Methodische Mängel Forscher kritisieren Genmais-Studie

"Gen-Mais nein danke": Protest gegen Gen-Mais auf Testfeld (11.06.12)
Foto: dapdHamburg - Tumore, Nierenschäden, Leberschäden: Gentechnisch veränderter Mais kann nach einer französischen Studie, erschienen im im Fachmagazin "Food and Chemical Toxicology ", Ratten krank machen. Die Forscher um Gilles-Eric Séralini von der Universität Caen hatten Ratten zwei Jahre lang mit der in Europa zugelassenen Maissorte NK 603 des Agrarkonzerns Monsanto, mit dem Herbizid Roundup oder mit Kontrollmais gefüttert. Ihr Ergebnis: Der gentechnisch veränderte Mais und das Herbizid hätten ähnliche Schäden verursacht.
Wegen zahlreicher methodischer Mängel steht die Untersuchung international stark in der Kritik. Unzählige Experten versuchen derzeit, die Ergebnisse zu überprüfen. Doch auch wenn noch nicht bekannt ist, wie aussagekräftig die Analyse ist, hat ihr Erscheinen Folgen: Nach Bekanntwerden der Studie hatte die französische Regierung verkündet, sie erwäge ein Verbot des Lebensmittels. Sollten sich die gesundheitlichen Gefahren bestätigen, werde sich Frankreich auf europäischer Ebene für ein Verbot dieser genveränderten Pflanzen einsetzen, sagte Premierminister Jean-Marc Ayrault. "Ich habe ein rasches Verfahren von einigen Wochen verlangt, um die wissenschaftliche Stichhaltigkeit dieser Studie zu überprüfen", sagte Ayrault.
Deutsche Behörden prüfen
Die zuständige Behörde in Deutschland, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), prüft aktuell die Ergebnisse der Studie, wie Nina Banspach SPIEGEL ONLINE bestätigt. Die Analyse erfolge gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung, erst im Anschluss könne man eine Bewertung abgeben, erklärt die Sprecherin. Dass in dieser Zeit die Kritiker der Grünen Gentechnik weiterhin Zweifel an der Sicherheit gentechnisch erzeugter Lebensmittel befördern könnten, sei nicht zu ändern.
Auch in Forschungsinstituten wie dem Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt wird derzeit ein Statement vorbereitet, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtet. Man sei aber sehr skeptisch, erklärt Michael Pfaffel. Die Befunde widersprächen den Erfahrungen aus einer eigenen Langzeitstudie mit Kühen .
Deutsche Biologen haben die Untersuchung nun scharf kritisiert. "Sowohl von der Auswahl der Tiere als auch vom statischen Ansatz her ist das Studiendesign nicht vertretbar", sagte der Vizepräsident des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBio), Diethard Tautz. Im VBio sind Wissenschaftler, Institute, aber auch Firmen zusammengeschlossen, die sich mit Biowissenschaften beschäftigen.
"Der Wirbel, den die Veröffentlichung ausgelöst hat, ist in keiner Weise angemessen, Forderungen nach sofortigen Konsequenzen können damit nicht begründet werden", ergänzte Tautz, der am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön bei Kiel forscht.
Mehr Zufall als Wissen
Nach Angaben des Verbandes VBio sind die aufgetretenen Tumore typisch für den verwendeten Rattenstamm, zudem sei die Zahl der Versuchstiere viel zu klein gewesen. In einer älteren Studie mit 3000 dieser Ratten sei etwa die Hälfte innerhalb von zwei Jahren an einem Tumor oder einer anderen von Séralini genannten Krankheit gestorben.
Zudem seien die Untergruppen von je nur zehn Tieren in der Studie zu klein für statistische Aussagen. "Die vorgelegten Daten deuten insgesamt darauf hin, dass nichts anderes als statistische Schwankungen in dem Experiment gemessen wurden", schreibt der VBio in einer Mitteilung. So habe die Studie keine Dosisabhängigkeit des Effekts gemessen.
Beispielsweise starben die männlichen Ratten, die eine geringeren Anteil an Genmais im Futter hatten, deutlich früher als die Kontrollgruppe. Aber die Rattenmännchen, die die höchste Dosis Genmais erhielten, lebten länger als die Kontrolltiere.
Der französische Forscher Séralini hat schon früher Studien veröffentlicht, die nahelegen, dass gentechnisch veränderte Futtermittel schädlich sind. Monsanto hat sich bisher nicht zum Studienergebnis geäußert.
Nach Angaben der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA ist die Maissorte NK 603 in der EU nicht zum Anbau, aber als Rohstoff zur Verarbeitung unter anderem in der Lebensmittelindustrie zugelassen. Zu der Studie wollte die Behörde zunächst nichts sagen, weil diese noch geprüft werde.