Studie Es gibt sie doch - die Midlife-Crisis
Sie sieht aus wie ein U - die Kurve, die zeigen soll, in welchem Lebensabschnitt Menschen zu Depressionen neigen. Am Anfang und am Ende des Lebens ist man am glücklichsten. Das Problem ist die Zeit dazwischen: Im Alter zwischen 40 und 50 Jahren erreicht das Wohlbefinden seinen absoluten Tiefpunkt, und man wird anfälliger für Depressionen. Und das soll für Menschen aller Nationen gelten.
Wissenschaftler um Andrew Oswald von der University of Warwick in England haben in einer großen Studie zwei Millionen Menschen aus 80 Ländern zu ihrem seelischen Befinden befragt. Ihre Ergebnisse werden die Forscher im Fachblatt "Social Science & Medicine" präsentieren.
Die Auswertung der Riesenstudie ergab: Zwischen 40 und 50 ist das Risiko für Unzufriedenheit und Depressionen am größten und das weltweit. Dabei könnte man vermuten, dass Menschen aus gesicherten Verhältnissen glücklicher sind oder Menschen im Alter vielleicht unglücklicher. Das aber scheint nicht der Fall zu sein. "Überraschender Weise, sind Menschen mit 70 - vorausgesetzt sie sind noch gesund - genauso glücklich wie mit 20", sagte Oswald.
Die Beobachtungen gelten für alle Nationen und alle sozialen Schichten: "Es macht keinen Unterschied, ob man Single ist, verheiratet oder Kinder hat. Es spielt auch keine Rolle, ob man ein reicher Banker oder eine schlecht bezahlte Aushilfskraft ist. Es kann jedem passieren, ob Mann oder Frau", sagte Oswald. Nur bei den Amerikanern fand man eine Abweichung: Bei ihnen scheint es einen Geschlechterunterschied zu geben. Amerikanische Frauen erleben ihren seelischen Tiefpunkt mit 40 Jahren, Männer dagegen erst mit 50.
Die Forscher glauben, dass sich der Tiefpunkt langsam anbahnt. "Es sieht aus, als würde etwas ganz langsam, tief im Inneren der Menschen passieren. Die Depressionen treten nicht plötzlich in einem bestimmten Jahr auf", meint Oswald.
Wieso man in dieser Zeit so verletzlich ist, können die Wissenschaftler nur vermuten: Es könne sein, dass jüngere Menschen ihre Stärken und Schwächen einfach hinnehmen, Menschen mittleren Alters hingegen ihre Sehnsüchte und Erwartungen unterdrückten. Eine weitere Möglichkeit: ältere Menschen fingen an, sich miteinander zu vergleichen. Sie sehen etwa einen Schulfreund sterben und machten sich mehr Gedanken über ihre verbleibenden Jahre. So würden sie lernen, dankbarer zu sein für die guten Dinge in ihrem Leben.
Für Marjorie Wallace, Leiterin der der Menthal Health Charity Sane in London, wirft diese Studie spannende Fragen zu der Entstehung von Depressionen auf. "Wir sind froh um jede Information, die einen Beitrag zum Verständnis dieser Krankheit leisten kann. Wichtig wäre das ganz besonders für die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten - therapeutisch und pharmakologisch", sagt Wallace. Depressionen seien komplexe und schwierige Empfindungen: Einer von zehn Menschen mit einer schweren Depression nehme sich das Leben.
"Vielleicht würde es betroffenen Menschen schon helfen, zu wissen, dass diese Gefühle ganz normal sind", sagte Oswald.
nis