Soziale Netzwerke Neue Freunde verdrängen alte Freunde

Steigt mit dem Alter die Zahl enger Freunde? Eine Studie mit Studenten zeigt, dass sich persönliche Netzwerke in ihrer Struktur kaum verändern. Kommen neue Freunde hinzu, müssen die alten weichen - die Zahl enger Kontakte bleibt konstant.
Beste Kumpel: Zahl enger Beziehungen ist konstant

Beste Kumpel: Zahl enger Beziehungen ist konstant

Foto: Corbis

"Gute Freunde kann niemand trennen", sang 1966 Franz Beckenbauer . Eine nun im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences"  veröffentlichte Studie nährt jedoch Zweifel an dem Schlagertext: Ein Mensch könne nur wenige enge Freunde haben, berichten Robin Dunbar von der University of Oxford und seine Kollegen. Und bei diesen nahen Vertrauten komme es immer wieder zu Verschiebungen. Ein neu hinzukommender guter Freund verdränge bisherige enge Freunde.

Robin Dunbar gilt als Koryphäe der Erforschung menschlicher Netzwerke. 1992 untersuchte er den Zusammenhang von Gehirnvolumen und der Größe von Primatengruppen. Das menschliche Gehirn ist demnach für eine Gruppe von etwa 150 Individuen ausgelegt, was in etwa einer Dorfgemeinschaft entspricht. Menschen müssten demnach etwa 150 Freunde haben.

Analysen sozialer Netzwerke wie Facebook bestätigen diese sogenannte Dunbar-Zahl  - zumindest in der Größenordnung. "Die typische Anzahl der Freunde liegt bei 200", sagt der Forscher. Der Wert schwanke zwischen 100 bis 250. Und die Zahl der Menschen, mit denen man via Facebook tatsächlich interagiere, sei kleiner.

In der nun veröffentlichten Studie hat Dunbars Team untersucht, wie sich das Netzwerk besonders enger Freunde im Laufe der Zeit entwickelt und verändert. Die Wissenschaftler analysierten dazu Telefonverbindungsdaten von 24 britischen Schülern über einen Zeitraum von 18 Monaten und befragten sie zudem über ihr Freundesnetzwerk. In den ersten sechs Monaten der Untersuchung besuchten die Teilnehmer noch die Schule - danach wechselten sie an eine Universität oder begannen zu arbeiten. In jedem Fall änderte sich im Laufe der Studie ihr persönliches Umfeld.

Viele Freunde - aber nur wenige enge Beziehungen

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Facebook-Daten: Wer spricht wann über was?

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Die Telefondaten offenbarten, wer wen wie oft und wie lange angerufen hatte. Dabei stellten die Forscher fest, dass es nur wenige Freunde gab, die regelmäßig und auch länger angerufen wurden. Und diese häufig Angerufenen entsprachen genau den Freunden, welche die Studienteilnehmer auf Fragebögen als ihre besten Freunde angegeben hatten. "Die Telefondaten erlauben Rückschlüsse auf die emotionale Nähe", konstatieren die Forscher. Sie nutzten die Verbindungsdaten daher als Indikator für die Intensität der persönlichen Beziehung.

Ein genauer Blick in die Daten brachte spannende Erkenntnisse: Frauen führten im Schnitt 25 Prozent aller Telefonate mit ihrer engsten Freundin oder ihrem engsten Freund, bei Männern lag der Wert bei 20 Prozent. Für die drei besten Freunde verwendeten Frauen sogar 48 Prozent aller Gespräche, Männer 40 Prozent. Eine kleine Zahl besonders enger Freunde werde überproportional häufig angerufen, erklären die Wissenschaftler.

Viel Bewegung im Netzwerk

Besonders interessant dabei war die zeitliche Entwicklung. Im Laufe der 18 Monate kam es zu großen Verschiebungen in den Freundeskreisen. Von den ursprünglich 20 engsten Freunden einer Person, ermittelt über die Telefondaten, waren bereits sechs Monate später durchschnittlich 41 Prozent durch andere Personen ersetzt.

An der Struktur des Netzwerks änderte das jedoch kaum etwas, wie die Forscher feststellten. "Sobald jemand Neues ins Netzwerk kommt, werden bisherige Mitglieder ersetzt oder weniger oft angerufen", sagt Robin Dunbar. Der Psychologe führt das auf die begrenzte Zeit zurück, die Menschen zum Telefonieren zur Verfügung steht, und auf den großen kognitiven und emotionalen Aufwand, den enge persönliche Beziehungen erfordern.

"Obwohl soziale Kommunikation heute leichter ist als je zuvor, scheint unsere Kapazität, enge emotionale Bindungen zu haben, begrenzt zu sein", sagt Felix Reed-Tsochas von der University of Oxford. Neue Freundschaften gingen zu Lasten bestehender Beziehungen.

Dunbar sieht in der neuen Studie keinen Widerspruch zu seiner Theorie über die mittlere Anzahl von Freunden. "Hinter der Dunbar-Zahl verbergen sich eigentlich eine ganze Reihe von Zahlen, die quasi verschiedene Schichten bilden", erklärt der Psychologe. Menschen hätten im Schnitt 5 sehr intime Freunde, wozu auch die Familie gehöre. Dazu kämen etwa 15 enge Freunde und 50 gute Freunde. Die Summe aller Freunde summiere sich dann auf rund 150. Und schließlich nennt Dunbar noch die Zahl von 1500 - die mittlere Anzahl der Bekannten, die eine Person habe.

Die wirklich wichtigen Freunde jedoch kann man an einer Hand abzählen.

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