
Netz-Propaganda Präsident von Putins Gnaden

Donald Trump und Wladimir Putin (Archivbild)
Foto: BPA/ Getty Images
"Manche nehmen an, dass 'robuste Aufklärung' ( ) 'prädiktive Aufklärung' erzeugen wird, die US-Streitkräften gestattet, 'das Unerwartete vorherzusehen'. Obwohl enthusiastisch begrüßt, ist diese Annahme von Beinahe-Sicherheit in künftigen Kriegen ein gefährlicher Irrglaube."
Herbert Raymond McMaster, "Crack in the Foundation - Defense Transformation and the Underlying Assumption of Dominant Knowledge in Future War" (2003)
Für Männer wie General H.R. McMaster, aktuell Sicherheitsberater im Weißen Haus, oder den Stabschef John Kelly, seinerseits Ex-General, muss die kognitive Dissonanz fast unerträglich sein. Nicht nur, dass sie für einen Mann arbeiten, den selbst hochrangige Mitglieder seiner eigenen Partei mit einem Kleinkind vergleichen. Nicht nur, dass ihr Chef entgegen ihrer expliziten Ratschläge die Gefahr eines nuklearen Krieges mit Nordkorea Tweet für Tweet weiter steigert. Kelly und McMaster wissen, ebenso wie ihre Kollegen in der sogenannten Intelligence Community: Im Weißen Haus regiert der Mann, den Wladimir Putin dort haben wollte.
Bei all den Skandalen und Skandälchen, die der Präsident jede Woche generiert - Papierhandtuchwerfen im sturmzerstörten Puerto Rico, öffentliche Beschimpfung von Football-Stars und Parteifreunden, unverhohlene Rufe nach Medienzensur, eine gescheiterte Gesetzesinitiative nach der anderen - gerät dieser zentrale Skandal fast aus dem Blick: Donald Trump ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nur Präsident, weil Wladimir Putin und seine Geheimdienste enorme Anstrengungen unternommen haben, damit er es wird. Und damit meine ich nicht nur die Tatsache, dass der russische Geheimdienst dafür sorgte, dass E-Mails aus dem inneren Kreis von Hillary Clintons Wahlkampfteam offen im Netz landeten. Oder die zahlreichen Treffen und Konversationen zwischen Trumps Team und russischen Akteuren.
Die Enthüllungen der russischen Anstrengungen der vergangenen Wochen sind verblüffend, aber sie werden kaum noch wahrgenommen. Eine kurze Zusammenfassung:
- Russische Akteure haben im US-Wahlkampf für mindestens 152.000 US-Dollar tendenziöse, gezielt ausgespielte Facebook-Anzeigen geschaltet. Diese Anzeigen warben entweder direkt für Trump, sollten Hillary Clinton diskreditieren oder aber eine bereits vorhandene Spaltung der US-Gesellschaft weiter befördern, etwa, indem sie rassistische Ressentiments bedienten . 100.000 Dollar kamen allein von der sogenannten Internet Research Agency, einem in Sankt Petersburg residierenden Propagandaunternehmen, das im Auftrag der Regierung in Moskau handelt. Solche Eingriffe in den Wahlkampf aus dem Ausland sind in den USA illegal. Facebook schätzt, dass etwa zehn Millionen US-Nutzer solche Anzeigen zu sehen bekamen.
- Jonathan Albright vom Tow Center for Digital Journalism der Columbia University sieht das etwas anders . Er hat ein ganzes Netzwerk von aus Russland kontrollierten Facebook-Seiten identifiziert, die Inhalte - oft anderswo geborgte (hier ein Beispiel ) - verteilten. Diese Inhalte seien, sagt Albright, vermutlich Hunderte Millionen mal angesehen worden .
- Twitter gab zu , dass es - nur! - 201 Accounts identifiziert habe, die Verknüpfungen zu jenen Facebook-Accounts aufwiesen, über die diese Propagandaanzeigen geschaltet wurden. Beide Unternehmen sandten Vertreter in den Geheimdienstausschuss des Senats, dessen stellvertretender Vorsitzender Twitters Auftritt anschließend als "sehr enttäuschend" beschrieb. Das Unternehmen habe nicht genug getan, um das Ausmaß der russischen Aktivitäten auf seiner Plattform zu untersuchen.
- Diese Woche entdeckte dem "Wall Street Journal" zufolge dann endlich auch Google, dass russische Akteure Zehntausende Dollar für Wahlwerbung bezahlt hatten , die über Suchergebnissen und auf Partnerseiten ausgespielt wurde. Auch Gmail, Googles Werbenetzwerk Doubleclick und YouTube waren der "Washington Post" zufolge Teil der Kampagne . Diese Anzeigen wurden zu einem großen Teil offenbar von anderen russischen Akteuren als der Internet Research Agency eingekauft.
- Eine Studie des Oxford Internet Institute , die Ende September erschien, zeigt - für Twitter -, dass "das durchschnittliche Ausmaß der Desinformation in Swing States höher war als in Staaten mit klarem Wahlausgang". Vergleichbare Studien sind für Facebook oder Google schwierig oder gar nicht durchzuführen, weil die einzelnen Nutzern angezeigten Inhalte nicht öffentlich beziehungsweise für Forscher nicht zugänglich sind.
Mit anderen Worten: Die Tech-Riesen der USA haben sich versehentlich zu Komplizen einer illegalen Wahlkampfkampagne des russischen Geheimdienstes gemacht, die darauf zielte, Donald Trump zum Präsidenten zu machen. Sie haben fast ein Jahr lang gebraucht, um das zu bemerken oder jedenfalls einzugestehen. Und die Kampagne war gezielt auf jene US-Bundesstaaten ausgerichtet, in denen eine vergleichsweise kleine Anzahl von Wählern umgestimmt werden musste, um Trump zum Sieg zu verhelfen. Augenscheinlich mit Erfolg.
Wie umfangreich diese Kampagne tatsächlich war, ist immer noch völlig unklar. Klar ist hingegen, dass die so immens mächtigen US-Geheimdienste völlig dabei versagt haben, sie rechtzeitig zu erkennen oder gar abzuwehren. Dabei ist die NSA ihren russischen Kollegen technisch vermutlich nach wie vor haushoch überlegen.
Diese russische Kampagne war, so formuliert es Jonathan Albright vom Tow Center, "keine Hexerei", sondern einfach nur "Social-Media-Marketing auf Expertenniveau". Anderswo nannte er die Aktivitäten der Russen einen "kulturellen Hack" .
Dass Donald Trump immer noch so tut, als sei das alles nicht wahr, verwundert nicht. Der Rest der westlichen Welt aber sollte sich dringend der Tatsache stellen, dass im Weißen Haus ein Präsident von Putins Gnaden sitzt - auch wenn dieser, zumindest da ist Trump ja verlässlich, sich als sehr unzuverlässiger Partner Russlands erwiesen hat.