Maharishi-Ayurveda Die Wellness-Jünger Seiner Heiligkeit

Ayurveda, das uralte indische Medizinsystem, ist ein Mega-Trend im Wellness-Bereich. Der deutsche Markt wird von den Jüngern des indischen Gurus Maharishi Mahesh Yogi dominiert: Mit teuren Kuren vermarktet "Seine Heiligkeit" ihre Transzendentale Meditation und abstruse Welterlösungstheorien.
Von Bärbel Schwertfeger

Wer dem Alter ein Schnippchen schlagen will, ist bei Dr. Karin Pirc richtig. "Das biologische Alter verringert sich nach einer zehntägigen Maharishi-Panchakarma-Behandlung messbar, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit steigen", schreibt die ärztliche Direktorin der Maharishi-Ayurveda-Klinik in Bad Ems in ihrem Buch "Den Alterungsprozess umkehren".

Dort erfährt der Leser auch von den wundersamen Wirkungen der Maharishi-Pflanzenmedizin. So glätten sich schon nach ein paar Wochen die Falten im Gesicht und auf dem Dekolletee, Haare wachsen wieder, und selbst Krebsgeschwüre in Lunge und Knochen lösen sich innerhalb von acht Wochen auf. Schließlich, erklärt Pirc, schaffe sich der Mensch "aus dem unsichtbaren und unbewegten, alles durchdringenden Feld des Bewusstseins ständig wieder aufs Neue", und die große Kunst von Maharishis Gesundheitsprogramm bestehe darin, die "Rückverbindung der Materie mit ihrem Bewusstseinswert wiederherzustellen".

Die Klinik in Bad Ems ist eines der acht Zentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen die Anhänger des indischen Gurus Maharishi Mahesh Yogi ihre eigenwillige Ayurveda-Variante anbieten. Auch das Parkschlösschen Bad Wildstein in Traben-Trarbach, die Luxus-Adresse der deutschen Ayurveda-Kliniken, gehört dazu.

Hier kuren vor allem Prominente, Manager und Politiker gern - zu Preisen von 3265 Euro für zehn Tage. Hier ist auch der Sitz der von den Guru-Anhängern gegründeten Deutschen Gesellschaft für Ayurveda. Im Vorstand sitzen Ulrich Bauhofer, langjähriger Medizinischer Direktor des Parkschlösschens, und Ernst Schrott, Arzt für Naturheilverfahren, beide Autoren zahlreicher Ayurveda-Bücher und viel zitierte Experten.

Wer in Deutschland von Ayurveda spricht, meint daher häufig - ohne es zu ahnen - Maharishi Ayurveda, und nur wenige wissen, dass die Guru-Variante kaum der traditionellen entspricht. Das Wort "Ayurveda" stammt aus dem Sanskrit und wird häufig als die "Wissenschaft vom langen Leben" übersetzt. Ziel des angesehenen und komplexen Medizinsystems ist es, die Gesundheit zu bewahren und Krankheiten zu behandeln. Dazu gehören eine entsprechende Lebensweise und Ernährung, verschiedene Therapieverfahren wie Ölmassagen oder Stirngüsse sowie eine umfangreiche Pflanzenheilkunde.

In Indien spielt der 2500 Jahre alte Ayurveda neben der westlichen Medizin noch immer die wichtigste Rolle bei der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance. Selbst der indische Premierminister begibt sich inzwischen einmal im Jahr zur Ayurveda-Behandlung.

Im Ayurveda sind gesundheitliche Probleme stets Folge eines durch Stress, falsche Lebensweise und Ernährung verursachten inneren Ungleichgewichts. Ziel der Behandlungen ist es daher, das Gleichgewicht wiederherzustellen und so das Immunsystem zu stärken.

Das Besondere an Ayurveda ist dabei der individuelle Ansatz. Jeder Mensch gilt als einzigartig und wird daher auch anders behandelt. Doch das erfordert viel Wissen und Erfahrung. In Indien studieren Ayurveda-Ärzte mindestens sechs Jahre an einem der über 200 staatlich anerkannten Colleges, und nur die wenigsten dürften dabei mit dem Maharishi Ayurveda in Berührung gekommen sein.

Denn eigentlich hat der einstige Guru der Beatles überhaupt nichts mit Ayurveda zu tun, hätte "Seine Heiligkeit" nicht 1985 das Medizinsystem für seine Ziele entdeckt, den "Weltplan für vollkommene Gesundheit" ausgerufen und den Namen Maharishi Ayurveda als Marke geschützt.

Seitdem behaupten seine Anhänger unverfroren, das alte indische Gesundheitskonzept in seiner Ganzheit wieder belebt und weiterentwickelt zu haben und nun den einzig "vollständigen" Ayurveda anzubieten. Doch der Ayurveda war in Indien nie tot - und die Weiterentwicklung des Gurus besteht vor allem darin, die Therapiekonzepte mit seiner umstrittenen Transzendentalen Meditation (TM) verbunden zu haben.

So stellte der Regensburger Medizinsoziologe Professor Dieter von Schmädel bereits 1993 in einem Forschungsprojekt  fest, dass Maharishi Ayurveda letztlich nur eine Methode ist, mit "Hilfe von Ayurveda die Techniken der TM und selbst entwickelte Medikamente an die Frau beziehungsweise an den Mann zu bringen".

Lesen Sie im zweiten Teil, wie der Guru und seine Anhänger aus dem Ayurveda-Boom Kapital schlagen und die Wellness-Welle zur Verbreitung ihrer Welterlösungsphantasien benutzen

Hinter der Transzendentalen Meditation verbirgt sich eine simple Mantra-Meditation, die wahre Wunder vollbringen soll. Wer meditiert, soll nicht nur gesünder und leistungsfähiger werden, sondern auch über unbegrenzte Energie und Intelligenz verfügen. Fortgeschrittene, die das so genannte Sidhi-Programm absolviert haben, sollen sich auch unsichtbar machen, verborgene Dinge sehen und durch die Luft fliegen können. 1994 traten die "yogischen Flieger" mit ihrer Naturgesetzpartei sogar zur Bundestagswahl an, um die "störenden Dynamiken im kollektiven Bewusstsein eines Staates" zu neutralisieren und damit den ersten Schritt zur "Lösung der Wirtschaftsstagnation und Arbeitslosigkeit" zu tun.

Nach den Terroranschlägen in New York sollte eine Gruppe von 40.000 Vedischen Friedensexperten die "vereinigende und lebensfördernde Kraft der Intelligenz der Natur aktivieren", und damit "Frieden von der Ebene des unendlichen Friedens im unbegrenzten Ozean des Bewusstseins" schaffen. Erfolg war ihnen ganz offensichtlich nicht vergönnt. Kein Wunder, dass Kritiker und Sektenberatungen schon seit Jahren davor warnen, dass TM besonders bei psychisch labilen Personen zum Abbau des Realitätsbezuges führen könne.

So spielt es offenbar auch keine Rolle, dass die Ausbildung in Maharishi Ayur-Veda für westliche Ärzte auch nicht annähernd den Umfang der universitären Ausbildung in Indien hat. Die Grundkurse umfassen gerade mal vier Wochenendkurse. Darauf aufbauend gibt es eineinhalbtägige Weiterbildungskurse.

Daneben gibt es noch die vielen "wissenschaftlichen Studien" über angebliche Wirksamkeit des Maharishi Ayurveda. Bereits 1991 kam es dabei in den USA zu einem handfesten Skandal. Damals erschien in dem renommierten "Journal of the American Medical Association" (JAMA) ein Artikel über den Maharishi-Ayurveda. Darin schrieben die drei Autoren nicht nur, dass die Transzendentale Meditation bei Maharishi-Ayurveda die bedeutendste mentale Technik zur Behandlung von Krankheiten sei, sondern berichteten auch über positive Forschungsergebnisse bei der Anwendung einer Fruchtpaste bei der Krebsbehandlung.

Dabei hatten die Autoren - wie von jedem Autor des wissenschaftlichen Journals gefordert - eine Erklärung unterschrieben, dass sie keinerlei finanzielle Interessen an den in ihrem Artikel beschriebenen Organisationen und Produkten haben - und damit dreist gelogen, wie das Magazin in einer späteren Richtigstellung betonte.

"JAMA" beauftragte außerdem den Wissenschaftsjournalisten Andrew A. Skolnick, einen Artikel über das Geschäftsgebaren der Maharishi-Anhänger  zu schreiben. Skolnicks Fazit: Täuschungen gehören bei der Transzendentalen Meditation zum Konzept.

Ein ehemaliger TM-Anhänger erklärte gegenüber dem Journalisten: "Mir wurde beigebracht zu lügen, um gute Berichte in den Medien zu bekommen. Uns wurde gesagt, dass wir dabei nichts Falsches machen, weil es eben oftmals notwendig sei, die Nicht-Erleuchteten zu täuschen, um den Plan unseres Gurus, die Welt zu retten, voranzubringen."

Im Juli 1992 verklagten zwei TM-Organisationen, später verstärkt durch den kalifornischen Wellness-Guru Deepak Chopra, Skolnick und "JAMA"-Herausgeber George Lundberg auf 194 Millionen Dollar Schadenersatz. Die Klage wurde abgewiesen, doch Chopras Anwälte behaupteten anschließend, die American Medical Association habe sich für eine "nicht genannte Summe" von den Vorwürfen freigekauft. Chopra hat sich kurz nach dem Vorfall von Maharishis Gruppierung getrennt und zog seinen eigenen Wellness-Kult auf.

Unterdessen betreiben die deutschen Maharishi-Ayurveda-Ärzte Karin Pirc, Ulrich Bauhofer und Ernst Schrott die Rettung der Welt. Schließlich sind alle drei Mitglieder der im August 2003 gegründeten "Deutschen Friedensregierung" . Ihr Ziel: "Staatslenkung durch Höheres Bewusstsein."

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