Seuchen und Klimawandel Forscher warnen vor tödlichem Dutzend

Extreme Wetterereignisse sind nicht die einzige Gefahr des Klimawandels. Immer öfter warnen Wissenschaftler davor, dass Krankheitserreger in neue Regionen vorstoßen. Jetzt hat eine Expertenkommission die zwölf gefährlichsten vorgestellt - als das "tödliche Dutzend".

Bisher ging es beim Weltkongress der Naturschutz-Union IUCN vor allem darum, was der Mensch der Natur antut. Mindestens ein Viertel, womöglich gar mehr als ein Drittel aller Säugetierarten sind vom Aussterben bedroht, lautete einer der dramatischen Befunde. Auch der Blick auf alle Tier- und Pflanzenarten insgesamt fiel kaum erfreulicher aus. Doch die Natur kann auch zurückschlagen, wie auf dem Forschertreffen deutlich wurde.

"Das Tödliche Dutzend: Tierkrankheiten im Zeitalter des Klimawandels" lautet der Titel eines Reports , der am Dienstag in Barcelona vorgestellt wurde. Er listet detailliert auf, wie zwölf Krankheitserreger dank veränderter Temperaturen und Niederschlagsmengen in neue Gebiete vordringen - und dabei nicht nur die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden, sondern auch der Wirtschaft schweren Schaden zufügen könnten.

Dies ist keinesfalls ein Szenario für die ferne Zukunft. Krankheitserreger, die Tierbestände und mitunter Menschen befallen, haben bereits den Handel in bestimmten Wirtschaftsbereichen destabilisiert. Allein seit Mitte der neunziger Jahre haben diverse Viehkrankheiten wie etwa die Vogelgrippe einen weltweiten Schaden von geschätzten 100 Milliarden Dollar verursacht, heißt es in dem Bericht der Wildlife Conservation Society (WCS).

"Aufkommende Infektionskrankheiten sind eine große Bedrohung für die gesundheitliche und wirtschaftliche Stabilität der Welt", sagte die US-Abgeordnete Rosa DeLauro in Barcelona. Es sei wichtig, nicht nur die Vogelgrippe, sondern auch andere gefährliche Krankheiten genau im Blick zu behalten, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Dazu sei eine Beobachtung von Zuchtvieh und wildlebenden Tieren unabdingbar, betonte WCS-Vizedirektor William Karesh. Das ermögliche, "Veränderungen in der Umwelt zu erkennen und Bedrohungen zu bekämpfen, bevor sie zu Katastrophen werden."

Die Gesundheit von wilden Tieren ist eng mit den jeweiligen Ökosystemen verbunden, sagte WCS-Präsident Steven Sanderson. "Schon kleine Störungen können weitreichende Konsequenzen dafür haben, welchen Krankheiten die Tiere begegnen und wie sie diese in einem sich verändernden Klima weitergeben."

Folgende Krankheitserreger gehören zum tödlichen Dutzend der WCS:

· Vogelgrippe
· Babesiose
· Cholera
· Ebola
· Darm- und äußere Parasiten
· Borreliose
· Pest
· Rote Fluten
· Rift-Valley-Fieber
· Schlafkrankheit
· Tuberkulose
· Gelbfieber

Vogelgrippe

Der Erreger der Vogelgrippe kommt, wie auch menschliche Grippeviren, in der Natur vor, oft ohne besonders große Konsequenzen. Das Virus wird von infizierten Vögeln über Fäkalien und andere Ausscheidungen verbreitet. H5N1, ein besonders aggressiver und ansteckender Stamm des Vogelgrippeerregers, versetzt derzeit Gesundheitsexperten weltweit in Sorge. Er kann auch von Mensch zu Mensch übertragen werden und könnte durch eine Mutation eine weltweite Seuche mit möglicherweise Millionen von Toten auslösen.

Babesiose

Babesien sind ein Beispiel für Krankheiten, die durch Zecken übertragen werden. Die Parasiten befallen Vieh- und Wildtierbestände, aber in zunehmendem Maße auch den Menschen. Babesien selbst verursachen nicht immer schwere Probleme, doch schwere Infektionen können dazu führen, dass der Wirt anfällig für andere Infektionskrankheiten wird. Zu beobachten war das nach Angaben der WCS kürzlich unter anderem an dem massiven Sterben unter Löwen in Ostafrika. In Europa und Nordamerika kommt die Babesiose immer öfter auch bei Menschen vor.

Cholera

Cholera ist eine Durchfallerkrankung, die über kontaminiertes Wasser und Nahrung verbreitet wird und vor allem in Entwicklungsländern auftritt. Sie kann auch über rohe Schalentiere wie etwa Austern übertragen werden. 20 bis 70 Prozent der Infizierten sterben an der Krankheit. Cholera ist stark von Temperaturen abhängig: Je wärmer das Wasser in einer Region wird, desto besser kann sich die Cholera verbreiten, weshalb Mediziner von einem Vormarsch der Krankheit im Zuge des Klimawandels ausgehen.

Ebola

Das Ebola- und das mit ihm eng verwandte Marburg-Virus lösen hämorrhagisches Fieber aus - eine furchterregende Krankheit, die innere und äußere Blutungen, Krämpfe und Durchfall auslöst. 90 Prozent der Infizierten sterben qualvoll, da es bisher keine Möglichkeit zur Behandlung gibt. Neben Menschen werden auch andere Primaten wie Gorillas und Schimpansen von den Viren befallen. Nach Angaben der WCS gibt es klare Hinweise, dass Ebola- und Marburg-Seuchen mit ungewöhnlichen Variationen in den Regen- und Trockenzeiten zusammenhingen. "Da der Klimawandel diese saisonalen Muster durcheinanderbringt und verstärkt, erwarten wir Ausbrüche dieser tödlichen Krankheiten regelmäßiger und an neuen Orten", so die Experten der WCS.

Darm- und äußere Parasiten

Parasiten sind überall an Land und im Wasser verbreitet. Durch die Veränderung von Temperaturen und Niederschlagsmengen können Parasiten in vielen Bereichen besser überleben und eine wachsende Zahl von Menschen und Tieren befallen. Zahlreiche Parasiten besitzen die Fähigkeit, vom Tier auf den Menschen zu wechseln. Der Spulwurm Baylisascaris procyonis etwa wird von Waschbären übertragen und kann auch für Menschen tödlich sein.

Borreliose

Die Lyme-Borreliose wird von Zeckenbissen auf den Menschen übertragen. Die Verbreitung von Zecken wiederum wird vom Klimawandel maßgeblich beeinflusst. Auch in Deutschland beobachten Forscher eine Zunahme der Zeckenbisse, unter anderem weil sich die Tiere immer weiter nach Norden ausbreiten und dank milder Winter länger aktiv sind. Die Zahl der in Deutschland gemeldeten Fälle der Hirnhautentzündungen durch die ebenfalls von Zecken übertragenen Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) hat sich in Deutschland binnen zwei Jahren verdoppelt.

Pest

Die Pest ist eine der ältesten bekannten Infektionskrankheiten und sucht Menschen bereits seit Jahrhunderten heim. Der Erreger, das Bakterium Yersinia pestis, wird durch Nagetiere und deren Flöhe verbreitet. Veränderungen von Temperaturen und Niederschlägen werden nach Meinung von Experten die Verbreitung von Nagetierpopulationen weltweit verändern, so dass auch die Pest wieder in neue Gebiete vordringen dürfte.

Rote Fluten

Extreme Algenblüten, auch "rote Fluten" genannt, produzieren in der Nähe von Küsten Gifte, die für Tiere und Menschen tödlich sein können. Fische und Seevögel sterben massenhaft ab, Meeressäuger stranden, Menschen fallen Substanzen wie Domoinsäure und neurotoxischen Algengiften zum Opfer. Im Süßwasser können Cyanobakterien ähnliche Effekte hervorrufen. Die World Wildlife Conservation Society warnt davor, dass steigende Temperaturen "unvorhersehbare Folgen" für das Auftreten solcher Phänomene in aller Welt haben werden.

Rift-Valley-Fieber

Das Rifttal- oder Rift-Valley-Fieber ist eine immer öfter auftretende Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden kann. Insbesondere in Afrika und im Nahen Osten kann sie schwere wirtschaftliche Schäden verursachen, da sie bei befallenen Beständen von Schafen, Rindern, Ziegen und Kamelen hohe Todesraten verursacht. Auch für Menschen, die sich beim Schlachten von Vieh anstecken können, ist die Krankheit potentiell tödlich. Da das Virus zudem von Mücken übertragen wird, spielt auch hier der Klimawandel eine wichtige Rolle bei der künftigen Verbreitung des Fiebers.

Schlafkrankheit

Die Schlafkrankheit wird von einem Einzeller namens Trypanosoma brucei hervorgerufen, der von der Tsetsefliege auf den Menschen übertragen wird. Die Krankheit hat sich in Teilen Afrikas südlich der Sahara fest etabliert. Inzwischen sind laut WCS 36 Staaten betroffen. Pro Jahr komme es zu rund 300.000 neuen Erkrankungen. Allein in Ostafrika töte die Schlafkrankheit pro Jahr etwa 400.000 Menschen. Der Klimawandel und die Veränderung der Landnutzung durch den Menschen könnten die Verbreitung der Krankheit in Zukunft verändern.

Tuberkulose

Mit dem weltweiten Transport von Rindern hat sich auch die Rinder-Tuberkulose über den Globus ausgebreitet. Probleme verursacht sie insbesondere in Afrika, wo sie wichtige Wildtierpopulationen wie etwa die Büffel und Löwen im Krüger-Nationalpark befällt. Deshalb sind auch Touristen aus den Industriestaaten bedroht: In Südafrika haben sich zahlreiche Menschen die Krankheit durch das Trinken nicht pasteurisierter Milch zugezogen. Die menschliche Form der Tuberkulose kann wiederum auf Tiere überspringen. Der Klimawandel und der mit ihm einhergehende zunehmende Wassermangel werden Wild- und Viehbestände in engeren Kontakt bringen, so die WCS. Deshalb sei künftig ein stärkerer Austausch der Tuberkulose zwischen den Tierbeständen sowie zwischen Vieh und Mensch zu erwarten.

Gelbfieber

Gelbfieber kommt in den tropischen Gebieten Afrikas und Teilen Mittel- und Südamerikas vor. Das Virus wird von Stechmücken übertragen, die im Zuge des Klimawandels in neue Gebiete vordringen. Ein Typ des Virus, das Dschungel-Gelbfieber, kann über Moskitos von Affen zu Menschen und umgekehrt übertragen werden. Die jüngsten Ausbrüche in Brasilien und Argentinien hatten laut WCS verheerende Folgen für Bestände wild lebender Primaten. In Südamerika hat deren Beobachtung dazu geführt, dass Menschen durch schnell umgesetzte Impfprogramme geschützt werden konnten.

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mbe

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