Mythos entzaubert Musik von Mozart macht doch nicht klüger

Komponist Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791): Magische Klänge, schlauer machen sie aber nicht
Foto: Db Andy Bernhaut / picture-alliance/ dpa/dpawebMusik macht Kinder klüger - mit diesem Ergebnis sorgte 1993 eine Studie der Neurologin Frances Rauscher von der University of California, Irvine für Aufsehen. Die Forscherin berichtete über den leistungssteigernden Effekt von klassischer Musik, nachdem Studenten, die zehn Minuten lang Mozarts Sonate für zwei Klaviere in D-Dur gehört hatten, bei einem anschließenden Intelligenztest deutlich besser abgeschnitten hatten als Studienteilnehmer, die nicht in den Genuss der Musik gekommen waren.
Der "Mozart-Effekt" war geboren, seither gilt klassische Musik als Mittel zur Steigerung der Intelligenz. Frauen beschallen ihre ungeborenen Kinder bereits im Mutterleib mit Mozart, Eltern besorgen sich CDs, die ihrem Nachwuchs das Üben komplizierter Matheaufgaben erleichtern sollen.
Die Überzeugung von der Wirksamkeit mag weit verbreitet sein. Doch aus Sicht der Wissenschaft ist keineswegs gesichert, dass (Mozarts) Musik schlauer macht. Nun haben Wissenschaftler um Samuel Mehr von der Harvard Graduate School of Education einen neuen Anlauf gewagt - und ihr Ergebnis ist ernüchternd: Musik macht doch nicht klüger, schreiben die Forscher im Fachmagazin "PLOS One".
Effekt zu gering, als dass er signifikant wäre
Die Schwierigkeiten mit dem "Mozart-Effekt" würden bereits mit der Methodologie der verschiedenen Tests beginnen, sagt Mehr. Dutzende Studien habe man sich im Vorfeld der eigenen Untersuchungen angesehen. Mehr und seine Kollegen fanden nur fünf Ansätze, bei denen evidenzbasierte Experimente als Basis dienten. Und nur eines davon konnte einen positiven Effekt vermelden, nämlich eine Steigerung des Intelligenzquotienten um 2,7 Punkte nach einem Jahr Musikunterricht.
"Das ist so gering, dass man kaum von statistischer Signifikanz sprechen kann", meint Mehr. Auch in der publizierten Literatur zum Thema habe er keine belastbaren Wiederholungsstudien gefunden. Man könne also davon ausgehen, dass ein sogenannter Publikationsbias vorliegt. Das bedeutet, dass seit der Veröffentlichung der Studie von Rauscher 1993 weitere Tests nur dann veröffentlicht wurden, wenn sie positive Ergebnisse hatten.
Um herauszufinden, welchen Einfluss Musik auf die Intelligenz hat, brachten Mehr und seine Kollegen 29 Elternpaare mit ihren vierjährigen Kindern aus der Region um Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts zusammen. Nach einigen Eingangstests wurden diese per Zufallsprinzip in zwei Gruppen geteilt. Die erste kam sechs Wochen lang zur musikalischen Früherziehung, also zum gemeinsamen Singen, Tanzen und Instrumente Ausprobieren. Die andere Gruppe durfte sich künstlerisch austoben, ihr wurden vor allem bildnerische Übungen zugeteilt.
Etwas Positives haben die Forscher doch gefunden
"Wir wollten den Effekt von Musik auf Kinder in einer so authentischen Situation wie möglich messen", erklärt Mehr. Also habe man in einer Kindergartensituation verschiedene musikalische Spiele angeboten und auch durchgeführt - diese konnten dann auch zu Hause wiederholt werden.
Statt eines üblichen IQ-Tests haben Mehr und sein Team bestimmte Fähigkeiten getestet, nämlich solche, die in früheren Studien von musikalischem Training profitiert hatten: räumliche Orientierung, die Wahrnehmung von Formen sowie das Zahlen- und Wortverständnis. Ein kleiner Effekt zeigte sich bei den räumlichen Kategorien: Die Musikgruppe schnitt etwas besser bei der Orientierung ab, die bildnerische bei der Wahrnehmung.
Um ganz sicherzugehen, wiederholten die Wissenschaftler das Experiment mit einer größeren Gruppe. Dieses Mal waren 45 Familien mit Kindern beteiligt. Eine Hälfte von ihnen erhielt Musikunterricht, die andere nicht. Und auch hier - trotz der Verwendung verschiedener statistischer Methoden - fand Mehr keine positiven Auswirkungen der musikalischen Früherziehung. Das Gleiche gelte auch für die Auswertung der kombinierten Ergebnisse aus Test eins und zwei. "Es gibt kleine Unterschiede bei den Leistungen, aber keiner davon war statistisch signifikant", so Mehr.
Eine positive Nachricht hat der Kognitionswissenschaftler dennoch: Musikalisches Training hat die kognitiven Leistungen zumindest nicht beeinträchtigt. Natürlich sei eine musikalische Erziehung wichtig und gut für Kinder, man sollte nur nicht immer auf den Zusatznutzen schielen. "Wir unterrichten nicht deswegen Shakespeare, weil wir glauben, dass unsere Schüler dann bessere Arbeiten schreiben, sondern weil wir Shakespeare für wichtig halten."