Neurowissenschaft US-Militär unterstützt Forschung für Gedankenlesen

Forscher in Kalifornien und Maryland wollen Gedanken im menschlichen Gehirn entschlüsseln und erhalten dafür vier Millionen Dollar vom Militär. Skeptiker befürchten den Einsatz etwa bei Verhören. Entscheidend: Funktioniert Gedankenlesen auch gegen den Willen eines Menschen?

Die US-Streitkräfte unterstützen ein Projekt zum Entziffern von Gedanken im menschlichen Gehirn. Ziel ist eine Messmethode für Hirnsignale, die mit Hilfe eines Computerprogramms in Sprache übersetzt werden sollen - also eine Art Gedankenlesen.

Die Forschung soll es nach offizieller Hoffnung ermöglichen, die Gedanken von Soldaten mit schweren Kopfverletzungen oder auch von Schlaganfallpatienten zu lesen. Skeptiker befürchten, dass solche Möglichkeiten auch bei Verhören eingesetzt werden könnten.

Ein Forscherteam der Universitäten Kaliforniens und Marylands habe vom US-Heer vier Millionen Dollar für das Projekt erhalten, wurde am Freitag in Los Angeles bekannt. Es wendet dabei eine Hirnstrommessung an, die als EEG bekannt ist und bei der Hirnaktivität mit Hilfe von Elektroden gemessen wird, die am Kopf angebracht werden. Versuchspersonen werden so verkabelt gebeten, bei der Messung ein von den Forschern vorgegebenes Wort zu denken.

Gedankenlesen hat Grenzen, sagen die Forscher

Durch die Analyse der Hirnaktivität wollen die Forscher zu einer Software kommen, die Gedanken einer Person lesen kann. Michael D'Zmura, leitendes Mitglied der Forschergruppe, sagte, davon sei man noch weit entfernt. "Eine Person zu haben, die frei denkt, und dann herauszufinden, was es ist, davon sind wir noch Jahre entfernt", sagte D'Zmura, der die Abteilung Kognitionswissenschaft der kalifornischen Universität in Irvine leitet. Nach seiner Auffassung wird diese Art von Gedankenlesen immer von der aktiven Kooperation einer Person abhängen - gegen deren Willen werde nichts entziffert werden können.

Wenn Neurowissenschaftler dem Code des Gehirns auf der Spur sind, verfolgen sie verschiedene Ansätze: Sie versuchen zum Beispiel, Bilder und Szenen, die ein anderes Gehirn sieht, sichtbar zu machen und nachzuzeichnen. Oder sie versuchen, auch die Inhalte von Bildern zu entschlüsseln. Semantische Rekonstruktion nennt das Rainer Goebel von der Universität Maastricht. Leute stellen sich Buchstaben oder Worte vor, und Goebel versucht diese anhand der gemessenen Hirnaktivität zu ermitteln. Im Idealfall können die Forschungsergebnisse gelähmten Menschen oder Wachkoma-Patienten helfen, wieder mit anderen Menschen zu kommunizieren.

Nicht nur mit Worten klappt das - sondern auch mit Videos. Seit zwei Jahren veranstaltet die University of Pittsburgh einen Wettbewerb für "Gedankenleser".  Die Aufgabe: Forscher sollten herausfinden, was Leute in einem Hirnscanner erlebten, in denen ihnen computersimulierte Szenen vorgespielt wurden: Sie liefen durch simulierte Landschaften und Räume, begegneten Tieren oder kämpften gegen anderen Menschen. Tatsächlich gelang es Goebel und seinen Kollegen, die Inhalte der erlebten Szenen mit einer Trefferquote von 80 Prozent zu erkennen - und belegten den zweiten Platz.

Der Wettbewerb wurde gefördert von der Forschungsabteilung des US-Verteidigungsministeriums. Ist Gedankenlesen also vor allem für das Militär interessant? Goebel ist skeptisch: "Man muss sich der Grenzen der Methode bewusst sein. Ein Proband muss dem Experiment gegenüber aufgeschlossen sein und mitarbeiten, sonst funktioniert es nicht."

jol/AP

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