Pandemie im Mittelalter
Die Pest kam aus dem Osten nach Europa
Im Mittelalter löschte die Pest die Bevölkerung ganzer Landstriche aus, Millionen Menschen starben am Schwarzen Tod. Woher kam die Seuche? Genforscher sind Patient Nummer eins jetzt ganz nahe gekommen.
Pestopfer im LWL-Museum für Archäologie in Herne: Das Bakterium lässt sich auch nach Jahrhunderten in den Zähne der Opfer aufspüren
Foto: Fabian Strauch/dpa
Begonnen hatte alles mit einem harmlosen Darmbakterium, das bei Menschen kaum Beschwerden verursachte. Doch zwei Gen-Veränderungen reichten aus, und Yersinia pestis wurde eine der tödlichsten Krankheiten der Welt - die Pest war geboren.
Allein im 14. Jahrhundert erlagen dem Schwarzen Tod etwa 50 Millionen Europäer. Doch woher kam der Erreger, der bei der sogenannten zweiten Pestpandemie teils bis zu 60 Prozent der Bevölkerung dahinraffte?
Ursprung der Pandemie zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert war offenbar ein einziger Erregerstamm, berichten Forscher vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena im Fachblatt "Nature Communications". "Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Yersinia pestis von Osten her nach Europa gelangte", sagt Studienautorin Maria Spyrou.
Das Pestgenom steckte in den Zähnen der Toten
Für die Analyse hatten die Forscher die Zähne von 34 Pestopfern aus ganz Europa untersucht, sie stammten aus England, Frankreich, Deutschland, Russland und der Schweiz. In den Zähnen lagern sich oft Krankheitserreger ab, gleichzeitig ist hier Genmaterial besonders gut erhalten - auch das der Pest.
Im Labor konnten die Forscher die Pestgene isolieren und analysieren. Der Vergleich zeigte, dass sich die einzelnen Stämme erstaunlich ähnelten und alle auf einen Ursprung zurückgehen. In der Studie konnte er bis zu zwei Individuen zurückverfolgt werden, die in Laischewo gefunden wurden, einem Ort in der heutigen Wolga-Region Russlands. Ob der Erreger hier entstanden ist, können die Forscher aber nicht sagen.
Als die Pest nach Europa gelangte, entwickelten sich zwei Stränge. Die Krankheit verebbte aber immer mal wieder. Einer früheren genetischen Studie zufolge ist der Pesterreger im Laufe der Geschichte häufiger von Nagetieren auf den Menschen übergegangen und hat Pandemien ausgelöst. In welchem Wirt er so lange überlebt hat, ist allerdings nicht sicher, womöglich waren es Flöhe.
Andere Analysen gehen dagegen davon aus, dass die Bakterien wiederholt über Zentralasien nach Europa eingeschleppt wurden. Die aktuelle Untersuchung lieferte keine neuen Beweise für diese Theorie, ausschließen lässt sie sich dadurch jedoch nicht. Womöglich breitete sich die Pest über beide Wege in Europa aus.
Noch immer gibt es weltweit Varianten des Bakteriums. Die nun untersuchten Stämme scheinen jedoch ausgestorben zu sein. Zumindest sind keine heutigen Erreger dieser Linie bekannt. Eine große Pandemie ist heutzutage ohnehin unwahrscheinlich, weil sich der Pesterreger mit Antibiotika bekämpfen lässt.
Die beiden inzwischen ausgestorbenen Pesterreger-Stränge wiesen beide Veränderungen an einem Teil des Erbguts auf, die steuern, wie ansteckend die Bakterien sind. Die Forscher wollen nun klären, ob die Genveränderungen dafür gesorgt haben könnten, dass die Erreger schließlich ausstarben.
Frühere Genanalysen haben gezeigt, dass die Pest die Menschheit schon seit Tausenden Jahren plagt. Die ältesten nachgewiesenen Erreger stammen aus der Bronzezeit und sind 5000 Jahre alt. Damals war er jedoch noch nicht so gefährlich für den Menschen. Erst im ersten Jahrtausend vor Christus schaffe es der Erreger offenbar, Flöhe als Zwischenwirte zu nutzen und über sie beim Menschen die gefürchtete Beulenpest auszulösen.