Studie über Online-Verhalten
Herdentrieb verführt zum "Liken"
Was beeinflusst die Bewertungen auf Internetplattformen? In einer Studie zeigen sich zwei gegenläufige Effekte: Menschen loben Beiträge, die ohnehin vielen gefallen - und solche, die schon viele schlechte Urteile kassiert haben.
Eindeutig ausgerichtet: Auch diese Kühe bewegen sich lieber in der Herde als gegen den Strom
Foto: Corbis
Das Zauberwort lautet Schwarmintelligenz. Auf sie verlassen wir uns gern, wenn wir uns im Internet entscheiden müssen. Bewertungen von Nutzern werden deshalb an vielen Stellen eingesetzt, bei Büchern, Hotels oder Nachrichten. Allerdings unterliegen die Urteile mit "Likes" und Sternen offenbar einer erheblichen Verzerrung, die eine Studie von Wirtschaftswissenschaftlern nun genau beziffert hat.
Die Forscher aus Israel und den USA nutzten für ihr Experiment eine Plattform ähnlich dem Webforum Reddit. Welche Website sie untersuchten, teilen die Forscher "aus rechtlichen Gründen" nicht mit. Die Nutzer können darauf über Nachrichtenartikel diskutieren und ihre Kommentare untereinander positiv oder negativ bewerten. Etwa 3600 Menschen waren auf der Website während der fünfmonatigen Studie aktiv, deren Ergebnisse im Fachmagazin Science veröffentlicht wurden.
Basis der Untersuchung waren mehr als 100.000 Debattenbeiträge. Die Forscher manipulierten deren erste Bewertung nach dem Zufallsprinzip und beobachteten, wie andere Nutzer darauf mit eigenen Urteilen reagierten. Und das taten sie - rund 300.000 Bewertungen flossen in die Auswertung ein.
Die Sogwirkung positiver Bewertungen
Dabei setzte sich das Wohlwollen eindeutig durch: Positive Urteile wurden mehr als viermal so häufig vergeben wie negative, insbesondere wenn ein Kommentar zuvor bereits positiv bewertet war. Dann war die Wahrscheinlichkeit für ein weiteres Plus um mehr als 30 Prozent höher als in der Vergleichsgruppe. "Die kleine Manipulation einer einzigen positiven Erstbewertung führte aufgrund des sozialen Einflusses zu einer signifikant höheren Gesamtbewertung", schreiben die Forscher.
Auf negative Erstbewertungen reagierten die Nutzer hingegend ausgleichend: Sie vergaben auch für diese Kommentare deutlich häufiger ein Plus, wohl um das schlechte erste Urteil abzumildern. Die Autoren der Studie fassen ihre Ergebnisse so zusammen: "Während sich positiver Einfluss ansammelt und eine Tendenz zu Bewertungsblasen aufweist, wird negativer Einfluss von der Menge der Nutzer korrigiert."
Allerdings traten diese Effekte nicht in allen Themenbereichen gleichmäßig auf: Nachweisen ließen sie sich für Beiträge aus den Bereichen Politik, Kultur, Gesellschaft und Business, nicht aber für zum Beispiel Wirtschaftsartikel. Der Hang zu positiver Verstärkung könnte auch bei Wahlumfragen, Börsenkursen und Produktempfehlungen im Netz eine Rolle spielen, vermuten die Wissenschaftler. Hier sei weitere Forschung notwendig.