Sequenzier-Rekord Forscher entziffern menschliches Erbgut für 48.000 Dollar

Das eigene Erbgut - in einem Monat, für den Preis eines Mittelklassewagens: Wissenschaftler haben eine neue Technik entwickelt, mit der man die DNA-Sequenz in Rekordzeit entziffern kann. Damit rückt die Vision des persönlichen Genoms ein Stück näher - und auch die damit verbundenen Risiken.

Es ist viel passiert in diesen acht Jahren, seitdem Wissenschaftler erstmals das menschliche Erbgut entziffert haben. Etwa 1000 Wissenschaftler weltweit hatten rund zehn Jahre lang für das Human Genome Project gearbeitet. Viele Sequenziermaschinen auf der ganzen Welt waren nötig gewesen, um die drei Milliarden Buchstaben des menschlichen Erbguts zu lesen. Die Kosten für das gesamte Projekt beliefen sich letztlich auf knapp drei Milliarden US-Dollar - ein Dollar für einen Gen-Buchstaben.

Seitdem ist die Sequenzier- Technologie immer besser und schneller geworden. Was das Tempo der Fortschritte auf diesem Feld angeht, steht sie der Mikroprozessortechnik in nichts nach. Und auch die Preise purzeln: So kostete die Entzifferung des Erbguts des Nobelpreisträgers und Mitentdeckers der DNA-Struktur, James Watson, im Jahr 2008 nur noch eine Million US-Dollar . Ende 2008 dann gelang Wissenschaftlern die Sequenzierung der DNA eines Chinesen innerhalb von nur acht Wochen - für nur 100.000 US-Dollar.

Nun haben die Wissenschaftler Stephen Quake, Dmitry Pushkarev und Norma Neff von der Stanford University im US-Bundesstaat Kalifornien einen neuen Rekord in der Genom-Sequenzierung verkündet: Für nur 48.000 US-Dollar haben sie die DNA von Quake entziffert - in rund vier Wochen. Damit rückt die Vision der billigen und schnellen Entzifferung des eigenen Erbguts für jeden Menschen wieder ein Stück näher.

Zwar bieten bereits einige Firmen kommerzielle Gen-Analysen für dreistellige Dollarbeträge an. Dabei wird das Erbgut aber nur auf eine Liste bekannter Gene hin getestet und keine vollständige Sequenz ermittelt. Wissenschaftler erhoffen sich durch die schnellere und günstige Erbgut-Sequenzierung ein besseres Verständnis der Entstehung von Krankheiten. Die Risiken liegen auch auf der Hand: Arbeitgeber oder Versicherungen könnten Menschen aufgrund ihrer genetischen Ausstattung ablehnen.

Gen-Vokabular

Wie die Forscher im Fachmagazin " Nature Biotechnology " berichten, konnten sie die Leserate mit ihrer neuen Technik drastisch erhöhen: 48.000 Gen-Buchstaben pro Sekunde schaffte ihr Sequenzier-Apparat. Das gesamte menschliche Genom könnte man damit theoretisch in nur rund 17 Stunden sequenzieren.

Allerdings reicht ein Durchgang nicht aus, da die Maschine Lesefehler macht: Drei bis vier von 100 Buchstaben sind falsch, schreiben Quake, Pushkarev und Neff. Um die notwendige Lesegenauigkeit zu erreichen, hätten sie daher 28 Durchgänge machen müssen. Für die endgültige Sequenz brauchten Pushkarev und Quake somit rund einen Monat.

Die neue Technik unterscheidet sich von bisherigen vor allem darin, dass nur noch ein einziges DNA-Molekül als Lesevorlage benötigt wird. Bisherige Sequenzierungstechniken arbeiten so, dass das Erbgut zunächst mit der sogenannten Polymerasekettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) stark vervielfältigt und erst dann gelesen wird.

Für die neue Technik sei somit wesentlich weniger an Aufwand nötig, schreiben Quake, Neff und Pushkarev. Nur noch ein Labor, ein Sequenzierapparat und weniger Personal brauche es zur Entzifferung des menschlichen Erbguts. Damit rücke die Möglichkeit des persönlichen Genoms für wenig Geld näher. Die Vision einiger Forscher ist das 1000-Dollar-Genom.

Mit der Publikation machen Pushkarev und Quake zugleich auch Werbung in eigener Sache: Quake ist Gründer, Anteilseigner und Berater der Firma, die die Sequenziermaschine herstellt. Und auch Pushkarev besitzt Anteile daran.

lub

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