Schweinegrippe Impfstart könnte sich bis zum November verzögern
Ende September oder Anfang Oktober soll die größte Massenimpfung beginnen, die Deutschland je erlebt hat. 50 Millionen Dosen Schweinegrippe-Vakzin sind bestellt, sie reichen für 25 Millionen Personen. Der Würzburger Mikrobiologe Tino Schwarz hält diesen Termin jedoch für unrealistisch. "Ende September ist eine Vorgabe, die durch nichts untermauert ist", sagte der Professor.

Grippeimpfung (Archiv-Bild): "Dass der Impfstoff wirkt, daran besteht überhaupt kein Zweifel"
Foto: DPASchwarz wird vom 7. August an den Grippeimpfstoff am Juliusspital in Würzburg in vier Studien testen. Etwa zwei Monate später werde es erste Untersuchungsergebnisse geben. "Dass der Impfstoff wirkt, daran besteht überhaupt kein Zweifel", so der Forscher. Doch müsse herausgefunden werden, welche Dosis schütze.
Jörg Hacker, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), und Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder hatten die Erwartung geäußert, dass der Impfstoff gegen das Virus Ende September oder Anfang Oktober zur Verfügung steht. "Wir sind gar nicht fertig bis dahin", sagte Schwarz und verwies auf Studien, die parallel in etwa 15 Zentren in Europa anlaufen - darunter in Hamburg, Rostock, München und Mainz. In diesen Studien sollen insgesamt gut 2000 Menschen im Alter zwischen 6 Monaten und 99 Jahren an den Tests teilnehmen.
Die Pharmakonzerne sind zudem skeptisch, ob sie die angeforderten Mengen an Schweinegrippe-Impfstoff bis September überhaupt ausliefern können. Die Ausbeute pro Hühnerei könne noch nicht genau bestimmt werden, sagte Daria Munsel, Sprecherin von GlaxoSmithKline, am Donnerstag in München. Das Unternehmen stellt im Sächsischen Serumwerk Dresden den Impfstoff gegen das neue H1N1-Virus her. Die dafür benötigten Antigene werden in Hühnereiern herangezogen.
Wer soll diese 50 Millionen Impfungen durchführen?
Die erste Auslieferung sei für Ende September oder Anfang Oktober geplant. "Ob dann aber alle angeforderten Mengen so ausgeliefert werden können wie geplant, ist noch nicht gewiss." Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte bereits gemeldet, dass sich die Saatviren für den Impfstoff schlechter vermehren als erwartet. Der Hersteller Novartis erklärte, man wolle das Verfahren anpassen, um die Ausbeute zu verbessern.
Der Würzburger Virenexperte Schwarz warnte auch vor den logistischen und organisatorischen Herausforderungen der geplanten Massenimpfung. "Wer soll eigentlich diese 50 Millionen Impfungen durchführen innerhalb von ein paar Wochen?" Wenn 25 Millionen Deutsche geimpft werden sollten - zwei Impfungen sind nötig - brauche man entsprechend viel Personal dafür. "Wie viele Impfungen kann ein Hausarzt pro Tag durchführen? Er hat ja auch noch andere Patienten", sagte Schwarz. Die sich abzeichnenden Verzögerungen hält er nicht für problematisch, solange die Impfdosen im November flächendeckend verfügbar sind. Eine Impfung im Januar sei dagegen fast schon zu spät.
In der Tat ist die Impfstoffherstellung ein Wettlauf mit der Zeit, denn das H1N1-Virus breitet sich rasant aus. In Deutschland haben sich schon mehr als 5000 Menschen angesteckt. Binnen 24 Stunden kamen 879 neue Fälle hinzu, wie das Robert-Koch-Institut am Donnerstag mitteilte. Demnach wurden bis Mittwochnachmittag insgesamt 5324 Erkrankungsfälle gemeldet. 24 Stunden zuvor waren es noch 4445 Fälle gewesen.
Die neuen Infektionen gingen größtenteils weiterhin auf Reiserückkehrer vor allem aus Spanien zurück, wie das RKI mitteilte. Weltweit sind nach Angaben des Europäischen Seuchenkontrollzentrums mehr als 150.000 Menschen mit dem neuartigen Grippevirus infiziert.