
Leben vor 16.000 Jahren: Feuer im Eis
Brennholz war rar vor etwa 15.000 Jahren. In Kokel-Experimenten haben Forscher nun nachgestellt, wie die Abhängigkeit von dem wertvollen Brennstoff das gesamte Leben der Siedler bestimmte.
Die meisten von uns haben die Lebensphase schon lange hinter sich gelassen, in der es unglaublich verlockend ist, zu kokeln. Nicht so Frank Moseler. Der Archäologe experimentiert auch heute noch ausgiebig mit Feuer - rein beruflich. In seiner gerade abgeschlossenen Doktorarbeit an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat er untersucht, wie sich die Menschen am Ende der letzten Eiszeit in Mitteleuropa vor etwa 15.000 Jahren warmhielten.
Wer dabei an lauschige Abende am offenen Feuer denkt, irrt. "Man darf sich keine großen, lodernden Feuer vorstellen", sagt Moseler. "So eine Lagerfeuerromantik ist sehr energieaufwendig, das muss man sich erstmal leisten können. Und das konnte in der eiszeitlichen Steppe vermutlich niemand, denn es gab aufgrund des trocken-kalten Klimas kaum Bäume, Holz war Mangelware."
Die frühen Feuerstellen, fand Moseler, waren kleine, geschlossene Öfchen. Diese erstmals von Schweizer Archäologen beschriebene Konstruktion diente zugleich als Heizung und Herdplatte. Im Schutz der Steinplatten brannte das wertvolle Holz langsam und gleichmäßig ab, zusätzlich speicherte der Stein die Wärme. Nur eines drang durch die dicken Steinwände nicht hindurch: Licht. Archäologen sind schon häufiger kleine Steinlämpchen aufgefallen, die von den Menschen in jener Zeit offenbar regelmäßig benutzt wurden. Die waren, zeigt Moselers Arbeit, im schummrigen Dunkel um die Öfen dringend notwendig.
Über 130 Feuerstellen von 15 mitteleuropäischen Fundplätzen aus der Zeit vor 14.000 bis 16.000 Jahren untersuchte der Archäologe. Bisher glaubte man, dass in der späten Eiszeit allein die Verfügbarkeit von Jagdbeute das Leben und die Wanderungen der Menschen bestimmte. Doch Moselers Forschungen malen ein ganz anderes Bild. Die Menschen zogen gar nicht den Tieren hinterher - sondern den Bäumen.
Offene Lagerfeuer waren Luxus
Moseler glich die Feuerstellen-Architektur mit den Klimadaten ab. Und tatsächlich: Die ersten Steinöfen datieren in verschiedenen Regionen Europas in eine besonders holzarme, trockene Kaltphase vor rund 16.000 Jahren. Erst viel später, vor rund 14.500 Jahren, legten die Menschen in Mitteleuropa auch klassische offene Lagerfeuer an. In dieser feucht-wärmeren Phase nahm der Baumbestand allmählich zu und Holz war leichter zu beschaffen.
"Sobald die Menschen konnten, errichteten sie offene Feuerstellen - obwohl das viel unwirtschaftlicher ist", sagt Moseler. "Prasselnde, offene Feuer haben uns wohl schon immer fasziniert." Vermutlich sei das Licht ausschlaggebend gewesen, der helle Feuerschein, der die dunklen Nächte verkürzte.
Das späte Eiszeitalter ist eine besonders wichtige Phase für die archäologische Erforschung: Die Menschen lebten erstmals auch über mehrere Monate hinweg in großen Gemeinschaftssiedlungen. Die Wohnräume waren dabei streng organisiert, archäologisch lassen sich Schlafplätze sehr genau von Küchen und von Werkstätten trennen. Alles häusliche Treiben aber orientierte sich am Herd.
Gekocht, genäht, Waffen repariert oder Schmuck hergestellt wurde nur am Feuer - und zwar genau in dieser Reihenfolge. Je länger eine Feuerstelle in Benutzung war, umso mehr Aktivitäten gab es in ihrem Umfeld. Wer hingegen nur für ein bis zwei Nächte campiert, fängt nicht an zu nähen. "Feuerstellen stehen im Fokus des eiszeitlichen Lebens, sozial und wirtschaftlich", sagt Moseler. "Wenn man die Feuerstellen versteht, versteht man auch die Siedlungs- und Wirtschaftsweise der Menschen."