mäntylä argumentiert, dass Menschen sich bei komplexen Aufgabenstellungen den zeitlichen Ablauf durchaus räumlich vorstellen - das ist keine neue, sondern eine bereits bekannte These, zu der es auch entsprechende Forschungsergebnisse gibt. Besseres räumliches Vorstellungsvermögen erlaubt demnach auch, parallel ablaufende Aufgaben gut zu bewältigen.

Der Stockholmer Forscher schränkt ein, sein Experiment könne nicht alles abdecken, was unter dem Begriff Multitasking zusammengefasst wird. Das reiche immerhin von Aufgaben mit ganz klaren Fristen - wie etwa der Job von Fluglotsen - zu Arbeiten, die großzügige Zeitfenster hätten - was bei der Hausarbeit der Fall ist.

Unterm Strich bleibt also, dass Männer durchs bessere räumliche Vorstellungsvermögen bei der getesteten Form des Multitaskings Frauen überlegen sind. Wobei sich anmerken lässt, dass die räumliche Vorstellungskraft gut trainiert  werden kann und sich diese Geschlechterlücke so ein wenig schließt. Aus diesem Grund durfte an Mäntyläs Studie übrigens niemand teilnehmen, der im Schnitt mehr als zwei Stunden am Tag Computerspiele spielte. Denn einer der Grundsätze beim Multitasking ist: Haben Menschen in einem Bereich viel Übung, sind sie auch deutlich besser im Multitasking - ganz unabhängig vom Geschlecht.

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