Open Access EU will Forschungsergebnisse frei zugänglich machen

Boykott-Aufruf der Wissenschaftler gegen Elsevier: "Unzumutbare Kosten"
Foto: Michael EisenBrüssel - Forscher, Studenten und Unternehmen sollen künftig freien Zugang zu allen öffentlich geförderten wissenschaftlichen Studien in der EU bekommen. Frei zugängliche Artikel und Daten machten es Forschern und Firmen leichter, die Ergebnisse zu nutzen und die Wissenschaft voranzubringen, teilte die EU-Kommission am Dienstag bei der Präsentation ihres Vorschlags in Brüssel mit.
Der Steuerzahler habe schon aus Prinzip ein Recht auf diese Daten, sagte die für Digitales zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes: "Man zahlt für die Forschung - dann sollte man auch Zugriff auf die Ergebnisse haben."
Die EU unterstützt damit einen Vorstoß der Regierung Großbritanniens. David Willetts, britischer Hochschul- und Wissenschaftsminister, hatte am Montag Pläne vorgestellt, wonach innerhalb von zwei Jahren alle aus öffentlich finanzierter Forschung hervorgegangenen Publikationen für jedermann frei zugänglich werden sollen.
Bibliotheken sollen keine Abos mehr abschließen
Laut Willetts sollen die Kosten, die die großen kommerziellen Verlage wie Reed Elsevier oder die Nature Publishing Group für das Begutachten, Publizieren oder die Veröffentlichung im Netz verlangen, dann durch die Forschungseinrichtungen und die Universitäten getragen werden. Zum Ausgleich bräuchten deren Bibliotheken dann keine kostenintensiven Zeitschriftenabonnements mit den Großverlagen mehr abschließen.
Aktuell machen renommierte wissenschaftliche Journale ihren Umsatz hauptsächlich mit den Abonnements, die sie mit Universitätsbibliotheken abschließen. Würden die Pläne der EU-Kommission oder auch der britischen Regierung umgesetzt, würde dies einen großen Wechsel für das Geschäftsmodell der Großkonzerne bedeuten.
Parallel setzen immer mehr Verlage und auch Universitäten auf das Prinzip des Open Access: Wissenschaftlicher Inhalt wird frei und kostenlos im Internet zur Verfügung gestellt. Die großen Open-Access-Verlage, wie etwa die Public Library of Science (PLoS), prüfen ihre Inhalte zwar nach demselben Verfahren wie konventionelle Herausgeber. Ihre Verwaltungskosten legen die Open-Access-Magazine jedoch auf die jeweiligen Autoren um, sofern diese nicht ein Sponsor übernimmt.
Junge Forscher in der Klemme
Viele Wissenschaftler gehen allerdings nicht davon aus, dass sich an der gängigen Praxis des Publizierens schnell etwas ändert: Schließlich schreiben sie ihre Artikel, für die sie oft jahrelang geforscht haben und in die viel Steuergeld geflossen ist, um diese dann auch in einer möglichst häufig zitierten, angesehen Fachzeitschrift zu veröffentlichen. Viele dieser Zeitschriften werden noch von den großen Wissenschaftsverlagen wie Elsevier verlegt. Gerade junge Wissenschaftler könnten es sich nicht leisten, nicht bei den renommierten Verlagen zu veröffentlichen.
Doch die Versuche, die Marktmacht der großen Verlage zu brechen, nehmen zu. Im März protestierten 8000 Wissenschaftler aus aller Welt gegen die aktuellen Bedingungen des wissenschaftlichen Publizierens. Auf der Seite thecostofknowledge.com erklären sie, dass sie nicht mehr mit Elsevier zusammenarbeiten wollen, darunter etwa 1500 Mathematiker.
Im Mai sorgte diemathematische Fakultät der Technischen Universität München (TUM) für hitzige Debatten. Die Fakultät hatte sich entschieden, ein Abo-Paket des Elsevier-Verlags zu kündigen. "Aufgrund unzumutbarer Kosten und Bezugsbedingungen hat das Direktorium des Zentrums Mathematik beschlossen, alle abonnierten Elsevier-Zeitschriften ab 2013 abzubestellen", hieß es auf der Webseite. Damit war die nächste Stufe eines seit langem schwelenden Konflikts zwischen Unis, Bibliotheken, Forschern und dem Verlag erreicht.
Der Verlag reagierte mit einem offenen Brief auf den Protest: Einige Fakten würden falsch interpretiert, steht darin - trotzdem würde die Petition sehr ernst genommen.
Die EU-Kommission gibt sich unbeeindruckt. Die Umstellung auf Open Access solle von 2014 an nach und nach umgesetzt werden - und zwar für Projekte, die von der EU oder vom Staat finanziert werden. Bis 2016 sollen 60 Prozent der veröffentlichten Ergebnisse in Europa frei zugänglich sein.