Mysterium Pi Eine Zahl erklärt die Welt
Den Sinn des Lebens werden Mathematiker in ihr wohl kaum finden. Auch das Universum lässt sich mit der Kreiszahl Pi, dem Verhältnis zwischen Kreisumfang und Durchmesser, nur ansatzweise erklären. Der ganze Rest allerdings könnte - zumindest aus mathematischer Sicht - in der mysteriösen Zahl versteckt sein.
Zwei US-Mathematiker wollen dem Geheimnis der Kreiszahl nun etwas näher gekommen sein. Als so genannte irrationale Zahl lässt sich Pi nicht als Bruch darstellen. Die Kommaschreibweise bricht nie ab, was Mathematiker einerseits zu immer exakterer Berechnungen der Zahl veranlasst hat, andererseits die Suche nach Näherungsformeln nicht abreißen lässt.
Die unendliche Geschichte der unendlich langen Zahl ist noch nicht zu Ende, David Bailey vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien und Richard Crandall vom Reed College in Portland wollen aber einen gewissen Sinn in der chaotisch scheinenden Ziffernfolge erkannt haben. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift "Experimental Mathematics" berichten, enthält die ausgeschriebene Variante von Pi jede erdenkliche Zahlenkombination.
Damit nicht genug: Ziffernfolgen mit gleicher Länge sollen, so die britische Zeitschrift "Nature" in ihrer Internetausgabe, auch gleich häufig sein. Dies hieße, dass sich 59345 genauso oft wie 78952 im Pi'schen Rattenschwanz finden lassen müsste. Wissenschaftler bezeichnen derartige Phänomene als Normalität.
Ob die dezimale Darstellung der Kreiszahl in der Tat zufällig ist oder einer gewissen Ordnung folgt, gilt als eine der härtesten Nüsse der Mathematik. Folglich sehen es viele Kollegen bereits als "Fortschritt" an, dass Crandall und Bailey überhaupt etwas zum Thema zu sagen haben.
Ob Pi - im mathematischen Sinn - normal ist, darauf wollen sich die beiden US-Forscher nicht festlegen. "Zumindest haben wir eine Möglichkeit entdeckt, dies zu überprüfen", so Bailey gegenüber "Nature Science Update". Der Weg sei zwar noch steinig, aber die Richtung stehe immerhin fest.
Chaos statt Zahlen
Die neue Theorie stützt sich auf eine Entdeckung, die Bailey und seine Kollegen bereits 1996 gemacht haben. Damals gelang es den Mathematikern, eine Formel aufzustellen, mit der sich eine bestimmte Ziffernfolge von Pi berechnen lässt ohne die vorherigen Ziffern zu kennen.
Fünf Jahre später stützen sich die Wissenschaftler nicht mehr allein auf die Lehre von den Zahlen. Ihre neueste Waffe nennt sich Chaostheorie. Dabei konstruieren die Forscher aus der Darstellung von Pi verschiedene Zahlen zwischen 0 und 1, deren Häufigkeit schließlich erfasst wird.
So werden aus der Kreiszahl, deren bekannteste Form 3,14159... lautet, die einzelnen Zahlen 0,314, 0,141, 0,415, 0,159 und so weiter betrachtet. Sollte die Zahl Pi, die mit leistungsfähigen Computern mittlerweile bis auf 500 Milliarden Stellen berechnet worden ist, tatsächlich rein zufällig sein, müssten auch die auf diese Weise ermittelten Zahlen chaotisch zwischen 0 und 1 schwanken. Für ihren Beweisversuch benutzten Bailey und Crandall allerdings nicht die bekannte Dezimaldarstellung von Pi sondern deren binäre Variante. Die nämlich weist praktischerweise nur Nullen und Einsen hinter dem Komma auf.
Solle Pi tatsächlich normal sein, ist die Verwandtschaft zum großen Bruder 42 kaum mehr zu leugnen: Die von Kultautor Douglas Adams postulierte Antwort auf die vermeintliche Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest gilt zwar als ultimativ, die dazugehörige Frage muss allerdings noch gefunden werden. Genauso liefert ein normales Pi auch alle möglichen (mathematischen) Antworten. Die Fragen dazu sind allerdings mindestens genauso kryptisch wie bei Adams' galaktischem Anhalter.
Alexander Stirn