Statistik statt Sternzeichen Was der Geburtsmonat über Ihr Leben verrät
Sternzeichen verraten den Charakter? Der dänische Psychologe Helmuth Nyborg von der Universität Aarhus hat im vergangenen Jahr in einer Studie bewiesen, dass das nicht stimmt. Wohl aber sagt das Geburtsdatum etwas über spätere Gesundheitsrisiken aus.
Viele Untersuchungen belegen mittlerweile, dass saisonale Umwelteinflüsse, etwa steigende Infektionsgefahren und sinkende Nahrungsqualität in den Monaten vor und nach der Geburt eines Menschen, Auswirkungen auf dessen Verfassung im reiferen Alter haben können.
Im Mutterleib und kurz nach der Geburt werden offenbar viele Weichen für den späteren Lebensweg gestellt. Sogenannte epigenetische Effekte am Erbmaterial sollen dafür unter anderem verantwortlich sein. So konnten Genetiker nachweisen, dass zum Beispiel Umweltstress zu molekularen Veränderungen an Genen führen kann. Solche Veränderungen entscheiden später darüber, ob und wie stark ein Gen aktiv wird. Zwar sind die Effekte der individuellen Lebensweise Ernährung, Genussmittelkonsum, Sport, Bildungsniveau wahrscheinlich viel stärker. Doch der Geburtsmonat hat einen messbaren Einfluss darauf, was jeder Einzelne vom Leben zu erwarten hat.
Statistik statt Sternzeichen - was die Statistiker über Geburtsmonat, Gesundheit und Lebenserwartung wissen, lesen Sie weiter:
Dezember / Januar - Anfällig für Schizophrenie
Wer im Dezember geboren ist, hat von einem reiferen Alter an besonders gute Aussichten, noch lange weiterzuleben. Zugleich tragen Wintergeborene jedoch ein erhöhtes Risiko, an Schizophrenie oder manischer Depression zu erkranken. Nach einer Studie der Demografen Gabriele Doblhammer-Reiter und James Vaupel dürfen im Dezember geborene über 50-Jährige damit rechnen, zwischen vier und acht Monate länger zu leben als Gleichaltrige, die zwischen April und Juni geboren sind. Die beiden Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock haben dafür dänische und österreichische Bevölkerungsdaten aus mehreren Jahrzehnten ausgewertet.
Für Deutschland konnten sie zeigen: Im Dezember geborene Hochbetagte erreichen mit einer um 16 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit ein Alter von 105 Jahren als der Durchschnitt ihres jeweiligen Geburtsjahrganges. Der Grund dafür liegt in der geringeren Anfälligkeit Wintergeborener für die häufigsten Todesursachen der Generation 50 plus: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Altersdiabetes und Krebs. Dass die Ursachen dafür in saisonal schwankenden Ernährungsangeboten und Infektionsgefahren während und kurz nach der Schwangerschaft liegen, legen Daten aus den USA nahe: Die Muster der Zusammenhänge zwischen Geburtstermin und der Gesundheit über 50-Jähriger zeigen sich am deutlichsten im Süden der USA, wo die Nahrungsqualität im Jahresverlauf stärker schwankt und Infektionen häufiger auftreten als in anderen US-Bundesstaaten. Abgesehen von solchen kleinen regionalen Abweichungen gelten die Aussagen jedoch für die gesamte Nordhalbkugel. Auf der Südhalbkugel, wo im Dezember Sommer ist, gelten sie um ein halbes Jahr versetzt, wie Vergleichsdaten aus Australien zeigen.
Das erhöhte Risiko für Dezember- und Januar-Geborene, an Schizophrenie oder manischer Depression zu erkranken, bestätigen mittlerweile mehr als 250 Studien weltweit. Um bis zu acht Prozent weicht die Zahl der Patienten, die im Winter Geburtstag haben, vom Jahresdurchschnitt ab. Der australische Mediziner John McGrath vom Queensland Centre for Mental Health Research macht als mögliche Ursache einen Mangel an Sonnenlicht in der Schwangerschaft aus. Je weniger ultraviolette Strahlung auf sie einwirke, desto weniger Vitamin D entstehe in der Haut der Mutter ein Stoff, der die Entwicklung des Fötus-Gehirns mitsteuert. Andere Studien zeigen keinen Zusammenhang zwischen Sonnenschein in der Schwangerschaft und späterem Krankheitsrisiko. Deshalb nehmen die meisten Forscher an, dass bislang unbekannte saisonale Bedingungen eine Rolle spielen.
Februar / März - Vorsicht Heuschnupfen
Februar und März sind die unter Pollenallergikern häufigsten Geburtsmonate. Eine Geburt wenige Monate vor der jeweiligen Flug-saison einer Pollenart erhöhe das Risiko, auf diese Art später allergisch zu reagieren, lautet zusammengefasst das Ergebnis von acht Studien, die in den vergangenen 30 Jahren zu diesem Thema veröffentlicht worden sind. Die häufigsten Formen von Heuschnupfen werden von Gräser- und Birkenpollen ausgelöst, die in Deutschland im April und Mai die Luft belasten. Eine Theorie besagt, dass das unreife Immunsystem eines Säuglings bei starkem Pollenflug überreagieren und sich diese Reaktion auch später im Leben zeigen kann.
Ebenso ungeklärt sind die Ursachen für den beobachteten Umstand, dass im Februar und März besonders viele Kinder mit diversen schulischen Lernschwierigkeiten geboren werden, wie der Kinderarzt Paul Winchester von der Indiana University für seinen US-Bundesstaat festgestellt hat. Demnach sind besonders viele Schüler, die eine Sonderförderung benötigen darunter solche, die an Down-Syndrom, Autismus oder Aufmerksamkeitsstörungen leiden , im Februar und März geboren. Gestützt wird die Beobachtung durch Ergebnisse aus Israel, wo der Mediziner Yoram Barak vom Yehuda Abarbanel Mental Health Center die Geburtsdaten von Autismus-Patienten, die zwischen 1964 und 1986 geboren wurden, verglichen und besonders hohe Geburtenzahlen in den Monaten März und August festgestellt hat. Für die im März geborenen Sonderschüler macht Winchester in einer Hypothese die besonders hohe Konzentration landwirtschaftlicher Gifte im Trinkwasser in den USA während der Empfängnismonate Mai und Juni verantwortlich, die die Entwicklung der Föten beeinflussen könnte.
April / Mai - Multiple Sklerose droht
Dass im Mai geborene Grundschüler in Deutschland schlechtere Chancen haben, eine Empfehlung fürs Gymnasium zu bekommen, liegt vor allem am Stichdatum der Einschulung: Sie sind bis zu einem Jahr jünger als ihre Klassenkameraden. Um fast acht Prozentpunkte liegt die Zahl dieser besonders jungen Gymnasial-Anfänger unter jener der im Juli geborenen Mitbewerber, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung im vergangenen Jahr berichtete. Je nach Stichtagsregelung in den Bundesländern können auch im Juni geborene Schüler betroffen sein. Dieser Nachteil ist jedoch nicht der einzige der Frühlingskinder. Hinzu kommen die komplexen Prognosen für ihre Gesundheit.
Vom Geburtsmonat März an nämlich beginnt die Lebenserwartung, die der Mensch im reiferen Alter hegen darf, zu sinken. Und die spätere Neigung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen nimmt je weiter die Geburtstermine Richtung Sommer rücken ebenso zu wie die spätere Neigung zu Atemwegs- und Lungenerkrankungen. So lebten zwischen 1989 und 1997 die Nordamerikaner mit Geburtsmonat November, die an Atemwegs- oder Lungenerkrankungen starben, laut Todesursachen-Datenbank des National Center for Health Statistics (NCHS) durchschnittlich bis zu einem halben Jahr länger als ihre im Sommer geborenen Leidensgenossen. Das stellte die Demogra-fin Gabriele Doblhammer-Reiter fest, die 15,6 Millionen in der NCHS-Datenbank erfasste Todesfälle dieses Zeitraums auf mögliche Zusammenhänge zwischen Lebenslänge und Geburtsmonat hin ausgewertet hat. Die Wintergeborenen waren offenbar widerstandsfähiger oder später erkrankt, sagt sie. Eine mögliche Erklärung für die größere Anfälligkeit sehen Forscher in der erhöhten Gefahr für im Frühjahr und Sommer geborene Kinder, sich nach den ersten besonders behüteten Lebensmonaten im Herbst eine Virusinfektion der oberen Atemwege und in der Folge eine Bronchitis oder Lungenentzündung einzufangen. Frühkindliche Infektionskrankheiten der unteren Luftwege gelten als Faktoren, die chronische Lungenkrankheiten in späteren Lebensjahren begünstigen.
Eine ähnliche Geburtsmonats-Verteilung zeigen auch die NCHS-Todesfälle von Demenzkranken, Alzheimer- und Parkinson-Patienten. Und auch spätere Gemütsleiden, Depressionen und Alkoholismus soll eine Geburt im April oder Mai leicht begünstigen. Damit jedenfalls erklärt der britische Psychiater Emad Salib von der University of Liverpool das gegenüber Herbst- und Wintergeborenen um 17 Prozent erhöhte Suizidrisiko, das er für April- und Mai-Geborene ausmacht. Das Team um Salib hatte die Daten aller 26916 nachgewiesenen Selbstmorde und Todesfälle nach Verletzungen ungeklärter Ursache von 1979 bis 2001 in England und Wales ausgewertet.
Darüber hinaus leben Mai-Geborene mit einem erhöhten Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken. Eine Forschergruppe um die Biostatistikerin Cristen Willer von der University of Michigan hat die Daten von 71.400 MS-Patienten aus Kanada, Großbritannien, Dänemark und Schweden ausgewertet. Das Erkrankungsrisiko für Mai-Geborene sei um 13 Prozent höher als für Menschen, die im November geboren sind, dem seltensten Geburtsmonat unter MS-Patienten. Welche Umwelt-Faktoren kurz vor oder kurz nach der Geburt dafür verantwortlich sein könnten, ist nicht geklärt.
Juni / Juli - Geringe Lebenserwartung
Im Sommer Geborenen bleibt im reiferen Alter eine besonders geringe Lebenserwartung. So vollenden deutsche Hochbetagte, die im Juni geboren sind, mit einer um 23 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit das 105. Lebensjahr als der Durchschnitt ihres jeweiligen Geburtsjahrgangs. Ein ähnliches Muster zeigt sich auch in Gabriele Doblhammer-Reiters Auswertung der am NCHS erfassten Todesfälle in den USA zwischen 1989 und 1997: Das Risiko der über 50-Jährigen, früher an Altersdiabetes zu erkranken und an Herz-Kreislauf-Krankheiten zu sterben, liegt deutlich über dem der Wintergeborenen. Zusammen mit Krebs zählen Herzinfarkte, Schlaganfälle und Stürze wegen Schwindels zu den häufigsten Todesursachen der über 50-Jährigen. Die Resultate der Demografin zeigten weitgehende Übereinstimmung mit älteren Befunden, die auf 180 000 amerikanischen Krebspatienten-Fällen basieren. Danach lebten Krebspatienten mit Geburtstagen zwischen Juni und August zwischen einem Jahr und anderthalb Jahren kürzer als jene, die im Winter geboren waren.
Die größere Anfälligkeit für die häufigsten Todesursachen mit Ausnahme von Krebs erklären Wissenschaftler mit der Barker-Hypothese: Der britische Epidemiologe David Barker hatte in den 80er Jahren festgestellt, dass besonders viele Menschen im Alter an Herzerkrankungen starben, die um die Jahrhundertwende in arme Verhältnisse mit winterlicher Mangelernährung hineingeboren waren, und kam zu dem Ergebnis, dass ein niedriges Geburtsgewicht ein erhöhtes Infarktrisiko im Alter bedeute. Bei Juni- und Juli-Geborenen liegen die frühen Phasen der Schwangerschaft im Winter. Obwohl die Ernährungsqualität heute in den Industrieländern auf der Nordhalbkugel kaum noch jahreszeitlichen Einflüssen unterliegt, finden Forscher vereinzelt weiterhin saisonale Schwankungen der durchschnittlichen Geburtsgewichte. So stellte der Epidemiologe Liam Murray von der Queens University in Belfast in einer Studie über alle nach 36 Schwangerschaftswochen Lebendgeborenen in Nordirland zwischen 1971 und 1986 fest: Im Juni und Juli lagen die Geburtsgewichte durchschnittlich um 30 Gramm unter den Gewichten Neugeborener im Januar.
August / September - Der Feind heißt Hausstaubmilbe
Sollte das Geburtsgewicht heute tatsächlich noch ähnlichen saisonalen Schwankungen unterliegen wie einst, sind im Spätsommer und Herbst geborene Kinder bereits weitaus besser fürs spätere Leben gerüstet als im Juni und Juli Geborene. Um mehr als 47 Gramm schwerer als im Durchschnitt der anderen Monate waren die Neugeborenen jeweils im September der Jahre 1865 bis 1930 in Österreich. Die aktuellen Sterblichkeitsrisiken für ältere Menschen in Bezug auf Herz- und Kreislauf-Erkrankungen sprechen jedenfalls dafür, dass solche oder ähnliche Zusammenhänge noch heute bestehen: Über die Geburtsmonate August und September gehen die Risiken, an Herzinfarkt, Schlaganfall oder schwindelbedingten Stürzen zu sterben, deutlich zurück.
Weil Babys zwischen August und Oktober wenige Monate vor der kältesten Jahreszeit zur Welt kommen, die sie vornehmlich im Haus verbringen, haben sie ähnlich den im Februar und März geborenen Pollenallergikern einen natürlichen Feind: die Hausstaubmilbe. Zu diesem Schluss kommen koreanische Mediziner um Young-Yull Koh von der Seoul National University in einer Studie an 1642 betroffenen Kindern zwischen zehn bis 16 Jahren. Demnach werden auffallend mehr Hausstaubmilben-Allergiker im August und September geboren als in anderen Monaten des Jahres, wie auch frühere Studien in England und Dänemark bereits gezeigt haben. Zwischen August und Oktober sei die Belastung durch Hausstaubmilben in Haushalten im Großraum Seoul besonders hoch, stellen Young und seine Kollegen fest. Es ist demnach möglich, dass auch der starke Milbenkontakt in der ersten Zeit unmittelbar nach der Geburt die Anfälligkeit für eine solche Allergie erhöht.
Oktober / November - Ein großes und langes Leben
Je kälter es draußen wird, desto enger ist auch der Kontakt zu Haustieren. Der niederländische Biochemiker Rob Aalberse von der Universität Amsterdam entdeckte 1992 in einer Untersuchung, dass zwischen Oktober und Januar mehr Hunde- und Katzenallergiker geboren werden als im Durchschnitt der anderen Monate. Doch viele bedeutende Vorteile der späten Geburt im Jahr wiegen dieses Risiko auf. Von Oktober an beginnen sich die Geburtstermine zu häufen, die im reiferen Alter eine besonders hohe Lebenserwartung versprechen. Und diese spiegelt sich nach Erkenntnissen der Demografin Gabriele Doblhammer-Reiter auch, wenngleich nur schwach, in der Körpergröße wider, die ein Mensch erreicht.
Große leben demnach länger und sie werden eher gegen Jahresende geboren als im Frühjahr, wie eine Auswertung der Geburtsjahrgänge heutiger Mittzwanziger bis -dreißiger ergeben hat. Dies allerdings ist nicht der Grund, warum aus September- bis Dezember-Geborenen häufiger erfolgreiche Sportler werden, wie zum Beispiel ein Blick auf die Geburtsdaten britischer Ligafußballer zeigt: Weit mehr Herbst- und Winterkinder waren zwischen 1986 und 2002 in einer der britischen Fußballligen aufgestellt als im Frühjahr oder im Sommer geborene Kicker. Der Grund dafür ist ebenso trivial wie bei den im Mai und Juni geborenen deutschen Grundschülern, die schlechtere Chancen auf eine Empfehlung fürs Gymnasium haben: Herbst- und Winterkinder feiern einfach besonders früh im Auswahljahr der Fußballvereine Geburtstag und sind ihren Teamkollegen in der körperlichen Entwicklung ein wenig voraus. Sie werden deshalb besser gefördert und verdienen dann irgendwann Millionen.
Glücklicherweise lässt sich im Einzelfall eine Statistik immer aushebeln. Und es gibt wirksamere Faktoren als das Geburtsdatum. David Beckham zum Beispiel ist im Mai geboren. Und der große deutsche Biologe Ernst Mayr im Juli. Der wurde bei guter Gesundheit und geistiger Fitness 100 Jahre alt.