Tattoos aus altem Ägypten Kühe auf dem Arm

Zeichen auf der Haut
Foto: Anne AustinDass die alten Ägypter zur Tätowiernadel griffen, um Körperteile für bestimmte magische oder medizinische Zwecke zu markieren, ist bekannt: Einige Mumien trugen Muster aus Punkten oder Strichen auf der Haut.
Doch nun hat die Bioarchäologin Anne Austin von der kalifornischen Stanford University erstmals nachweisen können, dass die Ägypter auch Bilder unter die Haut brachten. Auf dem Körper einer Mumie aus Deir el-Medina, die sie im Auftrag des Institut français d'archéologie orientale durchführte, entdeckte sie magische Symbole.
Zunächst sah Austin nur ein merkwürdiges Bild auf dem Hals der Frau, die vor mehr als 3000 Jahren starb: zwei sitzende Paviane und Horus-Augen. Der Pavian konnte im alten Ägypten eine Form des Wissenschafts- und Mondgottes Thot sein. Das Auge des Himmelsgottes Horus galt als Schutzzeichen. Oft trugen die Ägypter es als Amulett, um den "bösen Blick" abzuwehren, oder malten es auf Grabwände.
Die Forscherin hielt die Symbole zunächst für aufgemalt. Erst beim zweiten Blick entpuppten sie sich als permanent unter die Haut geschrieben. Austin wusste, dass bei anderen Mumien Tätowierungen mithilfe von Infrarot-Techniken sichtbar gemacht wurden. Also machte sie sich an die Arbeit.
Tatsächlich brachten Infrarot-Aufnahmen der Haut weitere Bilder ans Licht. Schließlich zählte Austin über 30 Tätowierungen. Einige davon wären mit bloßem Auge nie sichtbar gewesen, weil die Haut durch die Balsamierungsflüssigkeiten so stark gedunkelt ist. Gemeinsam mit Cédric Gobeil, dem Direktor der französischen Ausgrabung in Deir el-Medina, entzerrte sie die Bilder digital.
Zum Vorschein kamen außer den Pavianen noch Kühe auf den Armen, Lotusblüten auf den Hüften - und jede Menge Horus-Augen. Sie prangten am ganzen Körper: auf dem Hals, auf den Schultern und auf dem Rücken. "Egal aus welchem Blickwinkel man die Frau ansieht, es blicken immer ein paar magische Augen zurück", berichtete Austin auf einem Treffen der American Association of Physical Anthropologists.
Wer war diese Frau, deren Körper so reich mit magischen Symbolen bedeckt ist? Ihre Mumie selber gibt darüber nur wenig Aufschluss. Bei den Ausgrabungen in der thebanischen Arbeitersiedlung Deir el-Medina im vergangenen Jahrhundert fand man ihren kopf- und armlosen Torso in einem Familiengrab.
Nach Jahrtausenden wiederholter Plünderungen waren die Mumien allerdings nicht mehr im besten Zustand - weshalb sich auch bis vor Kurzem niemand für die Frau interessierte. Sie starb zwischen 1300 und 1070 vor Christus. Zu dieser Zeit lebten in Deir el-Medina Arbeiter, die für die Pharaonen der 19. und 20. Dynastie die Gräber aus dem Boden des Tals der Könige schaufelten - und die Künstler, die diese verzierten.
Die Frau war vermutlich eine Priesterin und diente dabei Hathor, der Göttin der Liebe, des Friedens, der Schönheit, des Tanzes, der Kunst und der Musik. Deshalb trug sie Kühe, die heiligen Tiere Hathors, auf ihren Armen.
"Eine andere Tätowierung auf ihrem Arm könnte ein Sistrum gewesen sein - ein Rasselinstrument, das ebenfalls bei der Verehrung Hathors eine Rolle spielte", erläutert Austin. "Wenn sie ihren Arm bewegte, geriet diese Rassel rituell in Bewegung." Vielleicht sang die Tote aber auch zu Ehren Hathors: "Die Tätowierung auf ihrem Hals könnte dort platziert worden sein, um ihren Worten oder ihrem Gesang magische Qualität zu geben."
Während die Farbe einiger Bilder noch frisch und dunkel ist, scheinen andere schon so verblasst zu sein, dass sie lange vor dem Tod der Frau gestochen worden sein müssen. Es war also nicht eine lange Sitzung, in der die Frau ihre Tätowierungen bekam, sondern ein Prozess, der viele Jahre dauerte.
Möglicherweise kam über ihr Leben verteilt mit jedem Aufstieg in den Rängen des Hathor-Kultes eine neue Tätowierung hinzu. Rein dekorative Zwecke erfüllten die Symbole jedenfalls nicht - zumal das Stechen an einigen Körperstellen extrem schmerzhaft gewesen sein muss.
Der neue Blick auf die alten Mumien aus Deir-el Medina könnte sich lohnen. Nach der Hathor-Dienerin hat Austin noch drei weitere tätowierte Mumien entdeckt. Die Ägypter können allerdings nicht als Erfinder der Tätowierkunst angesehen werden. Die sonst bei ägyptischen Mumien geläufigen Punkt- und Strichtätowierungen trug in ähnlicher Form schon Eismann Ötzi, der vor über 5000 Jahren am Tisenjoch in den Ötztaler Alpen starb.
Und zu den Geboten, die Gott an Mose diktierte, gehörte bereits: "Ihr dürft euch keine Zeichen einritzen lassen!" (3. Mose 19:28). Allerdings hielten sich nicht einmal die Kleriker daran. So setzte sich beispielsweise im 14. Jahrhundert der Mystiker Heinrich Seuse darüber hinweg, indem er sich IHS - für Jesus - auf die Brust stach.
Als Meister der figürlichen Tätowierungen gelten die Skythen, die zwischen dem 8. und dem 3. Jahrhundert vor Christus in den eurasischen Steppen siedelten. Auf der Haut ihrer durch den Permafrost hervorragend konservierten Leichname prangen oft großflächige Fabelwesen.

Angelika Franz ist Archäologin. Als freie Autorin schreibt sie meistens über Kriege, Seuchen und alles, was verwest, verrottet und verfallen ist. Trotzdem ist sie keineswegs morbide veranlagt, sondern findet vielmehr, dass Archäologie die praktischen Dinge des Lebens lehrt. Bei Bedarf kann sie ein Skalpell aus Flint schlagen, in einer Erdgrube Bier brauen oder Hühner fachgerecht mumifizieren.Homepage von Angelika Franz

Maxim Sergienko/ DER SPIEGEL