Christian Stöcker

Söders Kreuz-Dekret Lasst das "C" doch einfach weg

Markus Söders CSU buhlt mit der Kreuzpflicht für Behörden unübersehbar um AfD-Wähler. Viele Christen sind schockiert von dem Manöver. Zeit für Konsequenzen?
Foto: Armin Weigel/ picture alliance / dpa

Stellen Sie sich mal vor, die Osmanen hätten Wien damals eingenommen, 1529 oder 1683. Mit Halbmonden auf Brust und Schild hätten sie die gesamte Bevölkerung niedergemetzelt, Männer, Frauen und Kinder, drei Tage lang. Anschließend hätten die Eroberer auf dem Stephansdom ein Halbmondbanner gehisst und fast zweihundert Jahre lang über die ganze Region geherrscht.

Was glauben Sie, wie der Halbmond heute wahrgenommen würde in Mitteleuropa? So wie jetzt, oder sogar noch negativer? Würde er als "Symbol der Toleranz und des Zusammenhalts" betrachtet? Oder doch eher als Symbol einer aggressiven Weltreligion mit Allmachts- und Unterwerfungsansprüchen?

Mörder mit Kreuzen auf der Brust

Den Wienern blieb dieses Schicksal damals bekanntlich erspart. Eine andere berühmte Stadt und ihre Bewohner hatten ein paar Jahrhunderte früher weniger Glück: Als nämlich die Kreuzritter mit Kreuzen auf Brust und Schild über Jerusalem herfielen und drei Tage lang Tausende von Männern, Frauen und Kindern niedermetzelten, Muslime und Juden gleichermaßen. Das war 1099. Anschließend ließen sich die Männer mit den Kreuzen für viele Jahre als Besatzer in der Region nieder.

Vor diesem Hintergrund bekommt das, was der CSU-Politiker Norbert Geis diese Woche dem Deutschlandfunk gesagt hat , einen besonderen Drall. Es könne sich doch "kein Muslim durch das Kreuz berührt fühlen", ja, der Muslim solle es bittteschön "bejahen", weil es doch für Nächstenliebe stehe. Geis war mal Bundestagsabgeordneter und ist auch Mitglied im Kuratorium des Forums Deutscher Katholiken.

Für viele Muslime oder Juden dürfte das Symbol Kreuz etwas anders konnotiert sein, schließlich wurden ihre Vorfahren von Christen über Jahrhunderte gequält, unterdrückt und ermordet. Die sogenannten Deutschen Christen machten sogar gemeinsame Sache mit den Nazis. Ihr Logo war ein Kreuz plus Hakenkreuz.

Ressentiments gibt's auch bei der CSU

Die Pressestelle der Bayerischen Staatskanzlei vertritt dennoch die Meinung, dass das Kreuz "elementare Werte wie Toleranz und Zusammenhalt" sichtbar mache, es sei "im Endeffekt das Symbol dafür". Juden, Muslime, Schwule und Lesben dürften sich fragen: "Ach echt? Seit wann?"

Tatsächlich signalisiert die von Markus Söder verkündete Kreuzpflicht für Behörden Dominanz, nicht Toleranz. Spaltung, nicht Zusammenhalt. "Wir haben hier das Sagen", das ist ihre Botschaft, alle anderen haben sich gefälligst uns "christlich-abendländischen" Vorzugsmenschen unterzuordnen. Wählt uns ruhig, liebe AfD-Sympathisanten, so viel Ressentiment und abwärtsgerichteten sozialen Vergleich wie bei dieser neuen Kleinpartei bekommt ihr doch auch hier bei uns, bei der CSU.

Junge Christen sind "schockiert"

Manche Katholiken, etwa Norbert Geis, stört das offenbar nicht. Andere sehen es ganz anders.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend Bayern (BDKJ) und die Evangelische Jugend Bayern (EJB) schickten gemeinsam einen offenen Brief  an Söder und sein Kabinett. Sie seien "persönlich schockiert und betroffen" von dem, was sie als "politisch-nationale Vereinnahmung" des Kreuzes wahrnehmen.

Die engagierten jungen Christen aus Bayern sind für die Kirchen enorm wichtig, denn die Christen werden weniger. Zwischen 2001 und 2016 sind den großen deutschen Kirchen siebeneinhalb Millionen Mitglieder abhandengekommen. Und als der Bayerische Rundfunk 2010 junge Menschen befragte , fand nur ein Viertel der 15- bis 25-jährigen Bayern Glaube und Religion noch "sehr wichtig" oder "wichtig" .

Gerade die für die deutschen Kirchen überlebenswichtigen jungen Christen können sehr gut zwischen politisch motivierter Heuchelei und christlichen Werten unterscheiden.

Fürstbischof Söder?

Auch auf dem Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland erschien diese Woche ein bemerkenswerter Kommentar , der das gewaltige Unbehagen auf den Punkt bringt, das Söder bei vielen Christen ausgelöst haben dürfte: Menschenwürde und Freiheit könnten nicht "kulturell und identitär eingehegt werden", heißt es dort, die Grundwerte der Rechts- und Gesellschaftsordnung seien "kein christliches Sondergut".

Glaubt man aber CSU-Generalsekretär Markus Blume, dann sind die christlichen Jugendverbände, der katholisch.de-Kommentator und alle anderen Kritiker entweder "Religionsfeinde" oder "Selbstverleugner". Hätte eigentlich nur noch gefehlt, dass er Markus Söder zum Fürstbischof ausruft.

Die sogenannte Christlich-Soziale Union sollte aufhören, christliche Symbole zum politischen Logo umzudeuten. Und sich konsequenterweise vom "C" in ihrem Namen verabschieden, denn es scheint doch eine recht grundlegende Entfremdung zu geben zwischen Christen und CSU.

Über das "S" reden wir dann ein andermal.

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