Maus mit zwei Müttern Erstes Säugetier ohne Vater gezeugt
Für Christen ist die unbefleckte Empfängnis eine Sache des Glaubens, für Biologen aus Japan und Korea war sie nichts anderes als eine wissenschaftliche Herausforderung. Zwar existieren im Tierreich diverse Arten, die sich notfalls auch ohne männlichen Partner fortpflanzen können. Bei Säugetieren tritt dieses Phänomen jedoch nicht auf. Auch im Labor war derartiges noch nie gelungen - und von den meisten Wissenschaftlern auch nicht für möglich gehalten worden.
Dem Team um Tomohiro Kono von der Tokyo University of Agriculture glückte nun die weltweit erste Jungfrauengeburt. Die Maus namens "Kaguya" besitzt keinen Vater und entstand durch die Verschmelzung von zwei weiblichen Eizellen, in denen die Forscher bestimmte Schlüsselgene verändert hatten. Kaguya sei völlig gesund und könne sich sogar auf natürliche Weise fortpflanzen, berichten die Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature" (Bd. 428, S. 860).
Mit einem "Imprinting" genannten Trick hat die Natur sichergestellt, dass sich Säugetiere nur dann vermehren können, wenn ein männlicher und ein weiblicher Chromosomensatz zusammenkommen. In den Keimzellen (Sperma- und Eizellen) werden während ihrer Bildung einige wichtige Gene durch einen chemischen Schalter ausgeschaltet. Da in Eizellen andere Gene stillgelegt sind als in Spermazellen, steht bei der Entwicklung eines Embryos nur dann das vollständige Erbgut zur Verfügung, wenn das Erbmaterial einer Samenzelle mit dem einer Eizelle kombiniert wird.
Bei der Kombination zweier weiblicher oder zweier männlicher Keimzellen sind dagegen jeweils die gleichen Schlüsselgene ausgeschaltet. Es fehlen daher bestimmte Informationen für die Entwicklung. Kono und seinen Kollegen ist es nun gelungen, diesen natürlichen Trick zu umgehen: Statt männlicher Keimzellen verwendeten die Forscher unreife Eizellen von Mäusen, bei denen sie ein Gen namens H19 funktionsunfähig gemacht hatten. Die veränderten Zellen ähnelten männlichen Keimzellen, da das Schlüsselgen H19 auch in Spermazellen stillgelegt ist und unreife Eizellen nach Angaben der Wissenschaftler kein anderes Imprinting enthalten.
Diese männlich geprägten Eizellen verschmolzen die Forscher mit unbehandelten Eizellen einer anderen Maus. Die bei der Zellteilung entstehenden Embryonen wurden Leihmutter-Mäusen in die Gebärmutter gepflanzt, wobei lediglich zwei Mäuse geboren wurden und nur Kaguya das Erwachsenenalter erreichte. Das Verfahren scheint noch lange nicht ausgereift, denn die Wissenschaftler mussten insgesamt 457 Eier manipulieren, von denen nur zwei zu lebenden Mäusen heranwuchsen.
Jungfrauengeburten, auch Parthenogenese genannt, sind im Tierreich nicht ungewöhnlich. So können sich Insekten, einige Vögel und die meisten Eidechsen ohne einen männlichen Partner vermehren. Die Geburt von Kaguya habe nun gezeigt, dass eine solche Art der Vermehrung prinzipiell auch bei Säugetieren möglich ist, schreiben die Forscher.
Kono erklärte, die Technik könne bei Tieren angewandt werden, solange es um landwirtschaftliche Zwecke oder um Forschung gehe. Die Frage, ob auf diese Weise auch menschliche Babys erzeugt werden könnten, wies er als "sinnlos" zurück. Experten halten das Verfahren nicht nur aus technischen sondern auch aus ethischen Gründen für nicht auf den Menschen übertragbar.