Sex-Lockstoffe Und sie wirken doch
Die Parfümindustrie hatte schon fast aufgegeben. Als vor einigen Jahren entdeckt wurde, dass Menschen wahrscheinlich gar keine Sexuallockstoffe wahrnehmen können, schwand auch die Hoffnung auf ein Duftwasser, das unwiderstehlich macht. Denn beim Menschen hat die Region im Innern der Nase, mit der Mäuse und andere Tiere Pheromone riechen, die Verbindung zum Gehirn verloren. Forscher haben daraus gefolgert, dass der Mensch nicht auf primitive Lockstoffe angewiesen sei, um einen Partner zu finden.
Ein schwedisches Forscherteam um Ivanka Savic vom Karolinska Institut in Stockholm führt den Menschen nun wieder auf seine tierischen Wurzeln zurück. Die Wissenschaftler ließen 36 Männer und Frauen an Düften riechen, die sie aus testosteronhaltigem Männerschweiß und östrogenhaltigem Urin von Frauen gewonnen hatten. Zum Vergleich durften die Probanden auch an Lavendel oder Zedernöl schnuppern, während die Forscher die Gehirnaktivität ihrer Versuchspersonen mit Computertomographen überwachten.
Die Östrogen-Substanz aktivierte bei Frauen Hirnregionen, die mit dem Geruchssinn in Verbindung gebracht wird, schreiben die Forscher im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences". Bei Männern dagegen reagierte der Hypothalamus mit einem wahren Feuerwerk auf den Frauenduft. Der Bereich im Zentrum des Denkorgans steuert sexuelles Verhalten und hat über die direkt unter ihm liegende Hirnanhangdrüse auch den Hormonhaushalt des Körpers im Griff - beste Voraussetzungen also, Männern buchstäblich die Sinne zu vernebeln.
Überraschung beim Hirnscan
Die männliche Schweiß-Chemikalie wirkte genau entgegengesetzt. Bei Frauen geriet der Hypothalamus in Wallung, bei Männern die Riech-Regionen des Hirns. Als Savic und ihre Kollegen allerdings Schwule an den Düften schnuppern ließen, tat sich Überraschendes: Die weibliche Östrogen-Substanz verbreitete im Hirn der Homosexuellen gepflegte Langeweile, der Männerduft entflammte den Hypothalamus.
Die Forscher werten das als Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der sexuellen Orientierung und der Hirnfunktion. "Wir können allerdings nicht sagen, ob die unterschiedlichen Muster die Ursache oder die Folge von Homosexualität sind", sagte Savic der "New York Times". Die "wichtige Frage", ob die sexuelle Ausrichtung nun genetische Gründe hat oder nicht, bleibe weiterhin unbeantwortet.
Sollten genetische Gründe existieren, wie manche Forscher glauben, könnten die Neuronen im Hypothalamus so verdrahtet sein, dass sich Männer zu ihren Geschlechtsgenossen hingezogen fühlen. Allerdings könnten die Unterschiede in der Hirnaktivität auch nur die Folge anderer Faktoren sein, die in Wahrheit die sexuellen Vorlieben bestimmen.
Unabhängig davon ist Savic und ihren Kollegen gelungen, dass die Parfümindustrie wieder Morgenluft wittern könnte: Es scheint bewiesen, dass der Mensch doch eine Antenne für Sexuallockstoffe besitzt.