Prognose CO2-Abscheidung könnte Kohlekraftwerke unrentabel machen
Als Strommanager hat man es nicht leicht: Über die Zukunft der Atomkraft will derzeit kaum jemand laut reden - zu frisch sind noch die Erinnerungen an den PR-Gau nach den Zwischenfällen in AKW Brunsbüttel und Krümmel. Und auch die Kohlekraft, mit der in Deutschland immerhin die Hälfte des Stromes erzeugt wird, hat ein Problem: das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Aber zumindest hier gibt es Hoffnung - das sogenannte emissionsfreie Kohlekraftwerk. Das CO2 soll im Kraftwerk aufgefangen, abtransportiert und zum Beispiel in einem unterirdischen Speicher gelagert werden - dauerhaft.
Verfügbar ist die Technik, mit der CO2-Schleudern zu Klimarettern mutieren sollen, freilich noch nicht. Derzeit laufen nur verschiedene Versuche mit Kleinanlagen. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Bundestags (TAB) geht davon aus, dass die CO2-Abscheidung frühestens 2020 großflächig eingesetzt werden kann. Laut einer neuen Studie des TAB dürften sich die Stromerzeugungskosten in Kohlekraftwerken dadurch fast verdoppeln; von drei bis vier auf fünf bis sieben Cent pro Kilowattstunde.
Diese Kostensteigerung um einige Cent pro Kilowattstunde wird sich auch auf den Stromrechnungen wiederfinden - sie ist der Preis des Kampfes gegen den Klimawandel, den Unternehmen wie Privatkunden wohl zahlen müssen. Die Frage ist jedoch, ob die Kohlekraft dadurch nicht unrentabel wird. Denn TAB-Experte Reinhard Grünwald rechnet damit, dass die meisten heute noch eher teuren erneuerbaren Energiequellen in 20 Jahren auf einem ähnlichem Preisniveau liegen wie die dann CO2-freie Kohlekraft.
Harte Konkurrenz durch Biomasse
"Wasser, Wind sind bereits zum Teil heute in dem Bereich, Geothermie und Biomasse werden bis 2020 in diesem Bereich geraten", sagte Grünwald im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Emissionsfreie Kohlekraftwerke seien nicht konkurrenzlos, sie müssten sich im Wettbewerb mit anderen Technologien zur CO2-armen Stromerzeugung behaupten, heißt es in der Studie, die SPIEGEL ONLINE vorliegt.
Grünwald wies darauf hin, dass die CO2-Abscheidung nur dann wirtschaftlich ist, wenn das Freisetzen des Klimagases Geld kostet - Stichwort Handel mit Emissionsrechten. Die Einsparungen müssten bei etwa 30 bis 40 Euro pro Tonne CO2 liegen. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung rechnet für die Abscheidung des Klimagases mit Kosten von 26 bis 37 Euro pro Tonne CO2. "Das ist der größte Kostenblock", erklärte Grünwald. Dazu kämen noch Transport und Lagerung.
Trotz aller Forschungsanstrengungen ist die CO2- Sequestrierung aber weiter mit einigen Unsicherheiten behaftet. "Technologisch ist das Ganze noch längst nicht gelöst", sagte Jürgen Metzger, Chemiker an der Universität Oldenburg, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, und verwies auch auf die Lagerung unter der Erde. "Man muss das ja sicher verschließen, denken sie nur an das jüngste Erdbeben im Saarland." Zudem sei die Abscheidung bisher nur im Kleinen getestet worden.
Metzger verwies zudem auf den hohen Energieaufwand für das Auffangen des Treibhausgases, dieser steige um 20 Prozent. Die Kraftwerke müssten einen Teil des erzeugten Stroms dafür aufwenden, klimafreundlich zu sein. Dies senkt ihre Effizienz deutlich. Metzger zweifelt auch an, ob es überhaupt gelingt, das CO2 kostengünstig einzufangen: "20 Euro pro Tonne - das ist viel zu optimistisch kalkuliert", sagte er. In der Tat handelt es sich bei den 26 bis 37 Euro, mit denen das TAB rechnet, um eine Prognose, die auf Schätzungen verschiedener Wissenschaftler basiert.
Es gibt mehrere verschiedene technische Konzepte für CO2-freie Kraftwerke. Für die dauerhafte Lagerung des Kohlendioxids kommen laut TAB vor allem alte Erdöl- oder Gaslagerstätten sowie spezielle geologische Formationen, so genannte Aquifere, in Frage. Die Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung in Berlin wurde bisher nur dem Forschungsausschuss des Bundestags vorgestellt.
mit Material von AP