Thailand Urwaldbewohner unterscheiden 15 abstrakte Duft-Namen

Arbeit im Urwald: Linguistin Ewelina Wnuk bei den Maniq-Sprechern
Foto: Jaroon ThotsagoolBei den Maniq sprechenden Völkern im Süden Thailands hat der Geruch, den alte Hütten verströmen, einen eigenen Namen. Genau denselben Begriff benutzen sie auch für den Duft von Pilzen, den Fellgeruch eines toten Tieres oder den Duft, den man in der Nase hat, wenn man einen Schluck aus einem Bambusrohr nimmt. Auch der Duft der Sonne ist ein eigenständiger Begriff, es ist derselbe wie für den Geruch von Talkpuder, Seife und Kleidung.
Ewelina Wnuk vom Max Planck Institut für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen hat lange bei den Maniq-sprechenden Völkern gelebt und ihre Sprache studiert. Während drei langer Aufenthalte bei ihnen sammelte sie die Daten für ihre Studie. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Asifa Majid fand die Sprachwissenschaftlerin 15 abstrakte Begriffe, mit denen die Maniq-Sprecher Gerüche benennen. Ihre Liste von Duftbegriffen im Maniq veröffentlichten die Forscher jetzt in der Zeitschrift "Cognition" .
Die deutsche oder auch die englische Sprache kennen diese Möglichkeit nicht. Bei uns riecht etwas "blumig" - also wie Blumen - oder "schimmelig" - also wie eine Substanz, die von Schimmelpilzen befallen ist. Wir brauchen konkrete Hilfswörter, um Gerüche beschreiben zu können.
Anders verfahren wir mit Farben: Wir können Rot, Grün oder Gelb benennen, ohne uns rote, grüne oder gelbe Objekte zur Hilfe nehmen zu müssen. Unser Mangel an abstrakten Namen für Gerüche galt lange als Indiz dafür, dass wir unseren Geruchssinn inzwischen so weit vernachlässigt haben, dass nicht einmal mehr ein Bedürfnis besteht, Gerüche benennen zu wollen.
Enge Verbindung zwischen Gerüchen und Gefühlen
Die Maniq-Sprecher leben als Jäger und Sammler im tropischen Regenwald Thailands. Sie ziehen durch die Banthad-Berge in den Provinzen Trang, Satun und Phatthalung. Heute sind es noch etwa 250 bis 300 Menschen, die Maniq als Muttersprache sprechen. Für ihre Studie befragte Wnuk acht Maniq-Sprecher, welche Dinge sich am besten mit den Begriffen für verschiedene Düfte beschreiben lassen. Die Antworten sammelte sie in einer Liste. Anschließend bat sie Maniq-Sprecher, diese Begriffe zu ordnen. Dabei zeichneten sich zwei Felder besonders deutlich ab. Eines bezeichnet angenehme und unangenehme Gerüche, das andere umfasst die Wörter für Gerüche gefährlicher sowie ungefährlicher Dinge.
"Die Struktur dieses Geruchslexikons ähnelt demjenigen für Ausdrücke von Gefühlen, in dem die Unterscheidung auch zwischen angenehm/unangenehm und aufregend/beruhigend gemacht wird", erklärt Wnuk. "Dieser Zusammenhang ist wahrscheinlich Ausdruck für die enge Verbindung zwischen Gerüchen und Gefühlen."
Die Ergebnisse der Studie sind mitnichten nur für Linguisten interessant. Auch Neurowissenschaftler können daraus ihre Schlüsse ziehen. Die Struktur des Maniq-Lexikons für Gerüche, vermuten die Forscher, könnte darauf hindeuten, dass im Gehirn Gerüche von angenehmen Dingen anders verarbeitet werden als Gerüche, die Gefahr signalisieren. In unserer Kultur haben wir uns allerdings schon so weit vom Gebrauch der Gerüche entfernt, dass dieses Phänomen sich nicht mehr in der Sprache widerspiegelt.
Für die Maniq-Sprecher aber ist der Geruchssinn noch überlebenswichtig. Die intensive Beschäftigung mit Gerüchen zieht sich denn auch durch ihre gesamte Kultur. Ihre Medizin beispielsweise arbeitet viel mit stark riechenden Kräutern. Der Duft der Heilpflanzen, glauben sie, dringt in den Körper ein und vertreibt die Krankheiten. Auch als Schmuck tragen die Maniq-Sprecher Ketten, Armbänder oder Stirnbänder aus duftenden Kräutern.
Im thailändischen Regenwald wird also viel über Gerüche geredet - anders als bei uns. Wir gehen gar so weit, schlechte Gerüche mit einem Tabu zu belegen: Hat der Kollege sein Deo vergessen, wird im Büro still vor sich hin gelitten.