Sexualwissenschaft Die wichtigsten Erkenntnisse zur Pädophilie

Woran erkennen Menschen, dass sie pädophil sind? Wie lässt sich Pädophilie therapieren? Ist es möglich, die Störung per Hirnscan zu diagnostizieren? Das sind die Erkenntnisse der Sexualforschung.

Was ist Pädophilie?

Der Begriff Pädophilie bezeichnet die Neigung, sich sexuell zu Kindern hingezogen zu fühlen, die noch nicht die Pubertät erreicht haben.

Von einer psychischen Störung sprechen Experten dann, wenn der Betroffene dauerhaft den Drang nach einer sexuellen Beziehung zu Mädchen oder Jungen verspürt und selbst über 16 Jahre alt ist. Von Seiten der Weltgesundheitsorganisation  wird Pädophilie als Störung der Sexualpräferenz eingeordnet. Für die Diagnose Pädophilie muss kein Straftatbestand vorliegen. Der Arzt oder Psychotherapeut kann sie auch dann stellen, wenn der Betroffene seine sexuellen Phantasien zwar nicht auslebt, sich durch seine Gedanken aber selbst stark beeinträchtigt fühlt.

Wie entsteht Pädophilie?

Darüber sind sich Forscher noch immer nicht einig. Zwar vermutete schon der Psychiater Richard von Krafft-Ebing, der 1886 den Begriff der Pädophilia erotica prägte, eine biologische Ursache hinter der Störung. Doch zahlreiche Untersuchungen bei pädophilen Männern erlauben keine eindeutigen Schlüsse. Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass entwicklungsbiologische, psychische, aber auch soziale Faktoren für die Entstehung von Pädophilie eine Rolle spielen.

Sind alle Täter, die einmal Kinder missbraucht haben, pädophil?

Nein. Nicht jeder, der ein Kind missbraucht, ist zwangsläufig pädophil. Auch Männer, die eigentlich erwachsene Sexualpartner bevorzugen, können sexuelle Übergriffe gegenüber Kindern begehen - etwa wenn ihnen altersgemäße Kontakte fehlen oder nicht möglich sind. Experten sprechen dann von sogenannten Ersatz- oder Gelegenheitstätern. Diese Unterscheidung ist unter anderem deshalb von Bedeutung, weil beide Tätergruppen unterschiedlich therapiert werden. Bei Ersatztätern zielt die Therapie auch darauf ab, die Kontakte zu Erwachsenen zu verbessern. "So eine Strategie kann bei jemandem, dessen sexuelles Interesse sehr stark und ausschließlich auf Kinder fixiert ist, auch ins Leere laufen", sagt Peer Briken, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung . Mit einer Person aus dieser Gruppe erarbeiten Therapeuten dagegen zum Beispiel Verhaltensregeln, die ihr helfen sollen, Kontakte zu Kindern ganz zu vermeiden.

Wann wird den Betroffenen klar, dass sie dieses sexuelle Interesse haben?

"Bei Personen mit einem stark fixierten sexuellen Interesse an Kindern ist das oft schon im Laufe der Jugend", so Briken. Wenn sich in der Pubertät das sexuelle Interesse entwickelt, orientiert sich der Mensch an altersgleichen Partnern. Der erste Schwarm in der Schule ist meist auch noch ein Kind. Doch während dann die anderen Menschen die Wahl ihres Schwarms ihrem Alter und dem jeweiligen Sexualpartner anpassen, interessiert sich eine pädophile Person weiterhin für Kinder.

"Es gibt aber durchaus auch Personen, die berichten, dass ihr sexuelles Interesse an Kindern erst im Laufe des Erwachsenenalters aufgetreten ist", sagt Briken. "Zum Beispiel nachdem sie mit kinderpornografischem Material in Verbindung gekommen sind oder im Zusammenhang mit konflikthaften Lebensereignissen oder Lebensphasen."

Ist es möglich, per Hirnscan Pädophile von Nicht-Pädophilen zu unterscheiden?

Kieler Forscher führten 2012 eine Untersuchung  mit Hilfe der Magnetresonanztomografie durch. Sie präsentierten den Probanden dafür Bilder von Kindern und Erwachsenen und erfassten dabei verschiedene Arten von Reaktionen. Sie wollten so herausfinden, wie sich die Aktivität bestimmter Hirnregionen bei den Versuchspersonen ändert. Das Ergebnis: Die Hirnaktivität von Pädophilen unterschied sich von derjenigen Nicht-Pädophiler beim Betrachten von Bildern nackter Kinder und Erwachsener in weiten Teilen des Gehirns.

"Dabei handelt es sich aber um Grundlagenforschung", kommentiert Briken. "Diese Studie sollte auf keinen Fall so verstanden werden, dass mit Hilfe von Hirnscans die Diagnose einer pädophilen Störung gestellt werden kann oder darf." Vor Gericht seien diese Methoden nicht zugelassen, und auch ein Einsatz in Therapie und Forschung setze die Zustimmung der Untersuchten voraus.

Ist Pädophilie therapierbar?

Bei manchen Personen besteht das pädophile Interesse ein Leben lang, bei anderen gibt es Veränderungen im Laufe der Zeit. In Präventionsprogrammen werden diese Personen darin unterstützt, keine Übergriffe Kindern gegenüber zu begehen. Betroffene lernen Verhaltensregeln, wie sie Risikosituationen erkennen und vermeiden können. Außerdem können Ärzte auch Medikamente verschreiben, die die sexuelle Dranghaftigkeit dämpfen.

Wie häufig kommt Pädophilie in Deutschland vor?

Schätzungen von Forschergruppen dazu fallen sehr unterschiedlich aus und reichen von 50.000 bis 200.000 Personen. Häufig findet sich auch die Angabe, dass circa ein Prozent der männlichen, erwachsenen Bevölkerung pädophile Neigungen hat. Hochgerechnet auf Deutschland sind das etwa 250.000 Männer.

Ist Pädophilie strafbar?

Zunächst beschreibt Pädophilie ein sexuelles Interesse, das sich in der Gedankenwelt eines Menschen abspielt. Ein Mensch kann durchaus als pädophil diagnostiziert sein, aber nicht gegen das Gesetz verstoßen. Erst wenn derjenige seine Empfindungen in die Tat umsetzt, gerät er mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt. Sexueller Missbrauch von Kindern  wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer sexuelle Handlungen an einem Kind unter 14 Jahren "vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt". Auch wer ein Kind dazu bringt, "sexuelle Handlungen an einem Dritten" vorzunehmen oder "von einem Dritten an sich vornehmen" zu lassen, macht sich strafbar. Ebenso illegal ist es, Kinder mit pornografischen Abbildungen oder Tonträgern oder entsprechendem Reden zu belästigen.

Gibt es auch weibliche Pädophile?

Ja, allerdings sind es nach aktuellen Erkenntnissen sehr wenige. Schätzungen geben an, dass auf eine pädophile Frau etwa 100 Männer mit entsprechender Neigung kommen. "Gelegentlich kommen auch Frauen mit einer solchen Problematik in die Therapie", sagt Briken, der am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf das Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie leitet. Er vermutet, dass sich sexuelle Interessen von Frauen an Kindern anders ausdrücken könnten als bei Männern.

Was können Menschen tun, die glauben, pädophil zu sein?

Erst einmal sollten sie sich professionelle Hilfe suchen und prüfen lassen, ob bei ihnen eine solche sexuelle Problematik vorliegt. Ist dies tatsächlich der Fall, können diese Personen therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen. Kostenlose Beratung und Therapie unter Schweigepflicht bietet zum Beispiel das Netzwerk "Kein Täter werden"  an unterschiedlichen Standorten an, unter anderem in Berlin, Hamburg und Regensburg. Eine Liste aller Standorte ist im Internet  verfügbar.

dal/nik
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