Lange Zeit nistete ein Verdacht in den Köpfen von Wissenschaftlern: War es am Ende nicht die überlegene Körperkraft, die größere Aggressivität oder der stärkere Machtwille, die den Mann in weiten Teilen der Welt an die Spitze der gesellschaftlichen Macht katapultierten - sondern das Rind? Clare Holden und Ruth Mace vom Londoner University College wollen das jetzt bewiesen haben, indem sie afrikanische Stämmen erforschten. Ihr Ergebnis: Mit zunehmender Verbreitung der Rinderhaltung nimmt der Anteil matriarchalischer Gesellschaften ab.
Die Forscherinnen untersuchten Bantu-sprechende Völker in Afrika, die sich im Anfangsstadium der Viehzucht befinden. Wie Holden und Mace im Fachmagazin "Proceedings of the Royal Society B" schreiben, leitet das Halten von Rindern einen Übergang von einer weiblich geprägten Gesellschaft, in der
alles über die mütterliche Linie vererbt wird, zu einer männlich dominierten Gesellschaftsstruktur ein, in der die Vererbung nahezu ausschließlich über die väterliche Linie erfolgt. Gestützt werden die Ergebnisse der Anthropologinnen durch sprachgeschichtliche und
archäologische Studien.
Der Beginn der männlichen Dominanz entspringt demnach dem Wunsch, so viel Besitz wie möglich in der eigenen Familie zu halten. Der entscheidende Faktor sei dabei der Erhalt der
Abstammungslinie: Während Töchter sicher sein können, dass alle ihre
Nachkommen auch tatsächlich ihre eigenen sind, haben Söhne diese
Gewissheit nicht. Eine Vererbung über die männliche Linie sei deshalb nur dann sinnvoll, wenn der Zuwachs an Reichtum für den Sohn so viel größer ist als der für eine Tochter, dass diese Unsicherheit aufwogen wird.
Bei der Vererbung von Landbesitz, der normalerweise den Reichtum
in einer Ackerbau-betreibenden matriarchalischen Gesellschaft
ausmacht, sei der Gewinn für Töchter und Söhne etwa gleich groß.
Daher werde in solchen Gesellschaften häufiger weiter über die
weibliche Linie vererbt, schreiben die Forscherinnen. Doch im Fall
von Viehherden, mit denen Brautpreise bezahlt werden und die vor
Dieben geschützt werden müssen, ist der Vermögenszuwachs für Söhne
deutlich höher. Hier wird eine Vererbung über die männliche Linie
trotz möglicher Abstammungsunsicherheiten bevorzugt.
Der Erwerb von Vieh und der Beginn von Viehzucht könne allerdings
nicht alle Übergänge zwischen verschiedenen Gesellschaftsstrukturen
erklären, betonen die Wissenschaftlerinnen. Anhand zweier Beispiele
heute lebender Stämme, der matriarchalischen Chewa und der
patriarchalischen Gabbra, konnten sie ihre Theorien jedoch belegen.