Ausgegraben - Neues aus der Archäologie Shert Nebtis seltsame Ruhestätte

Forscher rätseln über ein ägyptisches Grab: Wieso wurde Pharaonentochter Shert Nebti zwischen Hofbeamten beigesetzt und nicht bei der Königsfamilie? Außerdem im archäologischen Wochenrückblick: Mythen um Gehenkte, Erzaufbereitung im 14. Jahrhundert, Spuren der ersten Polynesier.
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Pharaonentocher-Grab: Beigesetzt zwischen Beamten

Foto: Czech Institute of Egyptology/ M. Frouz

Was hatte Prinzessin Shert Nebti zu Lebzeiten getan, dass ihr Leichnam nach dem Tod nicht bei den anderen Mitgliedern der königlichen Familie ruhen durfte? Das ist nur eine von vielen ungelösten Fragen, die sich das tschechische Archäologenteam um Miroslav Bárta von der Universität Prag derzeit stellt.

Sie entdeckten das Grab der Prinzessin im Süden von Abusir, inmitten eines Friedhofs für Beamte. Shert Nebti starb um etwa 2500 v. Chr., in der zweiten Hälfte der 5. Dynastie. Üblicherweise wurden die Mitglieder der 5. Dynastie aber rund zwei Kilometer weiter nördlich im Zentrum von Abusir oder noch weiter südlich in Sakkara beigesetzt.

Die Prinzessin wurde nicht allein begraben - zu dem Komplex gehören noch vier weitere Gräber. In einem liegt Shepespuptah, oberster Richter im Großen Haus, in einem anderen Duaptah, Aufseher über die Sklaven und den Palast. Auch ein Beamter namens Ity liegt bei ihr.

Die Decke des Prinzessinnengrabs wurde von vier mächtigen Kalksteinsäulen getragen. Auf einem von ihnen steht in Hieroglyphen: "Tochter des Königs aus seinem Leib, seine Geliebte, verehrt vor dem Großen Gott." Ob die Mumie Shert Nebtis tatsächlich in dem Grab liegt, ist noch nicht klar - die Ausgrabungsarbeiten sind noch im vollen Gange. "Wir schätzen uns sehr glücklich, dieses neue Fenster gefunden zu haben, durch das wir in die Zeit zurückgehen können", sagt Bárta. "So können wir Schritt für Schritt das Leben und Sterben mehrerer historisch bedeutender Individuen aus dem Zeitalter der großen Pyramiden verfolgen und erforschen."

+++ Als die ersten Menschen nach Polynesien kamen +++

Korallen-Feile: Hervorragend zur Datierung geeignet

Korallen-Feile: Hervorragend zur Datierung geeignet

Foto: Burley D./ Weisler MI/ Zhao J.

Polynesien wurde zwar nicht an einem Tag besiedelt, aber zumindest in einem engen Zeitfenster von nur 16 Jahren. Zu dieser ungewöhnlich genauen Datierung kam das Team um David Burley von der kanadischen Simon Fraser University durch die Untersuchung von Feilen. Als die ersten Siedler zwischen 834 und 812 v. Chr. ankamen, suchten sie sich Korallen, um damit die Oberflächen von Holz und Muscheln glatt zu polieren. Diese Werkzeuge fanden die Archäologen an dem Ort, wo die Neuankömmlinge die erste feste Siedlung Polynesiens errichteten.

Die Feilen eignen sich hervorragend für eine Datierung: "Dieser Grad an Präzision in der Datierung lässt sich unmöglich mit Hilfe von Radiokarbon oder anderen Datierungstechniken erreichen", berichtet  Burley im Fachmagazin "PloS One". "Die Methode gibt uns bedeutende neue Möglichkeiten, die Entdeckung und Besiedlung dieser fernen Inseln im südlichen Pazifik besser zu verstehen."

+++ Hängen und hängen lassen +++

Leiche eines Verurteilten wird untersucht (1751): Historische Wurzeln moralischer Fragen

Leiche eines Verurteilten wird untersucht (1751): Historische Wurzeln moralischer Fragen

Foto: Hulton Archive/ Getty Images

"Warum empören die Leute sich, wenn Ärzte nach dem Tod Organe entnehmen? Warum legen wir so großen Wert darauf, nach einem Krieg die toten Soldaten nach Hause zu bringen?" fragt der britische Philosoph Floris Tomasini. "Dies sind moralische Fragen, die tiefe historische Wurzeln haben." Gemeinsam mit Archäologen, Medizin- und Kriminalhistorikern, Ethnologen und Literaturwissenschaftlern der Universitäten von Hertfordshire und Leicester wird Tomasini an einem interdisziplinären Projekt diesen Fragen nachgehen.

In den kommenden fünf Jahren wollen die Wissenschaftler erforschen, wie in der Zeit zwischen 1752 und 1832 mit den Körpern zum Tode verurteilter Verbrecher umgegangen wurde. Ein Begräbnis in geweihter Erde wurde ihnen verwehrt - die Archäologie findet Hinweise auf ihren Verbleib also nicht auf Friedhöfen, sondern eher in unmittelbarer Umgebung der alten Richtstätten. Einige Verurteilte wurden dort verscharrt, andere wurden von Medizinern zu Forschungszwecken seziert. Oft wurden die Leichen auch einfach in einer Art Käfig zur Zurschaustellung am Galgen hängen gelassen.

Die Ethnologen des Projekts wollen untersuchen, wie der Umgang mit diesen Toten unser heutiges Empfinden gegenüber toten Körpern und unseren Umgang mit ihnen geprägt hat. Um die toten Verbrecher rankte sich viel Aberglauben. So galt zum Beispiel, dass die Berührung der Hand eines Gehenkten Krebs heilen könnte.

+++ Frühe Kupferverhüttung in Norwegen +++

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Norwegen: Älteste Spuren von Kupferverhüttung entdeckt

Foto: Lars F. Stenvik

Von der Münze bis zur Kirchenglocke: Kupfer war im mittelalterlichen Norwegen ein begehrter Rohstoff für allerlei Gegenstände. Bislang gingen die Forscher davon aus, dass Norwegen das gesamte Kupfer vor 1500 importierte. Die große Kupferindustrie mit riesigen Minen entwickelte sich erst im 18. Jahrhundert.

Nun aber haben Lars Stenvik und Kollegen vom Naturkunde- und Archäologiemuseum in Trondheim am Fluß Kopperåa eine Kupferverarbeitungsstätte aus dem 14. Jahrhundert gefunden - die älteste des Landes. Die Ausgräber berichten in einer bisher noch nicht veröffentlichten Studie, dass sie neben Holzkohle, Schlacke und kleinen grünen Kupferklumpen in der vergangenen Grabungskampagne eine hölzerne Struktur entdeckten, die zur Verhüttungsanlage gehörte. Ein Balken könnte weiterhin zu einem Blasebalg gehört haben. Der wurde dann mit Wasserkraft betrieben statt von Menschenhand - für das 14. Jahrhundert eine sehr fortschrittliche Technologie.

Jetzt gehen die Forscher der Frage nach, wer das technische Know-how besaß, um eine solche Verhüttungsstätte aufzubauen. In Frage kommen entweder die Zisterziensermönche von Munkeby oder der Erzbischof von Nidaros, dem heutigen Trondheim. Die Grabungsumstände am Kopperåa Fluß sind nicht gerade angenehm. Die Archäologen mussten mit Schneefall im Juni, Fluten und Stürmen kämpfen.

+++ Goldenen Schnitt nutzten Künstler schon vor 15.000 Jahren +++

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Steinzeitkunst: Schön graviert

Foto: MONREPOS/ Alexandra Güth

Vor 15.000 Jahren ritzten Künstler Tierfiguren in den Schiefer bei Gönnersdorf am Rand der Eifel. Einige waren dabei offenbar begabter als andere - ihre Gravuren können wir auch nach heutigem Empfinden noch als schön bezeichnen. Ihr Trick: Sie legten die Figuren nach dem goldenen Schnitt an: dem Teilungsverhältnis einer Fläche, bei dem das Verhältnis des Ganzen zu seinem größeren Teil dem Verhältnis des größeren zum kleineren Teil entspricht. Dieses später in der Kunst des Spätmittelalters und der Renaissance oft angewendete Stilmittel wurde erstmals von dem griechischen Mathematiker Euklid beschrieben. In Gönnersdorf war es anscheinend schon lange vorher bekannt.

Eine Auswertung von 3-D-Scans einiger Pferdekörper zeigt, dass sich die gut gelungenen Pferdegravuren in Metrik und Linienführung signifikant von weniger gelungenen Exemplaren unterscheiden. Eine geschickte Liniendopplung an den richtigen Stellen wirkte noch als Effektverstärker.

Alexandra Güth vom Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution (MONREPOS) in Neuwied berichtet  in der Oktoberausgabe des "Journal of Archaeological Science": "Unser Sinn für Ästhetik hat sich offenbar über fast 18.000 Jahre nicht verändert. Was wir heute als schön und harmonisch empfinden, wurde auch damals schon so beurteilt. Die Werke dieser Künstler haben sich durchgesetzt und zwar bis heute."

+++ Wo die Helden feierten +++

Zaumzeug-Teil: "Ein Pferd zu besitzen, war nur der Kriegeraristokratie gewährt"

Zaumzeug-Teil: "Ein Pferd zu besitzen, war nur der Kriegeraristokratie gewährt"

Foto: UC of Reading

In dem epischen Gedicht "Beowulf" ist ausführlich beschrieben, wie es in den Festhallen der angelsächsischen Könige zuging: Da wurde ausgiebig von vergangenen Heldentaten berichtet und es wurden Pläne für neue geschmiedet. Man trank, aß, und viele Geschenke wechselten den Besitzer.

Eine solche Festhalle haben Archäologen der Reading University in Lyminge in der Grafschaft Kent gefunden. Bis zu 60 Gäste hatten Platz in der 21 mal 8,5 Meter großen Halle. In Abfallgruben rund um das Gebäude lagen Reste der vergangenen Festmähler - Haufen von Tierknochen. Die Halle nutzen die angelsächsischen Könige gegen Ende des sechsten oder zu Beginn des siebten Jahrhunderts. Zu dieser Zeit gab es noch keine festen Paläste. Der König und sein Gefolge reisten durch das Land und wurden, wo immer sie hinkamen, von ihren Untertanen mit üppigen Gelagen bewirtet - in Hallen wie dieser. Anschließend wurde darin auch Gericht gehalten.

Zu den Funden aus der Halle gehört ein außergewöhnlich schönes vergoldetes Zaumzeug. "Es zeugt vom hohen gesellschaftlichen Ansehen der Leute, die diese Halle nutzten", erklärt Ausgräber Gabor Thomas. "Die Möglichkeit, ein Pferd zu besitzen und zu unterhalten, war nur der Kriegeraristokratie gewährt." Doch auch weitaus intimere Funde lagen im Boden der Halle. Die Ausgräber fanden Schmuck, Kämme aus Knochen und ein Maniküreset. Es besteht aus drei kleinen Bronzestäbchen an einem Draht, die wohl zum Säubern der Fingernägel oder der Ohren genutzt werden konnten.

Am Ende brannte die Halle ab. Ihre Zerstörung fällt mit dem Übertritt der Angelsächsischen Stämme zum Christentum zusammen. Fortan übernahm die Kirche die Rolle als Versammlungsort.

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