Nervengift Nikotin beeinflusst Körper stärker als bislang vermutet

Nikotin nutzt denselben Weg wie zahlreiche andere Botenstoffe, um seine giftige Wirkung im Körper zu entfalten. Das haben US-Forscher jetzt entdeckt und hoffen, neue Therapieansätze gegen die Sucht zu finden.

Das Nervengift bahnt sich seinen Weg über die Lungenbläschen direkt in den Kreislauf und ins Gehirn. Nikotin dockt an Rezeptoren an, die erst möglich machen, dass die Substanz ihre typische Wirkung entfaltet: Die Aufmerksamkeit nimmt zu, das Herz pocht, der Blutdruck steigt. Doch neben Nikotin nutzen noch mindestens 55 Proteine die spezialisierten Rezeptoren, wie US-Forscher jetzt in der Fachzeitschrift "Journal of Proteome Research" berichten . Das Nervengift könnte den Organismus dadurch noch stärker beeinflussen als bislang angenommen.

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler von der Brown University in Providence (US-Bundesstaat Rhode Island) das Nervengewebe von Mäusen. Bei den Tieren ist vor allem ein spezieller Acetylcholinrezeptor, der Alpha-7-Rezeptor, für den Nikotinstoffwechsel verantwortlich. Neben Nikotin nutzt vor allem der Botenstoff Acetylcholin, der eine Reihe von lebenswichtigen Vorgängen im Körper steuert, den Rezeptor. Eine ähnliche Struktur besitzt auch der Mensch.

Zu ihrer Überraschung entdeckten die Forscher, dass nicht nur Acetylcholin und Nikotin die Andockstelle nutzen, sondern noch 55 Proteine. "Der Rezeptor hat offenbar viele Funktionen im Gehirn", sagte Studienleiter Edward Hawrot von der Abteilung für molekulare Pharmakologie.

Die identifizierten Proteine spielen nach Angaben der Wissenschaftler wichtige Rollen bei biochemischen Prozessen, innerhalb von Stoffwechselwegen im Körper oder bei der Signalübertragung zwischen Nervenzellen. Nikotin könnte demnach zahlreiche Prozesse im Organismus weitreichend beeinflussen, in dem es etwa die anderen Proteine daran hindert, ihre Wirkung über den Rezeptor zu entfalten und ihren Effekt noch verstärkt.

Die Forscher erhoffen sich von ihren Erkenntnissen nicht nur ein besseres Verständnis der Nikotinsucht. Sie bauen auch auf die Entwicklung von neuen Medikamenten gegen die Abhängigkeit von dem Nervengift. "Das eröffnet uns zahlreiche neue Forschungswege", meint Hawrot.

Rauchen ist unter anderen für die Entstehung von Lungentumoren, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Arterienverkalkung verantwortlich. Die Kosten für die Folgeerkrankungen sind immens, Gesundheitspolitiker diskutieren immer wieder, wie sie die Sucht bekämpfen können. Nachdem ein generelles Rauchverbot in Gaststätten in Deutschland gescheitert ist, hat sich die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing (SPD) kürzlich jedoch auch gegen die Einführung von Schockfotos ausgesprochen. Die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention beim Heidelberger Krebsforschungszentrum, Martina Pötschke-Langer, zeigte sich enttäuscht: "Grundsätzlich gilt: 'Ein Bild sagt mehr als tausend Worte'", sagte die Expertin.

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