Schweinegrippe-Virus Erste menschliche Infektion soll schon Monate zurückliegen
Das Erbgut verrät eine Menge - gerade auch bei primitiv aufgebauten Viren. Ein internationales Wissenschaftlerteam hat nun den Erreger der Schweinegrippe eingehend untersucht - und dabei festgestellt, dass das Virus wohl schon Monate vor seiner Identifizierung vom Schwein auf den Menschen übergesprungen ist. Ende März waren die ersten Infektionen in Mexiko bekannt geworden. In einer "Nature"-Veröffentlichung empfehlen Andrew Rambaut von der University of Edinburgh und seine Kollegen, bei Schweinen auftretende Grippeerreger künftig genauer zu beobachten, um Pandemien zu verhindern.

Mensch und Tier: Das H1N1-Virus zirkulierte nach Schätzung der Forscher zwischen neun und 17 Jahren in Schweinen
Foto: DPARambauts Team hatte das Genom des derzeit unter Menschen kursierenden Erregers mit dem Erbgut von anderen Schweinegrippe-Viren und Hunderten Influenza-A-Erregern verglichen. Dabei führten die Wissenschaftler eine sogenannte Evolutionsanalyse durch. Diese ermöglicht es, den Zeitpunkt abzuschätzen, zu dem sich das neue H1N1-Virus aus in verschiedenen in Schweinen kursierenden Erregern gebildet hat.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nach jüngsten Daten seit Ende April 27.737 Schweinegrippefälle in 74 Ländern registriert. 141 der Erkrankten sind gestorben. Der Schwerpunkt liegt in Nordamerika mit mehr als 21.000 Fällen. Deutschland hat nach der Infektion von mindestens 30 Schülern an einer Düsseldorfer Schule mehr als 100 bestätigte Fälle.
Die Genanalyse zeige auch, dass der Erreger wohl nicht aus einem Labor stamme, schreiben die Forscher. Sie haben mehrere Schweineviren identifiziert, aus denen das H1N1-Virus offenbar entstanden ist. Der Erreger zirkulierte nach Schätzung der Wissenschaftler zwischen neun und 17 Jahren in Schweinen, bevor er vermutlich erstmals im Januar 2009 auf den Menschen übergesprungen ist.
Bei allen drei Pandemien des 20. Jahrhunderts hätten Schweine eine wichtige Rolle gespielt schreiben die Forscher, und dies sei auch bei der Pandemie 2009 der Fall. Während Influenza-Erreger beim Menschen genauestens überwacht würden, geschehe dies bei Schweinegrippeviren nicht, kritisieren die Forscher. Nur deshalb habe sich der Virenstamm mit Pandemiepotential jahrelang unerkannt weiterentwickeln können. Eine systematische Erfassung aller in Schweinen kursierenden Erreger sei unbedingt notwendig.
Das Schweinegrippe-Virus
Es handelt sich um ein Influenza-A-Virus mit der Bezeichnung H1N1, das sich von Mensch zu Mensch übertragen kann - vor allem durch Händeschütteln, Niesen und Husten. Ein H1N1-Virus war auch der Auslöser der Spanischen Grippe, die zwischen 1918 und 1920 weltweit mindestens 25 Millionen Menschen getötet hat.
Die Schweinegrippe bewirkt ähnliche Symptome wie eine normale Grippe: plötzliches Fieber, Muskelschmerzen, trockener Husten und ein trockener Hals. Allerdings sind der einhergehende Durchfall und die Übelkeit stärker ausgeprägt.
Neue Virenstämme können sich rasch ausbreiten, weil es keine natürliche Immunität gibt und es Monate dauert, bis ein aktueller Impfstoff entwickelt und produziert ist. Der neue Stamm des Schweinegrippe-Virus unterscheidet sich vom älteren H1N1-Virus, gegen das die aktuellen Grippeimpfstoffe schützen. Die gewöhnliche Grippe tötet jedes Jahr 250.000 bis 500.000 Menschen, vor allem ältere Menschen. Die meisten sterben an Lungenentzündung. Auch gesunde Menschen können tödlich erkranken.
Nach derzeitigem Wissensstand bieten die Wirkstoffe Oseltamivir (Handelsname Tamiflu) und Zanamivir (Handelsname Relenza) Schutz gegen das Schweinegrippen-Virus. Diese Wirkstoffe behindern unspezifisch die Vermehrung von Influenza-A- und Influenza-B-Viren im Körper.
Grippeviren gehören zu den wandlungsfähigsten Erregern, die bekannt sind. Die Entwicklung gänzlich neuer Typen ist zwar selten, aber extrem gefährlich. Meist springen dabei irgendwo in der Welt Viren von Vögeln oder Schweinen auf den Menschen über. Wenn sie in dessen Körperzellen auf andere, ältere Grippeviren treffen, kann sich die Erbinformationen vermischen und neue Erreger hervorbringen.