Qualmende Kids Junge Raucher, junge Verlierer
Das Drittel macht Sorgen. Wahrscheinlich den Eltern, vielleicht der Gesellschaft, ganz sicher aber den Krankenkassen. "Natürlich verursacht das Rauchen Krankheiten, die das System dann hinterher viel Geld kosten", sagte Nina Waldheim von der Krankenkasse DAK. Eine Studie im Auftrag der DAK hat ergeben, dass 29 Prozent der Schülerinnen und 32 Prozent der Schüler zwischen 11 und 20 Jahren in Deutschland rauchen. "Mit dieser hohen Quote können wir nicht zufrieden sein", sagte Waldheim.
Gut die Hälfte des quarzenden Drittels raucht sogar täglich. Von diesen greift wiederum mehr als jeder zweite Junge binnen der ersten Stunde nach dem Aufstehen zur Zigarette. Zwölf Prozent der rauchenden Jungen stecke sich morgens gar innerhalb der ersten fünf Minuten einen Glimmstengel an. In höherem Maße als die Mädchen sind sie der Studie nach körperlich abhängig.
Mit gut 1700 Befragten aus allen Schulformen Schleswig-Holsteins sei die Studie "Rauchen im Jugendalter" für das Bundesland repräsentativ, "für die gesamte Bundesrepublik nicht - aber sie lässt Rückschlüsse zu", sagte Waldheim.
Wie tickt der jugendliche Raucher so?
Nicht ganz uneigennützig wollte die DAK erforschen, wie die jungen Raucher ticken. Die Studie - nach Waldheims Angaben gibt es bislang keine vergleichbaren Daten - zeigt, was die Raucher von anderen Jugendlichen und untereinander unterscheidet. Die Erkenntnisse sollen auch helfen, die Aufklärungskampagnen der Krankenkassen zu verbessern, die junge Patienten möglichst vom Glimmstengel fernhalten oder wenigstens davon wegbringen sollen.
Die Zielgruppe dafür ist groß: 54 Prozent der 11- bis 15-jährigen und 70 Prozent der 16- bis 20-jährigen Schülerinnen und Schüler im nördlichsten Bundesland haben in ihrem Leben schon mindestens eine Zigarette geraucht. Forscher wissen:
Schon eine Zigarette in der Kindheit verdoppelt die Wahrscheinlichkeit, im späteren Leben als Raucher zu enden. Von den etwa 30 Prozent, die gegenwärtig rauchen, bezeichnen sich selbst 22 Prozent als Raucher. Eigenschaften des jugendlichen Rauchers sind laut der Studie:
- Ihr soziales Umfeld - also Eltern, Geschwister und Freunde - konsumiert mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst Tabakprodukte als bei Nichtraucher-Jugendlichen. Besonders stark ist der Zusammenhang mit dem Rauchverhalten der eigenen Clique.
- Die Einstellung der Eltern zum Rauchen, die sich beispielsweise in häuslichen Rauchverboten ausdrückt, ist ebenfalls mit dem Verhalten der Jugendlichen assoziiert. Je laxer, desto eher raucht der Nachwuchs selbst.
- Rauchende Jugendliche geben außerdem an, an Schultagen mehr Zeit vor dem Fernseher und dem PC zu verbringen, schlechtere Zensuren zu haben, und sie bewerten ihre schulischen Leistungen und das Schulklima schlechter als gleichaltrige Nichtraucher.
- Gänzlich ins Bild vom rauchenden Verlierer scheint die Korrelation zwischen Rauchen einerseits und höherer Renitenz, sogenanntem Sensation Seeking und problematischem Alkoholkonsum zu passen. So bekennen sich die Raucher deutlich häufiger als die Nichtraucher zum Kampftrinken. Erst kürzlich hatte ein drastischer Fall in Berlin die Aufmerksamkeit von Suchtexperten auf die jugendliche Freude am Binge Drinking gelenkt.
Rauchen statt Essen
Rauchen sei "vom sozialen Umfeld beeinflusst", stellen die Autoren der Studie, drei Wissenschaftler des Kieler Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord), fest. In einer Gesellschaft, in der Drogenkonsum zur Kultur gehört, und etwa jeder zehnte Alkoholkonsument den Vollrausch sucht, lassen sich für das Rauchverhalten starke Einflussfaktoren feststellen.
Zu den überraschenden Ergebnissen der Studie zählt aber der Einblick, was rauchende Jungs und Mädchen unterscheidet: Deutlich häufiger als Jungs rauchen Mädchen demnach, um nicht zuzunehmen. Etwa die Hälfte der weiblichen Befragten macht sich regelmäßig Sorgen um das eigene Gewicht, gar 60 Prozent hätten gerne eine andere Figur. Rauchen scheint da allzu oft als kalorisch unproblematischer Appetitzügler zu fungieren.
Besorgt stellt die Krankenkassen-Studie fest: Bei 35 Prozent der Mädchen sei Rauchen ein Ersatz fürs Essen - allerdings gaben dies auch immerhin 22 Prozent der Jungs an. Mädchen rauchen der Studie zufolge auch häufiger aus psychischen Gründen, etwa um ihre Laune aufzuhellen.
Und während die Mehrzahl der jungen Raucher sich durchaus motiviert zeigte, mit dem Rauchen wieder aufzuhören, hat wenigstens knapp zwei Drittel erhebliche Probleme damit: Sie berichteten von erfolglosen Versuchen, vom Glimmstengel wegzukommen - durchschnittlich dreimal. Fiele es leicht, wäre es ja auch keine richtige Sucht.
stx/AFP/AP/dpa