Neues Konzept zur Endlagersuche Greenpeace will Gorleben entsorgen

Gäste in Gorleben (im Februar 2012): Zehn-Punkte-Plan fordert Ausschluss des Salzstocks
Foto: Julian Stratenschulte/ dpaBerlin - Seit Monaten werkelt Umweltminister Peter Altmaier (CDU) am Entwurf für ein Endlagersuchgesetz. Zu klären ist die höchst brisante Frage, wo Deutschland den Strahlmüll seiner jahrzehntelangen Kernkraftnutzung verbuddeln will. Doch von einer ursprünglich avisierten Einigung mit der Opposition bis zum Jahresende ist längst nicht mehr die Rede; SPD und Grüne lehnen den aktuellen Gesetzentwurf strikt ab. Und schon bald ist Wahlkampfzeit, erst in Niedersachen, später dann bundesweit - eine schnelle Einigung ist also ausgesprochen unwahrscheinlich.
Nun hat die Umweltorganisation Greenpeace ein eigenes Konzept für die Endlagersuche vorgelegt. Es ist vor allem eine Misstrauenserklärung an die Politik. Minister Altmaier werfen die Öko-Aktivisten Hinterzimmerdiplomatie vor. Aber auch mit SPD und Grünen gehen sie hart ins Gericht. Es gebe einen parteiübergreifenden Konsens, sich das Thema vom Hals schaffen zu wollen. "Wir wollen zeigen, dass es besser geht, als es die Planungen von Bundesregierung und Oppositionsparteien vorsehen", sagt Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler SPIEGEL ONLINE.
Der Umweltschützer aus dem Wendland hat sich jahrelang mit den Erkundungsarbeiten in Gorleben befasst - inklusive der Frage, wie der Salzstock trotz Zweifel bei der Geologie eigentlich zum Endlagerkandidaten werden konnte. Nun fordert er zusammen mit seinen Kollegen, dass Gorleben bei einer neuen Suche explizit ausgeschlossen wird: "Sonst kann es kein ergebnisoffenes Verfahren geben. Die Politik schleppt eine 35 Jahre dauernde Geschichte der Manipulation mit sich herum."
Bei Greenpeace hadert man nicht zuletzt damit, dass im Namen des Ministeriums der Ex-Atomlobbyist Gerald Hennenhöfer und der frühere Atomkraftmanager Bruno Thomauske die Endlagersuche voranbringen sollen. Die beiden seien auf Gorleben festgelegt.
Der Ausschluss des Salzstocks ist im Greenpeace-Konzept deswegen als Grundvoraussetzung aufgeführt, ebenso die Aufarbeitung der früheren Entscheidungen für den niedersächsischen Standort. Darum kümmert sich aktuell auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages, sogar Kanzlerin Angela Merkel musste dort bereits als Zeugin aussagen.
Aufbauend auf den beiden Voraussetzungen - Entsorgung von Gorleben und Vergangenheitsbewältigung - umfasst das am Donnerstag vorgestellte Konzept der Umweltschützer insgesamt zehn Schritte. Ein Endlagersuchgesetz findet sich dabei erst im fünften von ihnen. Vorher soll vor allem viel debattiert werden:
- in einer Ethikkommission, ähnlich der von Schwarz-Gelb nach Fukushima eingesetzten Expertengruppe,
- in einer "Nationalen Atommülldebatte", an der sich die Bewohner aller potentiellen Standortregionen und aktuellen Zwischenlagerstandorte beteiligen können,
- in einem interdisziplinäres Expertengremium und einer Nationalen Atommüllkommission.
"Das Entscheidende ist, dass die Zivilgesellschaft von Beginn an einbezogen wird", sagt Edler. Erst danach sollen Standorte und Regionen für die Erkundung über und - noch später - unter Tage ausgewiesen werden. In jedem möglichen Wirtsgestein - denkbar sind neben Salz auch Ton und Granit - sollen zwei Standorte untersucht werden. Es wäre also ein sowohl kompliziertes als auch teures Verfahren.
Doch, so rechnet man bei Greenpeace vor, eben auch ein lohendes: Immerhin stehe am Ende der "relativ beste Endlagerstandort" des Landes. Allerdings: Eine ähnliche Betriebsanleitung für die Suche nach einem Endlager gibt es schon längst. Sie ist zehn Jahre alt und stammt von einem unabhängigen Beratergremium, das die rot-grüne Bundesregierung damals eingesetzt hatte.
"Ich will da nicht mehr mitspielen"
Dieser Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte, kurz AkEnd, hatte seine Empfehlungen im Dezember 2002 vorgelegt. Dazu gehören unter anderem ein Verfahren für die Bürgerbeteiligung und die Verpflichtung, dass mindestens zwei potentielle Standorte auch unter Tage erkundet werden müssen. Gorleben würde in diesem Fall wohl gegen einen anderen Kandidaten antreten.
Und genau deswegen mag man bei Greenpeace das AkEnd-Konzept nicht. An seinem Ende, so fürchtet man, würde die Wahl wieder auf Gorleben fallen. Aus alter Gewohnheit, nicht aus geologischen Gründen.
Die Empfehlungen des AkEnd wurden nach dem Ende der rot-grünen Regierung ohnehin nicht in die Praxis umgesetzt. Zumindest nicht in Deutschland; in der Schweiz dienten sie immerhin als Grundlage der dortigen Endlagersuche. Doch auch in der Eidgenossenschaft steckt die Suche in einer tiefen Krise.
Der als Kritiker bekannte Genfer Geologieprofessor Walter Wildi hat vor wenigen Wochen seinen Rückzug aus dem sogenannten Beirat Entsorgung verkündet - weil seinen Sicherheitsbedenken zu wenig Beachtung geschenkt worden sei. Und Wildis Geologen-Kollege Marcos Buser schied schon im Sommer aus der Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) aus. Er beklagte einen Filz aus Aufsichtsbehörden und Atomkraftbetreibern: "Ich will da nicht mehr mitspielen."
Die Endlager-Diskussion wird noch lange dauern, in der Schweiz ebenso wie in Deutschland.
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