Psychologie Schneller Profit schlägt Weltrettung

Sollte man heute investieren, um kommenden Generationen einen intakten Planeten zu hinterlassen? Oder ist mehr Geld in der eigenen Tasche reizvoller? Ein Experiment verdeutlicht, wie Menschen sich bei dieser Wahl entscheiden. Für den Umweltschutz ist es keine gute Nachricht.
Psychologisches Experiment: Welt retten oder Geld einstecken?

Psychologisches Experiment: Welt retten oder Geld einstecken?

Foto: Corbis

"Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir": Nicht nur Eltern, auch Politiker dürften diesen Satz vieltausendfach ausgesprochen haben. Doch mit einem Spiel haben Klimaforscher nun gezeigt, wie gering die Bereitschaft ist, für Vorteile künftiger Generationen auf eigene Gewinne zu verzichten.

Von elf Gruppen habe keine ein anvisiertes Spendenziel erreicht, bei dem es um eine langfristige Investition ging, berichten Forscher zweier Max-Planck-Institute zusammen mit Kollegen aus den USA und Kanada im Fachjournal "Nature Climate Change" . "Das Ergebnis unseres Experiments zeichnet ein düsteres Bild von der Zukunft", sagt Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön.

Das Experiment habe auf einem Essay des Wirtschaftsnobelpreisträgers Thomas Schelling aus dem Jahr 1995 aufgebaut, sagt Milinski. Schelling schreibe, dass die heutige Generation Anstrengungen zum Klimaschutz aufbringen müsse - aber erst künftige Generationen davon profitierten. Die Motivation der heutigen Akteure sei daher gering.

Für das Experiment hatte das Team um Jennifer Jacquet von der New York University das in der Verhaltensforschung oft verwendete "Public-Goods-Game" angepasst: Jeder Spieler erhielt 40 Euro und entschied über zehn Runden, wie viel er behalten oder spenden wollte. Gespendetes Geld wird verdoppelt. Nicht gespendetes kann man sofort nach dem Experiment behalten. Es gibt also Anreize für beide Verhaltensweisen.

Das gespendete Geld sollte - als simulierte Investition in den Klimaschutz - in eine Anzeigenkampagne über den Klimawandel fließen. Gruppen, die mehr als die Hälfte des Kapitals spendeten, wendeten den Klimawandel symbolisch ab und bekamen zudem 45 Euro je Teilnehmer.

Wer will schon ein Bäumchen pflanzen?

Dass der Nutzen des Klimaschutzes erst verzögert sichtbar wird, haben die Forscher mit drei Szenarien simuliert: Den Spielern wurde ihr Vermögen bei Erreichen des Ziels entweder am Tag nach dem Experiment (Szenario 1), sieben Wochen später (Szenario 2) oder gar nicht (Szenario 3) ausgezahlt.

Die Beträge wurden im dritten Szenario für das Pflanzen von Eichen aufgewendet - in eine Klimaschutzmaßnahme also, da die Bäume das Treibhausgas Kohlendioxid aufnehmen. Doch statt der anvisierten 120 Euro flossen im Mittel nur 57 Euro auf das Klimakonto. Keine der elf Gruppen erreichte das Spendenziel. Im ersten Szenario waren dagegen sieben, im zweiten vier von je zehn Gruppen erfolgreich.

"Leider konnten wir Schellings Voraussage bestätigen", sagt Milinski. "Es ist ein Desaster." Schon wenn das Erreichen eines gemeinsamen Ziels erst in einigen Wochen vergütet werde, seien Menschen weniger euphorisch und kooperativ. Wenn das Geld als Vorteil für zukünftige Generationen in Aussicht gestellt werde, erlahme die Bereitschaft zur Beteiligung noch mehr.

Kooperatives Verhalten beim Klimaschutz müsse stärker mit kurzfristigen Anreizen wie Belohnung oder gutem Ansehen verknüpft werden, schließen die Forscher. "Es reicht nicht, nur auf die Vorteile zu verweisen, die künftige Generationen haben werden", sagt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Der Klimaschutz müsse auch kurzfristig Gewinne mit sich bringen, etwa durch den Export klimafreundlicher Technologien.

wbr/dpa
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