Fotostrecke

Rätselhafte Statue: Buddha mit Bart und Swastika

Foto: AFP/ Uni. Stuttgart/ Elmar Buchner

Rätselhafte Herkunft erforscht Der Nazi-Buddha aus dem All

Es soll die einzige menschliche Figur aus einem Meteorit sein - angeblich uralt und aus Tibet von einer Nazi-Expedition entführt. Nun hat eine Forscherin offenbar das Geheimnis der Statue gelüftet.

Was für eine Geschichte: Eine Truppe Nazis klaut auf einer Expedition nach Tibet in den Dreißigerjahren eine Statue - tausend Jahre alt, eine Darstellung von Vaishravana, einer der vier buddhistischen Himmelskönige. Auf der Brust trägt die Figur ein rückwärts gedrehtes Hakenkreuz, eine Swastika - ein Glückssymbol in vielen fernöstlichen Religionen.

Doch es wird noch besser: 2012 untersuchen deutsche Forscher das stark eisenhaltige Material der Statue. Sie stellen fest: Der als Eisenmann bezeichnete Klotz ist nicht von dieser Welt, er wurde aus Teilen des sogenannten Chinga-Meteoriten hergestellt, der vor rund 15.000 Jahren auf die Erde stürzte.

Metalllegierungen aus dem All wurden schon häufiger von Menschen als Werkstoff verwendet. Aus Tibet sind einige Zentimeter große Amulette aus Meteoritenteilen bekannt, auch der Stoff für die Dolchklinge des ägyptischen Pharaos Tutanchamun fiel vom Himmel - doch bis heute ist der Eisenmann die einzige gefertigte menschliche Darstellung aus einem Meteoriten.

Doch woher die merkwürdige Figur stammt und wer sie einst angefertigt hatte, blieb ein Mysterium. Nun hat die Historikerin Isrun Engelhardt offenbar den Ursprung des Nazi-Buddhas aufgespürt und sein Geheimnis weitgehend entschlüsselt. Ihre Arbeit hat sie nun im Fachmagazin "Revue d'Études Tibétaines"   veröffentlicht.

Fotostrecke

Dokumente berühmter Forscher: Skizzen, Tagebücher, Karten

Foto: Sieveking Verlag / The Natural History Museum

SS-Expedition nach Tibet

Aber der Reihe nach: Zunächst hatten die Forscher für ihre Studie von 2012 versucht, mehr über die Figur herauszufinden. Sie hatten verschiedene Kulturwissenschaftler befragt - doch jeder sei mit einer anderen Theorie dahergekommen, jeder wollte andere kunsthistorische Merkmale in dem Buddha entdeckt haben. Gottheit, Herrscher oder Lama, buddhistisch oder tibetisch - alles war offenbar vorstellbar, immer wildere Mythen rankten sich um die Statue.

Die gängigste Erklärung lautete noch: Die Figur, ohnehin nicht gerade ein Wunderwerk des filigranen Handwerks, stammt aus der Region der Mongolei, vielleicht aber auch Tibet. Sicher war man sich, zumindest hier und da, dass das Stück der Bön-Kultur zuzurechnen ist. Jener Religion, die vor der Einführung des Buddhismus im achten Jahrhundert vorherrschend war.

Nach Deutschland müsse die Statur dann durch die berühmt-berüchtigte Forschungsreise von Ernst Schäfer gekommen sein, wurde vermutet. Der Zoologe hatte im Auftrag der Nationalsozialisten zwischen den Jahren 1938 und 1939 eine Tibet-Expedition geleitet. Die Reise in das damals völlig abgeschottete Land war später Inspirationsquell rechter Verschwörungsesoteriker.

Schäfer hatte von Heinrich Himmler für die Reise Unterstützung angeboten bekommen. Der SS-Chef war erpicht darauf, Spuren einer arischen Urrasse zu finden. Schäfer und sein Trupp, einige sogar frisch zu SS-Leuten ernannt, sollten im damals streng abgeschirmten Tibet Menschenschädel vermessen. Doch Schäfer konzentrierte sich lieber auf die heimische Vogelwelt. Noch heute füllen Tausende Tiere im Naturkundemuseum Berlin die Schubladen.

Fotostrecke

Rätselhafte Statue: Buddha mit Bart und Swastika

Foto: AFP/ Uni. Stuttgart/ Elmar Buchner

"Typischer Tibet-Kitsch"

Doch schon 2012 gab es Zweifel an der These, Schäfers Trupp habe das Stück mitgenommen. Merkmale des 24 Zentimeter hohen und mehr als zehn Kilo schweren bärtigen Buddhas mit einem Ohrring muteten den Tibetologen untypisch an. Dem Buddhismusforscher Achim Bayer von der Dongguk University in Seoul kam allein die Form der Hose und Schuhe merkwürdig vor, wie er in einem Aufsatz schrieb . Sehr wahrscheinlich sei die Statue keinesfalls tausend Jahre alt - sondern eher im Zeitraum zwischen 1910 und 1970 entstanden. "So sieht typischer Tibet-Kitsch aus dem frühen bis mittleren 20. Jahrhundert aus. Uns war 2012 sofort klar, dass die Statue nicht aus Tibet kommt", sagt Bayer.

Auch der deutschen Historikerin Isrun Engelhardt kamen Zweifel. Schon 2012 vermutete die Expertin für die Schäfer-Expedition, dass der Buddha nicht mit dem blonden Ornithologen nach Deutschland gekommen war. Bis auf den Pfennig hatten die Forscher einst die Kosten für die Expedition abgerechnet, jeder Posten, Ausgaben wie Fundstücke, war in den Listen verzeichnet. Warum hätte einer der Teilnehmer den Metallklotz schmuggeln sollen? Engelhardt machte sich auf die Suche nach dem Ursprung der seltsamen Statue.

Was sie herausfand, widerlegte die irrwitzige Geschichte vom Nazi-Buddha - aber es klingt nicht minder bemerkenswert.

Offenbar hatte ein dubioser russischer Händler den Eisenmann schon 2007 den deutschen Wissenschaftlern zum Kauf angeboten. Den Namen des Anbieters wollen diese bis heute nicht preisgeben, angeblich, weil der um Anonymität gebeten hatte. Engelhardt identifizierte den Mann als Igor Kaledin, Fotos auf seiner Webseite hatten ihn verraten. Der Russe hatte, so recherchierte Engelhardt, offenbar damals nebenher versucht, die Statue einem Kölner Auktionshaus anzudrehen. Anders als die Forscher hatten dort aber die Kunstexperten dankend abgelehnt - es war für sie zu offensichtlich, dass das Stück Zweifel am tibetischen Ursprung aufkommen ließ.

Die Spur führt zu einem russischen Künstler

Ein inzwischen verstorbener Wiener Geologe kaufte das Stück schließlich 2009 für 20.000 Euro ab - und offenbar auch die Geschichte vom tausend Jahre alten Eisenmann, die Kaledin auftischte. Zusammen mit den deutschen Forschern veröffentlichte der Wiener Kollege dann 2012 die Studie zum Chinga-Meteoriten, vermies aber darauf, dass Angaben zur Herkunft der Figur spekulativ seien.

Die Spur von Kaledin hatte sich da bereits in Russland verloren. Für Engelhardt bedauerlich: "Ich weiß immer noch nicht genau, wie die Statue zu ihm gelangt ist", sagt Engelhardt.

Fotostrecke

Ausgegraben: Bilder und Geschichten aus der Archäologie

Foto: PBS/ BBC

Trotzdem verfügte sie über Hinweise zum Ursprung der Figur: Verschiedenen Kunstexperten war eine Ähnlichkeit der Statue mit einer schillernden Persönlichkeit der russischen Kunst- und Esoterikszene aufgefallen: Nicholas Roerich (1874-1947).

Eine Mischung aus Schriftsteller, Wissenschaftler und Künstler, aber auch Mystiker und Guru, reiste Roerich mit seiner Frau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den Himalaya und ganz Asien. Er malte nicht nur mit geradezu explodierender Farbpracht die dortige Landschaft, er ließ sich auch von so mancher esoterischer Strömung mitreißen. So wurde er von der Okkultistin Helena Petrovna Blavatsky, aber auch anderen geistigen Führern beeinflusst und gründete mit seiner Frau Helena die theosophische Vereinigung Agni Yoga. Noch heute gibt es weltweit Agni-Yoga-Gruppen und Roerich-Gesellschaften sowie verschiedene Museen mit seinen Werken.

Blavatsky infizierte Roerich mit ihrem Glauben an das verborgene Königreich Shambhala. Dabei handelte es sich um ein Reich, dass die Lehre des reinen Buddhismus angeblich im Verborgenen bewahrt - während die Welt von Barbaren überrannt worden ist. "Ähnlich wie das verborgene Paradies Shangri-La wirkten Shambhala und Tibet geradezu wie ein Magnet auf alle möglichen Esoteriker und Verschwörungstheoretiker der damaligen Zeit", sagt Engelhardt.

Roerich hatte den Brocken auf seinen Reisen dabei

In den Zwanziger- und Dreißigerjahren war Tibet extrem abgeschottet, Ausländer hatten praktisch keinen Zutritt. Das nährte Mythen und machte das Land zum Sehnsuchtsort für alle möglichen schrägen Weltenbummler.

Roerich war einer von ihnen und hatte es sich wohl zur Lebensaufgabe gemacht, den Eingang zu dem verborgenen Tal zu finden. Er hoffte, dem Buddhismus zum Sieg verhelfen zu können und ein spirituell geführtes Reich auch geografisch und politisch verwirklichen zu können.

1923 gelangte auf nicht genauer zu ergründenden Kanälen zudem offenbar ein Teil des Meteoriten zu den Roerichs. Der bärtige Maler hatte eine Schwäche für exotisches Gestein und Erze und hatte den Brocken fortan ständig auf seinen Reisen dabei, da er ihn für heilig hielt.

Zudem wurde es mit seinem Shambhala-Wahn immer schlimmer. "Roerich bezeichnete sich selbst sogar in einem Brief an den Dalai Lama als den kommenden König von Shambhala", so Engelhardt. In Darjeeling ließ er sich prunkvolle, traditionelle Gewänder anfertigen, die er gelegentlich anlegte. Roerich plante wohl, als Rigden Jyepo, dem 25. König von Shambhala, nach Tibet einzureisen.

Roerich-Bild "The Order of Rigden Jyepo" mit ähnlicher Statue

Roerich-Bild "The Order of Rigden Jyepo" mit ähnlicher Statue

Foto: Nicholas Roerich

Engelhardt entdeckte zudem eine Roerich-Studie und ein später daraus entstandenes Bild von 1926/27. Die Werke heißen "The Order of Rigden Jyepo". Beide Bilder zeigen Reiter in einer Berglandschaft, einige stehen zu Pferd am Fuß einer riesigen Statur, die in den Fels eines Bergs gehauen wurde. Die Statur ähnelt dem Eisenmann stark, sie nimmt genau dieselbe, auffällige Körperhaltung ein. Zur Zeit der Entstehung hielt sich Roerich in Urga in der Mongolei auf, so hieß damals Ulaambaatar.

Bitte um Einblick abgewiesen

Der Roerich-Clan wartete damals einige Monate auf eine der raren Einreisegenehmigungen nach Tibet. Vermutlich hat Roerich die Figur in dieser Zeit anfertigen lassen - sie sollte ihn als 25. König von Shambhala zeigen, glaubt Engelhardt. Immerhin: Kundige Metallhandwerker habe es damals in dem Ort gegeben, ihre Tradition lebt bis heute fort. Heutige Handwerker hätten den Stil der Arbeit erkannt, heißt es.

Sein eiserner Stellvertreter hat Roerich letztlich nicht viel genutzt. Zwar durfte er nach Tibet einreisen, allerdings kam er nie bis zur Hauptstadt Lhasa. Er hatte sich als US-Buddhist ausgegeben, das weckte Misstrauen. Schließlich wurde er ein paar Tagesreisen von Tibets Hauptstadt entfernt festgesetzt und musste irgendwann umkehren - damit platzten die Träume vom eigenen Königreich.

Doch auch wenn der Ursprung der Statue damit geklärt zu sein scheint, bleiben auch nach Jahren der Arbeit für Engelhardt immer noch Fragen: Sie hofft auf einen direkten Nachweis der Statue, der sich aus Zeitdokumenten ergeben könnte. Solche liegen möglicherweise in den Roerich-Archiven in Moskau, die die Agni-Yoga-Vereinigung verwaltet. Aber bisher wurden ihre Bitten um Einblicke abgewiesen. "Die sind wie eine Sekte und stark abgeschottet. Da kommen sie nur sehr schwer ran", sagt sie. Gut möglich, dass sie erst mal an anderer Stelle weiterrecherchiert.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten