
Römisches Hafenbecken: Kaiser Trajan gab den Baubefehl
Foto: Simon Keay/Portus ProjectKein Zweifel: Das Trinkwasser Roms war stark mit Blei belastet. An den Ablagerungen des giftigen Schwermetalls im Hafenbecken lässt sich ablesen, wieviel die Römer davon schluckten - und wo das Blei herkam.
Das Leben im alten Rom war schlichtweg ungesund. Zu den Unannehmlichkeiten des Großstadtlebens zählten Krankheiten, Feuerbrünste - und Trinkwasser, das mit Blei verseucht war. Cholera und Flammen konnten mit Sicherheit tödlich sein. Aber wie sah es mit dem Blei aus? Wenn die Menge auch nicht ausreichte, um einen Römer umzubringen - konnte sie eine Bleivergiftung verursachen? Das wollte eine Forschergruppe um die Franzosen Hugo Delile und Francis Albarède von der Université Claude Bernard in Lyon klären.
In einem Aufsatz in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" berichten sie von ihrer Untersuchung der Bleiablagerungen im trajanischen Hafenbecken der Stadt und im Tiber. Ihr Ergebnis ist beklemmend: Unmittelbar gesundheitsschädlich war die Bleikonzentration zwar nicht. "Aber Leitungswasser aus dem alten Rom enthielt bis zu hundertmal mehr Blei als normales Quellwasser", berichten sie.
Dass die Römer mit dem Schwermetall nicht gerade vorsichtig umgingen, ist bekannt. Sie setzten so viel davon in der Umwelt frei, dass sich sogar in Bohrkernen aus dem grönländischen Eis eine erhöhte Bleikonzentration zur Hochphase des Römischen Reiches nachweisen lässt. Zwar gibt es in Rom kein ewiges Eis, doch dafür eine andere Ablagerung von Schichten, die jede Art Umweltverschmutzung akribisch archiviert: der Schlick im Hafenbecken.
Normalwert um das 105-Fache überschritten
Die untersten Schichten lassen sich leicht datieren, denn das Becken wurde von Menschenhand gegraben. Bereits im ersten Jahrhundert hatte Kaiser Claudius einen neuen Hafen anlegen lassen, um die Schiffe mit Waren näher an Rom heranholen zu können. Der natürliche Hafen Ostia liegt rund 30 Kilometer entfernt - viel zu weit weg für die hungrige Großstadt. Zu Beginn des zweiten Jahrhunderts gab Kaiser Trajan den Baubefehl für ein weiteres Hafenbecken, ein 39 Hektar großes Fünfeck. Der neue Hafen war über Kanäle sowohl mit dem Hafenbecken des Claudius als auch direkt mit dem Tiber verbunden. Im trajanischen Becken und in den Verbindungskanälen entnahmen die Forscher ihre Bodenproben.
Die früheste Schicht ist natürlicher Boden - sie stammt aus der Zeit, bevor der Hafen angelegt wurde. Vier weitere Schichten lassen sich deutlich unterteilen: frühes Römisches Reich bis 250 nach Christus, spätes Römisches Reich bis 500 nach Christus, Frühmittelalter bis 800 und Spätmittelalter. Da das Hafenbecken mit Tiberwasser gefüllt war, enthalten die Schichten alles, was die Römer in den Tiber entleerten - darunter auch das gebrauchte Wasser, das sie zuvor den bleiverseuchten Leitungen der Stadt entnommen hatten.
Anhand von Vergleichswerten aus dem Tiber selber und von den römischen Bleileitungen konnten die Forscher berechnen, dass in der ersten Nutzungsphase des trajanischen Hafenbeckens die Bleibelastung rund 40-mal höher lag als natürlicherweise in der Umgebung Roms. In den darauffolgenden 250 Jahren sank die Belastung auf nur noch das 14-Fache. Im Frühmittelalter wurde es dann richtig ungesund: der Bleigehalt überstieg den normalen Wert um das 105-Fache.
Blei der Römer kam auch aus der Eifel
Leider sind allerdings weder die Bevölkerungsentwicklung in Rom noch der Bauzustand der Wasserleitungen ausreichend erforscht. Die Archäologen vermuten, dass der Rückgang an Blei vom frühen zum späten römischen Reich zwei Entwicklungen widerspiegelt. Zum einen gibt es Hinweise, dass die Bevölkerung Roms in diesen Jahren tatsächlich schrumpfte. Zum anderen scheinen die Wasserleitungen immer mehr verfallen zu sein. Folglich entnahmen die Römer ihr Wasser nicht mehr aus den Leitungen, sondern holten es direkt aus dem Tiber oder aus Auffangbecken. Im Frühmittelalter dann wurden viele der alten Leitungen repariert. Das frische Wasser, das nun durch die alten Leitungen rauschte, spülte dabei viel von dem alten Blei frei, das sich in der Zwischenzeit aus den Wänden der Leitungen gelöst hatte.
Offenbar hatte das Blei bereits eine weite Reise hinter sich, bevor es in den Leitungen Roms verbaut wurde. Seine Isotopensignatur kommt im Südwesten Spaniens, dem französischen Massif Central, den östlichen Alpen, der deutschen Eifel, den englischen Penninen und Makedonien vor. Vergleicht man diese Liste mit den bekannten römischen Bleiminen, so stammte das in Rom verbaute Blei wahrscheinlich aus der Sierra Morena, den Penninen, der Eifel und dem Massif Central. "Dass wir in den Proben aus dem Hafenbecken Blei aus den Leitungen Roms finden würden, hatten wir erwartet", fasst Delile zusammen. "Erstaunlich ist, wie genau die Schwankungen der Zusammensetzung von Blei-Isotopen in den Sedimenten tatsächlich die historischen Entwicklungen im Römischen Reich widerspiegeln."