Plastikabfall So verändert China die weltweiten Müllströme

Plastikmüll wird hin und her über die Erde geschippert. Die größte Menge weltweit importierte bis vor Kurzem China. Doch das Land hat die Notbremse gezogen. Das bietet Chancen für die Recyclingwirtschaft in Deutschland.
Arbeiterinnen in einer Recyclinganlage in China (Archivbild)

Arbeiterinnen in einer Recyclinganlage in China (Archivbild)

Foto: NICOLAS ASFOURI/ AFP

Joghurtbecher, Wasserflaschen, Tüten: Millionen Tonnen an wertvollem Plastikmüll werden jährlich um die Welt transportiert. Doch ausgerechnet der bisherige Importweltmeister China hat die Reißleine gezogen und seit Anfang dieses Jahres einen Einfuhrstopp verhängt. Das hat auch Auswirkungen auf Deutschland, das bislang mehr als zehn Prozent seiner Kunststoffabfälle nach China verkaufte.

Weltweit wird etwa die Hälfte des Plastikmülls, der zur Wiederverwertung gedacht ist, exportiert. 2016 haben 123 Länder insgesamt 14,1 Millionen Tonnen Plastikmüll versendet, wie US-Forscher im Fachjournal "Science Advances"  schreiben. Das sei mehr, als in den Ozeanen lande, wohin jährlich je nach Schätzung vier bis 13 Millionen Tonnen Plastik gelangen. Etwa die Hälfte des Weltexports an gebrauchten Kunststoffen ging demnach 2016 nach China - mehr als sieben Millionen Tonnen.

"Plastikmüll war einst ein ganz profitables Geschäft für China, weil es den recycelten Plastikmüll nutzen oder weiterverkaufen konnte", so Erstautorin Amy Brooks von der University of Georgia in Athens. "Aber eine große Menge des Plastiks, das China in den vergangenen Jahren bekam, hatte eine schlechte Qualität, und es wurde schwer, daraus einen Gewinn zu erzielen." Zudem habe China selbst immer mehr Plastikmüll produziert und sei daher nicht mehr angewiesen auf Plastik aus dem Ausland. Gleichzeitig gibt es immer mehr chinesische Patente auf Techniken zum Recycling und zur Abfallverwertung.

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Es sei schon bisher für viele Länder schwer gewesen, mit ihrem Plastikmüll umzugehen, meint Co-Autorin Jenna Jambeck. Mit Chinas Einfuhrstopp kämen für die restlichen Länder nochmal zehn bis 13 Prozent Plastikmüll hinzu. "Daher brauchen wir bessere nationale Recycling-Programme und müssen unsere Nutzung von Plastikprodukten und deren Design überdenken, wenn wir verantwortlich mit diesem Müll umgehen wollen", sagt Jambeck.

Bislang wurden nach Studienangaben weltweit ohnehin nur neun Prozent des jemals entstandenen Plastikmülls von 6,3 Milliarden Tonnen recycelt. Das meiste Plastik sei auf Müllkippen oder in der Natur gelandet. Nach dem chinesischen Importstopp bestehe die Gefahr, dass sich dies verstärke, insbesondere in armen Ländern Südostasiens.

Ein internationales Abkommen zum Management von Plastikmüll sei wichtiger denn je, schreiben die Autoren. Es sei auch denkbar, Plastikmüll in das Baseler Übereinkommen zur Kontrolle grenzüberschreitender gefährlicher Abfälle aufzunehmen und so international besser zu managen. Zudem könnten andere Länder, die Plastikmüll importieren, eine Steuer darauf erheben, mit der dann Recyclinganlagen gebaut würden.

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Noch im Jahr 2016 habe Deutschland 850.000 Tonnen Kunststoffabfälle nach China exportiert, sagt Thomas Probst vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung. Diese Menge bleibe nach dem Importstopp nun aber bei weitem nicht komplett in Deutschland. "Denn China hat vor einigen Wochen den Markt für Kunststoffe wieder aufgemacht, da es Material benötigt", sagte Probst. So könne Deutschland auch 2018 grob geschätzt 200.000 bis 400.000 Tonnen an bestimmten Plastikmüllsorten nach China exportieren.

Zudem gelange Kunststoff aus Deutschland nun vermehrt nach Vietnam, Malaysia oder Indonesien, wo es etwa zu Granulaten verarbeitet werde - und wo weniger strenge Gesundheits- und Umweltauflagen herrschten. "Diese Recyclate werden anschließend nach China verschifft und dort zu Kunststoffteilen verarbeitet", sagt Probst. Auf solche Granulate gebe es keinen Importstopp.

Innerhalb Europas werde Deutschland mehr und mehr zur Auffangstation für Kunststoffmüll - beispielsweise für Plastik aus Großbritannien. Nach Daten der US-Studie war Deutschland im Zeitraum 1988 bis 2016 der viertgrößte Exporteur von Plastikmüll - nach China, den USA und Japan. Es habe in der Zeit rund 18 Millionen Tonnen im Wert von sieben Milliarden Dollar verkauft. Zugleich habe das Land aber auch 5,4 Millionen Tonnen Kunststoffabfall im Wert von 2,3 Milliarden Dollar importiert.

Deutschland verarbeite nun vor allem den recht sauberen Plastikmüll - inzwischen fast nur noch solchen mit einem Fremdstoffanteil von fünf bis zehn Prozent, erläutert Probst. Stärker verunreinigter Plastikabfall werde von hier aus etwa nach Bulgarien, Polen oder Rumänien exportiert, wo die Löhne für das Sortieren und auch die Umweltauflagen geringer seien.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern hatte Deutschland nach China kaum stark verschmutzten Plastikmüll verkauft, stattdessen etwa viel Polyethylen. "Der Kunststoffmüll, der nach China exportiert wurde, kam mehrheitlich aus dem Gewerbe, nicht aus der Gelben Tonne. Das waren etwa Plastikfolien aus Polyethylen, die um große Transportpaletten herumgewickelt werden", sagt Benjamin Bongardt, Leiter Ressourcenpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

In Deutschland selbst entstanden 2015 nach Angaben des Umweltbundesamtes knapp sechs Millionen Tonnen Kunststoffabfälle. 46 Prozent seien wiederverwertet worden. 53 Prozent wurden "thermisch verwertet" - also in Müllverbrennungsanlagen sowie Zement- oder Kraftwerken verbrannt. Peter Kurth, Verbandsvorsitzender der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE), sagte nach der Verhängung des chinesischen Importstopps, er gehe davon aus, dass dadurch sogar 65 bis 70 Prozent des deutschen Altplastiks verbrannt würden.

Die Sortieranlagen in Deutschland seien in den vergangenen Jahren besser geworden, das Dreckproblem im Plastikmüll - also sonstige Abfälle - generell aber noch nicht gelöst, sagt Probst. "Es landet immer mehr Dreck in der Gelben Tonne." Viele Kommunen stellten nur noch relativ kleine Restmülltonnen auf oder hätten den Abholrhythmus verringert. "Deshalb geben immer mehr Menschen den Müll in die Gelbe Tonne."

Nach Nabu-Angaben hilft neben dem Importstopp von China auch das neue Verpackungsgesetz der Recyclingwirtschaft in Deutschland. Durch das Verpackungsgesetz, das Anfang 2019 in Kraft tritt, soll die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen von bisher geforderten 36 Prozent bis zum Jahr 2022 auf 63 Prozent ansteigen.

Hersteller sollten nun mehr Recyclingkunststoffe nutzen, fordern Bongardt und Probst. Einig sind sich Nabu und Recyclingwirtschaft auch darin, dass die Wiederverwertbarkeit von Produkten finanziell gefördert werden sollte. Je besser ein Produkt recycelt werden kann, desto weniger Lizenzgebühren sollte der Hersteller für Verwertungssysteme zahlen, etwa für den Grünen Punkt, fordert Bongardt.

Die Hersteller müssten viel mehr tun, um ihr Plastik recyclingfähiger zu machen, beispielsweise weniger bunte Flaschen produzieren: "Man kann etwa PET als Kunststoff gut recyceln. Es kommt aber auch auf Farben, Weichmacher und Metalle an, die darin sind."

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Der Verbraucher habe viel Macht im Kampf gegen Plastikmüll - und zwar auch, aber nicht nur beim Einkauf, so Bongardt. So stecke in der Kleidung viel Plastik - etwa in Fleecejacken und T-Shirts aus Polyester - obwohl es beides auch aus Baumwolle gebe. Er empfiehlt zudem Mehrwegflaschen. Selbst die 1,5-Liter-Wasserflaschen vom Supermarkt würden nur zu einem Drittel wieder zu Flaschen recycelt. Der Rest gehe ins Downcycling und werde zu anderen Produkten, etwa Kleidung oder harten Obstschälchen im Supermarkt.

Allerdings müssen Verbraucher auch beim Verzicht auf Plastik gut aufpassen. Das zeigt sich zum Beispiel bei den Plastiktüten, deren Gebrauch in Deutschland zuletzt stark zurückgegangen ist. Allerdings ist es so, dass auch die Öko-Bilanz angeblich umweltschonender Alternativen wie Tüten aus Papier oder Bio-Baumwolle negativ sein kann.

Simone Humml, dpa/chs
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