Winzige Kunststoffpartikel Mikroplastik erstmals in menschlichem Blut nachgewiesen

Tief im Ozean, hoch im Gebirge – fast überall haben Fachleute bereits Mikroplastik entdeckt, nun auch im Blut von Menschen. Das Material zirkuliert im Gefäßsystem – mit ungewissen Folgen.
Kleine Kunststoffpartikel, die einem Peeling Gel beigefügt waren

Kleine Kunststoffpartikel, die einem Peeling Gel beigefügt waren

Foto: Alexander Stein / Joker / IMAGO

Erstmals wurden Mikroplastik-Partikel in menschlichem Blut entdeckt. Niederländische Forscher der Vrije Universiteit Amsterdam analysierten Blutproben von 22 anonymen Spendern und fanden in 17 der Tests Plastikrückstände.

Die Hälfte der untersuchten Proben enthielt PET-Kunststoff, der üblicherweise in Getränkeflaschen verwendet wird, heißt es in der Studie, die in der Fachzeitschrift »Environment International«  veröffentlicht wurde. In einem Drittel war Polystyrol enthalten, das in Lebensmittelverpackungen vorkommt. Und in einem Viertel der Blutproben fanden die Forscher Polyethylen, aus dem Plastiktragetaschen hergestellt werden.

Mikroplastik-Partikel im Größenvergleich neben einer Ein-Cent-Münze

Mikroplastik-Partikel im Größenvergleich neben einer Ein-Cent-Münze

Foto: Christian Ohde / IMAGO

»Unsere Studie ist der erste Hinweis darauf, dass wir Polymerpartikel in unserem Blut haben – das ist ein bahnbrechendes Ergebnis«, sagte der beteiligte Studienautor und Ökotoxikologe Dick Vethaak dem britischen »Guardian« . Die Forscher wollen nun die Probenanzahl vergrößern, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Denn wie sich das Plastik im Blut auf die Gesundheit auswirkt, muss noch erforscht werden.

Die niederländischen Wissenschaftler befürchten, dass die Partikel durch den Körper wandern und sich möglicherweise in Organen festsetzen könnten. In Laborversuchen sei außerdem bereits nachgewiesen worden, dass Mikroplastik menschliche Zellen schädigt. Studien zur Schädlichkeit von winzigen Partikeln in der Luft – sogenanntem Feinstaub – gibt es bereits. Diese legen nahe, dass die Partikel jährlich Millionen vorzeitiger Todesfälle verursachen.

DER SPIEGEL

Die in der neuen Studie untersuchten Plastikteilchen haben eine Größe von nur 0,0007 Millimetern. Die Menge und Art des Mikroplastiks sei in den Proben sehr unterschiedlich gewesen, heißt es in dem Fachartikel. Was die Partikel im Körper anrichten könnten, hänge auch davon ab, wie sie sich genau in der Blutbahn verteilen. Es sei denkbar, dass sie in Immunzellen vordringen, andere könnten sich an Proteine oder Lipide heften, schreiben die Forscher.

Eine offene Frage ist auch, ob Mikroplastik über die Kapillargefäße in Organe wie Leber oder Milz eindringen und sich dort längerfristig anreichern kann. Größe, Form, Oberflächenchemie und Ladung eines Partikels bestimmten darüber, wie genau es sich in der menschlichen Blutbahn verhalte, so das Fachteam.

»Die große Frage ist: Was passiert in unserem Körper?«, erklärte Vethaak. »Bleiben die Partikel dort? Werden sie zu bestimmten Organen transportiert oder passieren sie etwa die Blut-Hirn-Schranke? Und sind die Mengen hoch genug, um Krankheiten auszulösen?«

Mikroplastik in Babyflaschen

Auch vulnerable Gruppen wie Kleinkinder und Babys könnten mit winzigen Plastikpartikeln kontaminiert sein, vermutet Dick Vethaak. Frühere Arbeiten hätten gezeigt, dass im Stuhl von Babys zehnmal mehr PET-Mikroplastik zu finden sei als in dem von Erwachsenen. Babys, die mit Plastikflaschen gefüttert werden, könnten täglich Millionen von Mikroplastikpartikeln schlucken. »Wir wissen auch, dass Babys und Kleinkinder anfälliger für Chemikalien und Partikel sind«, so der Toxikologe. »Das macht mir große Sorgen.«

Der Grund für die weltweite Mikroplastik-Kontamination sind unter anderem riesige Mengen Müll , die jedes Jahr in die Umwelt entsorgt werden. Gleichzeitig gibt es immer mehr Plastikkomponenten in Produkten, die Menschen jeden Tag konsumieren.

Mikroplastik verseucht nicht nur den Menschen, sondern mittlerweile den gesamten Planeten: vom Gipfel des Mount Everest bis in die tiefsten Ozeane. Über die Plastikmengen, die in der Umwelt zirkulieren, gibt es nur grobe Schätzungen. Fachleute gehen davon aus, dass etwa 20 Millionen Tonnen unterschiedlichster Kunststoffe pro Jahr ins Erdreich gelangen – etwa in Form von Staub aus der Kunststoffindustrie, als Abrieb von Autoreifen, als Zigarettenkippen oder als achtlos weggeworfene Kaffeebecher.

sug
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